. . . und drum herum
Die 422. Auflage des Straubinger Kalenders ist erschienen
Bilder, Geschichten, Gedichte
Auf einer rot-weiß karierten Decke zwischen Sonnenblumen und mit einer roten Schleife verziert steht er seit Kurzem im Schaufenster des Leserservice des Straubinger Tagblatts: der Straubinger Kalender im 422. Jahrgang. Von Mundartgeschichten über die Geschichte des ersten Kochbuchs hin zu Revolutionen und Rückzugsorten: Für die Leser gibt es in dem 288 Seiten dicken Büchlein viel zu entdecken. Bei der Entstehung des Kalenders haben unter der Leitung der Stadtarchivarin Dr. Dorit-Maria Krenn auch heuer wieder viele Autoren aus der Region mitgewirkt. Mit dabei sind aber nicht nur altbekannte Namen. „Etwa ein Viertel aller Autoren sind dieses Jahr zum ersten Mal im Straubinger Kalender vertreten“, erklärt Krenn. Manche davon habe sie selbst angesprochen, andere sind ihrem jährlichen Aufruf im Kalender gefolgt. Bei der Auswahl ihrer Texte achtet Krenn darauf, dass sich Erzählungen, Gedichte und historische Texte abwechseln. „Auf die richtige Mischung kommt es an“, sagt sie. Um für jedes Thema die passende poetische Umrahmung zu haben, sammelt sie seit Jahren in vielen Ordnern alle zugesendeten Gedichte. Viel Zeit nimmt die Arbeit am Kalender in Anspruch, das Heraussuchen und Zusammenstellen der Texte ist ein langwieriger Prozess. „Ich bin ja jetzt schon im Jahr 2019. Also bin ich im Kopf schon zwei Jahre voraus“, sagt Krenn.
Das Stadtmodell von Jakob Sandtner aus dem Jahr 1568 zeigt die Straubinger Innenstadt zu ihrer Blütezeit. (Foto: Gäubodenmuseum Straubing)
Erinnerungen an die Heimat auffrischen
Durch seine Vielfältigkeit spricht der Heimatkalender nicht nur ältere, sondern auch junge Leser an – und das weltweit. „Bis nach Amerika und Argentinien liefern wir den Straubinger Kalender“, sagt Krenn stolz. Viele Auswanderer, die ihre Heimat schon vor Jahren verlassen haben, blättern noch immer gerne in dem Kalender, um Erinnerungen an die Heimat aufzufrischen. Aber auch aus der Region gäbe es viele positive Rückmeldungen. „Ein Leser hat uns beispielsweise gesagt, dass der Kalender Herz und Hirn erfreue“, sagt die Stadtarchivarin. Neben Jubiläen, Jahrestagen und Gedenktagen sind im Heimatkalender vor allem auch Mundarttexte stark vertreten. „Der Kalender soll ja Mundart pflegen. Aber das Verhältnis zu den anderen Texten muss trotzdem stimmen.“ Auf die Unterschiede zwischen Dialekt und Standardsprache geht beispielsweise Valentin Erl in seiner Erzählung „Kurzer Rede langer Sinn“ ein. In der Geschichte unterhalten sich zwei niedersächsische Schüler auf dem Weg zum Bus. Der eine fragt den anderen, ob sie endlich weitergehen können oder er noch lange kucken wolle. „Nur noch einen Augenblick. Ich komme sofort“, antwortet sein Schulfreund, lässt sich aber mit dem Weitergehen Zeit. Immer weiter wird er von seinem Freund gedrängt, endlich etwas schneller zu gehen – mit wenig Erfolg: Als er an der Bushaltestelle ankommt, ist der Bus bereits weg. Während sich das Gespräch der beiden Schüler auf Hochdeutsch so sehr in die Länge zieht wie die Trödelei des zweiten Schuljungen, ist der gleiche Dialog auf Bairisch in weitaus wenigeren Worten schnell abgehandelt: „Gemma?!“ „Glei.“ „Kimm!“ „J-a.“ „Da Bus!!!“ „Bi scho do.“ „Is scho furt.“ Warum die Unterhaltung im Bairischen kürzer erscheint, erklärt sich der Autor so: „Das liegt zum einen an der Mundart selbst, zum anderen an der Mundfaulheit vieler Altbayern.“
Ein beliebtes Motiv in der Osterzeit: Jesus Christus trägt das Osterlamm auf seinen Schultern. (Foto: Peter Schwarz)
Heimatkalender von Frühling bis Winter
Gegliedert ist der älteste Heimatkalender Deutschlands, wie es auf dem Deckblatt des gelben Büchleins heißt, nach den vier Jahreszeiten. Der „Frühling“ wird mit Geschichten und Liedern zu dem Gesang der Vögel eingeläutet. Aber auch der Regen lässt nicht lange auf sich warten und so ist es nicht verwunderlich, dass der Regenschirm in gleich drei Kurzgeschichten die Hauptrolle spielt. Mit Geschichten über Familienausflüge und über das Einkehren beginnt der „Sommer“ im Kalender. Der Leser wird mit Gedichten über die Kirschenzeit hin zum nächsten großen Thema begleitet – dem Kochen. In diesem Abschnitt erfährt man gleich allerhand über die Geschichte der ersten Kochbücher. Für den Autor des Textes, Bernhard Lübbers, sind Kochbücher nämlich eine unterschätzte Literaturgattung – gegessen und getrunken wurde schließlich in jeder Epoche gern. Das Kochbuch spiegle so die Kulturgeschichte der Ernährung wider. „Denn Kochbücher werden benutzt, so lange es geht – oft bis sie auseinanderfallen“, schreibt Lübbers. Und wer gerne kocht, findet in dem Kalender auch einige Rezepte, die sich leicht nachmachen lassen. Ein Geheimtipp ist das Apfelstrudelrezept, das in die Anekdote einer Kalenderautorin eingewebt ist.
Von Revolution zur besinnlichen Adventszeit
Melancholische Gedichte und Erzählungen fangen den Leser im Herbstabschnitt des Kalenders ein. Passend dazu werden die kleinen Texte durch herbstlich verfärbte Bilder umrahmt. In den Spätherbst fällt das Jubiläum der Revolution von 1918. Vor hundert Jahren wehte auch in Landshut für kurze Zeit die rote Fahne. Zuvor hatte Kurt Eisner, Politiker der Unabhängigen Sozialdemokratie (USPD), in der Nacht zum 8. November 1918 bei einer Demonstration auf der Münchner Theresienwiese verkündet: „Bayern ist fortan ein Freistaat.“ Als die Meldung schließlich in Landshut eintrifft, herrscht auch dort helle Aufregung. Aufgebrachte Menschengruppen ziehen durch die Altstadt, es kommt zu Auseinandersetzungen. Manche werden verprügelt, Offizieren wird die preußische Kokarde abgerissen. Bereits einen Tag später bildet sich in Landshut eine Bürgerwehr, die für Ordnung sorgen soll. Am 10. November gründet sich ein Arbeiter- und Soldatenrat. Trotz der Unruhen schafft es die USPD doch nicht, sich bei den ersten bayerischen Landtagswahlen zwei Monate später gegen die Bayerische Volkspartei durchzusetzen.
Das idyllische Rosenberger Gut in Lackenhäuser diente Adalbert Stifter lange Zeit als Rückzugsort. (Foto: Tourismusinformation Neureichenau)
Vom „Seelenort“ Adalbert Stifters
Weniger aufrührerisch sind die Themen des „Winters“ im Straubinger Kalender. Es geht vor allem um die besinnliche Adventszeit, um Heiligabend und den Beginn eines neuen Jahres. Mit vielen anrührenden Anekdoten und Gedichten werden die Leser in die Weihnachtszeit entführt. Aber auch Adalbert Stifter, der Dichter aus dem Böhmerwald, findet zu seinem 150. Todestag einen Platz im Kalender. Stifter gilt als „Meister der biedermeierlichen Naturdarstellungen“. Weniger bekannt ist der sogenannte „Seelenort“ des gebürtigen Österreichers. Seinen idyllischen Rückzugsort in der Gemeinde Neureichenau (Kreis Freyung-Grafenau) beschreibt der Dichter in seinen letzten Lebensjahren so: „Meine ganze Seele hängt an dieser Gegend, wenn ich irgendwo völlig genese, so ist es dort ...“ Es ist also nicht verwunderlich, dass das Rosenberger Gut in Lackenhäuser, das so lange Stifters Zufluchtsort war, heute eine Gedenkstätte ihm zu Ehren eingerichtet hat. Im Straubinger Kalender finden sich zusätzlich zu den zahlreichen Geschichten aber auch viele nützliche Tipps für den Alltag. Neben einem Übersichtskalender, einem Feiertagsverzeichnis und einem Trächtigkeitskalender für viele Haustiere können sich die Leser in dem gelben Büchlein auch über Posttarife, das Märkteverzeichnis und über kirchliche Behörden informieren. Info Der Straubinger Kalender 2018 ist ab sofort in allen Geschäftsstellen der Mediengruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung sowie in Buchläden und im Schreibwarenhandel erhältlich. Er kostet fünf Euro.
Quelle: Susanne Pritscher/BOG Zeitung vom 31. August 2017 (Zeitversetzte Übernahme aufgrund einer Sperrfrist)
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