Bayerische Geschichte
Klöppeln, ein sudetendeutsches Kunstgewerbe
Frau Wanda Paulus - Vergrößern durch Anklicken!
... treibt eine späte, versteckte Blüte in Mitterfels
Durch die Seniorenbetreuung wurde ich bei Frau Wanda Paulus, Burgstraße 32, Mitterfels, in Sachen Klöppeln fündig.
Frau Wanda Paulus wurde am 26. 9. 1920 in Heinrichsgrün, Kreis Graslitz, Sudetenland, als Tochter des Ehepaares Leibelt, die Metzgerei und Gastwirtschaft im Städtischen Gasthof betrieben, geboren. Schon im Heranwachsen gehörte Klöppeln für sie zu den vertrauten Eindrücken, weil dieses Kunstgewerbe an ihrem Heimatort allenthalben in Heimarbeit betrieben und die gefertigten Waren über mehrere Sammelstellen weiter vermarktet wurden.
Im Volksschulalter, vom 10. bis 14. Lebensjahr in etwa, besuchte Wanda Leibelt mehrmals wöchentlich am Nachmittag die Staatliche Klöppelschule in Heinrichsgrün, wo sie zusammen mit anderen Mädchen von einer älteren Lehrerin unterrichtet wurde. Diese Lehrerin besorgte auch Material und Werkzeug.Man verwendete in der Regel Leinengarn; aber auch ganz ausgefallene Fäden, wie Haare, wurden von Einheimischen verarbeitet.
Kleiderkragen
Der Krieg brachte Arbeitseinsätze für Wanda Leibelt, und die Klöppelkunst versiegte. 1946 erfolgte die Aussiedlung aus dem Sudetenland. Der Zug transportierte Wanda mit ihrer Mutter -der Vater war schon verstorben - zunächst nach Bogen, ein Lastwagen gleich weiter nach Elisabethszell. Dort wurde man mit anderen im Wirtshaussaal einquartiert. Nach einigen Wochen erhielt Wanda mit ihrer Mutter ein Zimmer über der Schmiede. Dieses wurde auch zur Klöppelstube, wo sie vormittags drei, nachmittags vier Mädchen unterwies. Material und Werkzeug konnte man sich bei Familie Weis, die auch aus Heinrichsgrün stammte und in Windberg Unterschlupf gefunden hatte, besorgen.
Die weiteren Nachkriegsjahre waren angefüllt mit dem Aufbau einer eigenen Familie und der harten Arbeit ums tägliche Brot. Die Klöppelkunst war dabei nicht gefragt. Nur einmal noch bekam Frau Wanda Paulus, wie sie seit ihrer Verehelichung hieß, einen Auftrag über ein Zeitungsinserat. Eine Firma aus Aalen bei Stuttgart suchte Heimarbeiterinnen zum Klöppeln von Musterkrägen.
Fensterbilder Taube und Hahn
1958 siedelte Frau Paulus nach Mitterfels, und 1970 konnte sie hier zusammen mit Mutter und Tochter ein eigenes Haus beziehen. Darin fand Frau Paulus im Rentenalter wieder Zeit und Muße zum Klöppeln. Sie suchte ihr "Klippelchristel", das Gestell zum Klöppeln, her, stopfte ihr Klöppelkissen mit Krummet voll, kramte ihre Klöppelschachtel mit den Klöppeln und Stecknadeln heraus und besorgte sich bei Bekannten laufend weitere Muster, sog. Briefe. Das Garn kann sie in Straubing kaufen.
Deckchen
Es entstehen Tauben und Hähne als Fensterbilder. Sie werden zu Sinnbildern für Freundschaft und erwachendes Leben. Ein Kreuz zur Erstkommunion, Firmung oder Konfirmation stellt ein würdiges Andenken dar. Verschiedene Krägen schmücken Festtagskleider und Deckchen das Heim. Wir wünschen Frau Paulus noch viel Freude und Erfolg bei ihrem traditionsreichen Hobby, welches in Mitterfels auch noch von Frau Rödig und Frau Pöschl, beide ebenfalls aus dem Sudetenland, gepflegt wird.
Quelle: Frau Wanda Paulus, Burgstraße 32, Mitterfels (gest. am 10. April 1999)
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