Natur & Umwelt
Vor 27 Jahren: Restaurierung der einstigen Kastensölde in Mitterfels abgeschlossen
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Es war schon ein Glücksfall für Mitterfels: Ein junges Paar, das zu seinen "Wurzeln" stand, restaurierte ein historisches Gebäude, die ehemalige Kastensölde der Burg, mit großem finanziellen Aufwand und entbehrungsreicher Zeit. Fertig restauriert war es im Herbst 1994. "So ein altes Klump", das nach Meinung mancher Stammtischmitglieder abgerissen gehört hätte, wurde zu einem "Juwel". ...
Quelle: Wolfgang Feldmeier und Robert Graf, in: Mitterfelser Magazin 1/1994
(herausgegeben als Festschrift zur 800-Jahr-Feier von Mitterfels)
Die Sanierung des Gebäudes:
Als ich (Wolfgang Feldmeier, Red.) im Herbst 1989 vom damaligen Referenten des Landesamtes für Denkmalpflege, Dr. Ueblacker, angerufen wurde, mein Büro soll für das Gebäude Burgstraße 20 eine Bestandsaufnahme fertigen und den jungen Bauherrn während der darauffolgenden Umbaumaßnahmen beraten, wusste ich nur, dass es sich um einen Holzblockbau handelte, und dass der Bauherr bereits mit diversen Arbeiten begonnen hatte.
Innen- und Außenansichten Winter 1989/90
Der erste Ortstermin bestätigte dann meine gehegten Befürchtungen, obwohl der erste Eindruck von außen nichts erkennen ließ, dass der Bauherr schon - ohne Konzept - mit dem Umbau begonnen hatte. Dies führt in den meisten Fällen zu einem beträchtlichen Mehraufwand an Eigenleistung. Ich behielt die Erkenntnis jedoch für mich, denn die Tatkraft des Bauherrn, in die richtigen Bahnen gelenkt, ist ein Energiepotential, das zur Durchführung des Vorhabens einen wichtigen Teil beiträgt.
Deshalb ein paar aufmunternde Worte am Anfang zur Hebung der Moral und zur Stärkung der Zuversicht - wir waren erst am Anfang eines mehrjährigen Weges ...
Der erste Schritt, die zeichnerische Bestandsaufnahme, erfolgte bald. Einige Details, so zum Beispiel vermauerte Öffnungen und Fenster an verschiedenen Stellen der Außenwände und ältere Fensterlaibungen, die Rätsel aufgaben, wurden dokumentiert. Ein Blick in die Denkmalliste des Landkreises Straubing -Bogen (hier ist das Stieglerhaus als "Wohnhaus, Obergeschoß verputzter Blockbau mit Halbwalmdach, Ende 18. Jh." beschrieben) brachte uns in diesem Zusammenhang keiner Lösung näher. Wir beschlossen deshalb, eine dendrochronologische Untersuchung (Jahresringuntersuchung) am Blockbau durchzuführen. Dazu wurden aus verschiedenen Stellen der Blockwand Bohrkerne entnommen.
Abb. links: Erdgeschoss ehem. Stube, Südostecke - Abb. re.: Erdgeschoss ursprüngliche westliche Außenwand raumseitig, ursprüngliches Schiebeladenfenster nachträglich vergrößert
Abb. links: Erdgeschoss Außenwand, Südostecke - Abb. re.: Erdgeschoss ursprüngliche westliche Außenwand, ehem. Außenseite, abgefaste Fensterlaibung nachträglich vergrößert.
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Die Datierung eines dieser Kerne auf das Jahr 1548 als Fälldatum des Baumes ließ nun dieses schlichte Haus in einem ganz anderen Licht erscheinen. Ein fast 450 Jahre alter Blockbau an seinem angestammten Platz - ich konnte es noch nicht glauben und zog deshalb einen weiteren Experten hinzu, der sich mit der Hausgeschichte des ausgehenden Mittelalters ausgiebig beschäftigt. Der konnte unsere Fragen zu den Fassadendetails klären: es handelte sich um Rauchabzugsöffnungen unter der Decke der erdgeschossigen Stube oder um Fensteröffnungen mit stark abgefasten Außenlaibungen und innerer Eintiefung in der Blockwand, die im 16. Jh. gebräuchlich waren. Der bis dahin älteste datierte Blockbau in Niederbayern war ein Kleinbauernhaus von 1611, das ins Freilichtmuseum nach Massing versetzt wurde. Besitzerstolz und Bedenken wegen Umbau und Sanierung lagen beim Bauherrn nun im Widerstreit. Der Zeitaufwand für die Vorbereitung der baulichen Maßnahmen verdrängte jedoch etwaige Zweifel. Termine mit Behörden zur Absprache der Konzepte wurden zusammen mit dem Architekten abgewickelt, bis ein Finanzierungsplan und ein akzeptabler Umbauvorschlag feststanden. Ein Meilenstein war nun gesetzt. Denn nur mit gutem Willen allein, ohne die nötigen Mittel, die sich aus Zuschüssen, Eigenmitteln, Darlehen und Eigenleistungen zusammensetzen, ist so ein Vorhaben nicht zu realisieren. Jetzt konnten wir darangehen, den Ablauf der Sanierung und Modernisierung festzulegen, mit Firmen zu verhandeln und den eigentlichen Baubeginn zu terminieren. Zug um Zug wurde die Sanierung fast ausschließlich in Handarbeit vorwärtsgetrieben.
Abb. links: Abschnittsweise Neugründung - rechts: Der Zementpanzer ist teilweise entfernt.
Abb. li.: Teilabbruch Anbau - Mitte: Der neue Rohfußboden - re.: Wandunterkonstruktion für den Trockenbau
Abb. li.: Neue Dachgauben - re.: Der Blockbau wird ausgebessert.
Abb. li.: Historische Deckenbalken wurden verlängert. - Abb. re.: Die neuen Fenster
Abb. li.: Heizungsinstallation und Lattung für den Trockenbau - re.: Die neue Badewanne
Abb. li.: Die Schilfdämmung wird auf den Blockbau aufgebracht. - Re.: Der massive Anbau wird gedämmt.
Im Laufe dieser Zeit war meinerseits immer wieder moralische Unterstützung des Bauherrn notwendig, denn sein Stammtisch und auch viele der Handwerker haben ihn nicht immer ermutigt. "So ein altes Klump" gehört ihrer Meinung nach grundsätzlich abgerissen. Die "Bruchbude" mauserte sich jedoch Tag für Tag vom hässlichen Entlein zu einem ansehnlichen Schwan. Neue Fenster und Türen, Dachgauben, ein Anbau mit Terrasse, der Weg wurde klarer, das Haus nahm Gestalt an.
Die endgültige Fertigstellung erfolgte im Herbst 1994.
Abb. li.: Die erste Putzlage - Mitte: Die Blechverkleidung wird aufgebracht. - Re.: Die Außenhaut ist fertig.
Abb. li.: Die neue Eingangssituation - re.: Auch der Garten blüht wieder.
So präsentiert sich das historische Gebäude heute.
Die Geschichte der Kastensölde:
Nach Abschluss der Sanierung war nun endlich auch Zeit, die Ergebnisse der Bau-und Archivforschung auszuwerten und zu Papier zu bringen.
Grundriss Bestand 1990
Schnitt Bestand 1990
Beginnen wir im Jahre 1548 während der Amtszeit des Kastenprobsts Peter Leutner und des Pflegers Hans Peter von Fraunberg.
Er war es, der vermutlich den Auftrag zum Bau des Kastenprobstamtes gab. In der Häuserliste von 1579 beschrieben als eine hölzerne Behausung mit 2 Stuben übereinander und vermutlich in der Anfangszeit noch mit einem schindelgedeckten Satteldach. Die Funktion des Hauses als Verwaltungsbau ist mit unserem heutigen Finanzamt vergleichbar - es diente als Sammelstelle für alle Arten von Abgaben. Der Erdgeschoss-Grundriss und das Aussehen der Ostseite des Hauses kann man aufgrund der vorgefundenen Wandreste und der Fensteröffnungen folgendermaßen rekonstruieren.
Auch den heute noch benutzten Gewölbekeller, über Granitblockstufen zu erreichen, gab es schon zu dieser Zeit, denn die während der Umbaumaßnahmen freigelegte gemauerte Lichtöffnung an der Westseite des Kellers bindet homogen in die hölzerne Außenwand ein. Die Stube im Erdgeschoss, eine Rauchstube (Raum mit offener Feuerstelle ohne Kamin) war problemlos zu erkennen.
Rekonstruktionszeichnung
Die Deckenbalken mit der darauf liegenden doppelten Bohlenlage, beide rußgeschwärzt, und die 20 mal 20 großen Rauchabzugsöffnungen knapp unter der Decke an der Ost-und Südseite waren der eindeutige Beweis dafür. Die Wandbalken wiesen keine Patina auf - ein Zeichen dafür, dass die Wände der Stube mit Lehmschlag, wie wir ihn auch an anderen Stellen gefunden haben, verputzt war.
Die Fenster der Stube, nicht größer als die Rauchabzugsöffnungen und etwa 1 Meter über dem Fußboden, waren mit einem Schiebeladensystem ausgestattet, das den Bewohnern erlaubte, den Lichteinfall und den Durchblick zu regulieren.
Aufgrund zweier in die Blockwand eingelassenen seitlichen Taschen mit einem unten und oben angebrachten Führungsbrett konnte man einen massiv hölzernen Laden oder einen mit einem transparenten Gewebe, vermutlich einer getrockneten Schweinsblase, bespannten Holzrahmen vor die Öffnung schieben.
Die Häuserliste aus dem Steuerbuch von 1579 gibt eine erweiterte Beschreibung des Kastenprobstamtes mit seinen Gebäuden und Liegenschaften: "Eine wohlgebaute hölzerne Behausung mit 2 Stuben übereinander, einem hölzernen Pferdestall mit Ständen für 6 Rosse und daneben einem neugezimmerten Stadel mit einer Tenne. Der Stadel umschließt auch Kuhstall und Schweinestall, auf dem sich, wie üblich, der Hennenkobel befindet. Beim Haus befindet sich ein Garten auf sehr dürrem und buckligem Boden, 3/4 Tagwerk groß, aber nur einmähdig. Im Weingartenfeld und im Zackenberg gehören 2 Tagwerk Acker zum Kastenamt, dazu die 3 Kastenfelder zwischen der 'Hohlgassen' und 'Rörber' (Gemeindewald), alles zusammen 14 Tagwerk. 1 1/2 Tagwerk sind es an Wieswachs, 4 Tagwerk beträgt der Wald, ein 'Laubholzwachs' am Hochanger zwischen Kastenfeld und 'Hellweg' (Höllweg)".
Ein stattliches Anwesen also, welches seine Bewohner gut ernährte. Über sie sagt das Steuerbuch nichts aus. Aufgrund der zahlreichen Liegenschaften sind sie der wohlhabenderen Bevölkerungsschicht zuzurechnen, vielleicht wohnte auch der Kastenprobst Peter Leutner mit seiner Familie selbst darin. Seine Arbeitsräume befanden sich wohl neben der Stube auf der gegenüberliegenden Flurseite. Wären hier Stallungen untergebracht gewesen, hätte der Blockbau die Jahrhunderte sicher nicht überdauert.
Der 30-jährige Krieg (1619 - 48), der spanische Erbfolgekrieg (1701 - 14) und der österreichische Erbfolgekrieg (1740 - 45) gehen über das Land, bringen Verwüstung und Leiden über Mitterfels und die umgebenden Ortschaften. Auch der Verlust von Aufzeichnungen über diese Zeiträume ist zu beklagen, so dass erst wieder 1750 die Witwe des Gerichtsschreibers Wolfgang Grissenauer als Bewohnerin zumindest bis 1779 angeführt wird.
Das Haus, das die Familie Grissenauer bewohnte, könnte also so ausgesehen haben.
So ist auch der erste Umbau des Gebäudes, eine Vergrößerung der Fenster unter Beibehaltung der Fensterachsen zeitlich nicht präzise einzuordnen. Durch die an verschiedenen Stellen noch vorgefundenen Setzstücke (senkrechten Balken) der Fensterlaibungen kann für die Fenster ein quadratisches Format (ca. 80/80) angenommen werden. Aufgrund dessen ist eine Einordnung nach 1650 und vor Beginn der österreichischen Regentschaft 1704 zur Zeit des Spanischen Erbfolgekrieges annähernd möglich. Auch der Einbau einer Rauchküche mit einem Kamin, deren Zugang vom Flur her später vermauert wurde, erfolgte vermutlich zu dieser Zeit.
Bis zur Säkularisation 1803, während dieser das Kastenprobstamt und Pfleggericht aufgelöst wurden, gibt es keine weiteren schriftlichen Aufzeichnungen das Gebäude betreffend.
Erst als am 22.04.1803 Lorenz Gruber die "Kastensölde" - ein hölzernes Haus mit Stall und Stadel - um 2850 Gulden erwarb, beginnt ein Zeitraum lückenloser Aufzeichnungen über Besitzer und Besitzstand. Über Umbaumaßnahmen wird nichts berichtet, obwohl vermutlich um 1840, so konnten wir anhand der zeitlichen Einordnung der Türbeschläge recherchieren, eine tiefgreifende Veränderung stattfand. Die Einheitlichkeit dieser Einbauteile, die sich im gesamten Gebäude fanden, wiesen darauf hin. Auch wurde die heutige Gebäude- und Dachform geschaffen, der ursprüngliche Dachstuhl abgetragen, ein zusätzliches Zimmer in Blockbauweise daraufgesetzt und mit dem heutigen Krüppelwalmdach überdacht, dies ist anhand der Türeinbausituationen nachzuvollziehen. Die vorgefundenen Einbaudetails und die Bundzeichen an der Dachkonstruktion sichern die Vermutung weiter ab. Gleichzeitig entstand der westseitige Ziegelanbau; Ziegelformate, Konstruktionsdetails und das darüber greifende Dach sind hierfür ein eindeutiger Beweis. Auch die Fensteröffnungen, so wie sie sich heute zeigen, sind zu dieser Zeit vergrößert worden. Ein anhand der Beschläge einzuordnendes Fenster befand sich noch in der Kammer des Dachgeschosses im eingebauten Zustand. Das Haus bekam bereits damals seine heutige Gestalt und auch sicher einen neuen Außenputz, denn die geringe Verwitterung der Außenseiten der Blockwände sind ein sicheres Indiz dafür, dass das Gebäude bereits seit der Barockzeit, dem damaligen Zeitgeschmack entsprechend, verputzt war. Baugeschichtlich gibt es nun nichts mehr zu berichten bis zum Jahre 1955. Nach den dunklen Kriegszeiten und am Anfang des Wirtschaftswunders erhält das Haus eine neue "Haut", und ein kleines Schaufenster an der Straßenfront mit Elektrogeräten und Radios kündet von modernen Zeiten.
Die vorgefundenen Mosaiksteinchen haben durch Vergleichen und Einpassen in das Raster der vorhandenen Zeittafeln und Berichte die Baugeschichte der Kastensölde etwas aufhellen können und uns ein Stück Zeitgeschichte wieder näher gebracht.
Anhang: Eigentümer- und Bewohnerliste
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