Glossen, Realsatire & Co.

Weißblauer Galgenhumor

Nach der Stimmabgabe im Wahllokal hat mein alter Freund, der Quirin Ferstl, auf eine Halbe bei mir vorbeigeschaut. Und was er mir aus dem Buch „Weißblauer Galgenhumor" zum Besten gab, ist ein zeitgeschichtliches Lehrstück für junge Journalisten und Nichtwähler:

Von 1928 bis 1933 erschien in 26 oberbayerischen Lokalzeitungen des „Münchner Buchgewerbehauses" samstags eine Rubrik mit Karikaturen und Anekdoten unter dem Titel „Weißblauer Galgenhumor". Von den Nationalsozialisten nach 1933 gleichgeschaltet, war dem Zeitungsverbund ein eigener bayerischer Humor verboten und die Seite umbenannt worden in „Humor am Wochenende". Als Retourkutsche schmuggelten mutige Redakteure eine Anekdote ins Blatt, angesiedelt in der Tschechei an einem Wahltag mit ausnahmsloser Wahlpflicht – auch für den schlauen Wenzeslaus Popotschil, der auf den Wahlzettel geschrieben hatte: „Bibel, Kapitel Jesajas 41, Vers 24". In einer eiligst beschafften Bibel konnten die Partei-Atheisten lesen: „Siehe, ihr seid aus Nichts, und euer Tun ist aus Nichts, und euch zu wählen ist ein Greuel vor dem Herrn!"

Dass diese brisante Anekdote auf sie gemünzt war, bemerkten wegen intellektueller Defizite die totalitären Herrscher nicht und so blieb dieser Affront Gott sei Dank folgenlos.