Eine Bücherei entsteht
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"An dem Tag, da die Phantasie des Kindes keine Bilder mehr zu schaffen vermag, wird die Menschheit arm. Alles Große. das in der Welt vollbracht wurde, spielte sich zuerst in der Phantasie eines Menschen ab, und wie die Welt von morgen aussehen wird, hängt zum großen Teil von der Einbildungskraft jener ab, die heute lesen lernen. Deshalb brauchen die Kinder Bücher." Astrid Lindgren
"An dem Tag, da die Phantasie des Kindes keine Bilder mehr zu schaffen vermag, wird die Menschheit arm. Alles Große. das in der Welt vollbracht wurde, spielte sich zuerst in der Phantasie eines Menschen ab, und wie die Welt von morgen aussehen wird, hängt zum großen Teil von der Einbildungskraft jener ab, die heute lesen lernen. Deshalb brauchen die Kinder Bücher." Treffender als Astrid Lindgren kann man wohl kaum Sinn und Aufgabe der Leseförderung formulieren. Freude am Lesen erwecken muss ein wichtiges Erziehungsziel für Familie, Kindergarten und Schule sein. Dafür werden nicht nur von Pädagogen Gründe angeführt wie z. B.
• Lesen bringt Ruhe ins sonst so hektische Berufs- und Freizeitleben.
• Lesen fördert das eigene Ausdrucksvermögen (auch die Rechtschreibung!).
• Lesen regt Phantasie und Vorstellungsvermögen an.
• Lesen ist aktive Informationsentnahme, die für einen mündigen Bürger unerlässlich ist.
• Lesen ist ein wichtiger Gegenpol zur bloßen "Berieselung" durch das Fernsehen.
Die Liste dieser Argumente ließe sich mühelos erweitern.
Wie können Kinder mit Büchern vertraut gemacht werden?
Um allen Kindern die gleiche Chance zu geben, an gute Bücher zu kommen, sind Leihbüchereien nötig. Seit jeher wurde an unserer Schule großer Wert auf die Erhaltung, Benutzung und ständige Erweiterung der Schülerbücherei gelegt. Die Mitgliedsgemeinden des Schulverbandes zeigten sich stets aufgeschlossen und stellten im Haushalt dafür Geld zur Verfügung. Was bewog Schulleitung. Kollegium und Elternbeirat der Volksschule Mitterfels-Haselbach im Jahr 1988 einen Antrag auf Errichtung einer öffentlichen Bücherei an die Gemeinde Mitterfels zu stellen?
Die Hauptgründe:
• Eine öffentliche Bücherei wäre nicht nur für Grund- und Hauptschüler, sondern auch für Vorschulkinder und Schüler weiterführender Schulen oder Jugendliche in der Berufsausbildung zugänglich.
• Die Ausleihzeiten könnten so gelegt werden, dass die Auswahl der Bücher in Ruhe getroffen werden kann, was in den Räumen der Schülerbücherei nicht möglich ist.
• Die Räumlichkeiten würden Platz bieten für Leseecken, Sitzgelegenheit für eine ganze Klasse (z. B. Deutschunter richt in der Bücherei) oder für kleine Veranstaltungen rund ums Buch (z. B. in Zusammenarbeit mit der VHS).
• Ein ungenutzter Raum im Neubau der Schule, der sowohl von außen als auch von innen zugänglich ist, würde sich für die Unterbringung der Bücherei anbieten.
• Eine öffentliche Bücherei könnte staatliche Beratung und Zuschüsse für die Einrichtung und den Ankauf von Büchern beanspruchen.
• Eine öffentliche Bücherei wäre als kulturelle Einrichtung eine große Aufwertung für unsere Gemeinde.
Wie ist die Mitterfelser Bücherei entstanden?
In der Sitzung des Marktgemeinderates am 17.03.1988 wurde die Errichtung einer öffentlichen Bücherei grundsätzlich beschlossen und die Schulleitung beauftragt, Vorschläge zu deren Verwirklichung einzubringen. Doch erst mussten noch einige Hürden genommen werden:
Der Musikverein, der seit langem auf der Suche nach geeigneten Übungsräumen war, zeigte ebenfalls starkes Interesse an dem o. g. ungenutzten Raum des Schulhauses. Von Seiten der Gemeinde wurde deshalb als Büchereiraum die ehemalige Hausmeisterwohnung in die Diskussion gebracht. Dieser Vorschlag wurde erst von der Schulleitung abgelehnt, da es in den kleinen Räumen der Wohnung nicht möglich gewesen wäre, eine Bücherei zu verwirklichen, die mehr ist als ein Aufbewahrungsort für Bücher. Unabhängig davon beschloss der Marktgemeinderat am 04.04.1991 bei der Haushaltsberatung, eine öffentliche Bücherei zu errichten. Die Trägerschaft übernahm der Markt Mitterfels. Am 30.07.1991 trat die Marktgemeinde dem staatlichen Bibliotheksverband Niederbayern und südl. Oberpfalz e.V. bei.
Ein neuer Verein - muss das sein?
Während dieser lang andauernden "Geburtswehen" gab es ein anderes sehr erfreuliches Ereignis: Auf Initiative der Schulleitung fanden sich Freunde des Lesens zu einem Arbeitskreis zusammen. Dazu gehörten (und gehören) interessierte Eltern, Vertreter verschiedener Vereine, Gemeinderäte aller Fraktionen und einige Lehrer. In ihrer ersten Versammlung stellte sich diese Gruppe als vordringliche Aufgabe, die Errichtung der öffentlichen Bücherei voranzubringen. Da inzwischen der Musikverein die Zusage für den Raum im Neubau der Schule erhalten hatte, ging es darum, aus der ehemaligen Hausmeisterwohnung das Beste zu machen.
Ein Mitglied des Arbeitskreises, Herr Helmut Uekermann, erstellte kostenlos einen Vorentwurf für den Umbau einschließlich Kostenschätzung, ein weiteres Mitglied, Herr Peter Sirowatka, befasste sich mit der statischen Überprüfung, ebenfalls unentgeltlich. Mit diesen Vorarbeiten wandte sich der Arheitskreis an den Marktgemeinderat.
Nach einem nochmaligen überzeugend vorgetragenen Plädoyer des Sprechers, Franz Tosch, wurde der Beschluss gefasst, den Umbau der Hausmeisterwohnung in Angriff zu nehmen. Der Arbeitskreis wurde beauftragt, bei Planung und Gestaltung mitzuwirken. Um die Interessen der Bücherfreunde noch stärker vertreten zu können, entschloss sich nun der Arbeitskreis. einen Förderverein zu gründen. In der konstituierenden Versammlung wurde Frau Gudrun Sirowatka zur 1. Vorsitzenden gewählt. Sie hat dieses Amt, in dem sie sich bestens bewährt hat, bis heute inne (Stand April 1995 – Red.). Bereits in der Entstehungsphase der Bücherei zeigte sich, dass dieser Verein dem offiziellen Träger Marktgemeinde eine wichtige Stütze werden würde.
Die nötigen Umbaumaßnahmen wurden größtenteils von Gemeindearbeitern ausgeführt. Die Inneneinrichtung plante der Leiter der staatl. Beratungs stelle für Büchereien, Herr Merker. Nachdem die Elektro-, Schreiner- und Bodenverlegearbeiten ausgeführt und die Regale aufgestellt waren, konnte mit dem Umzug der Schülerbücherei in die neuen Räume begonnen werden. Auf Anraten der staatlichen Beratungsstelle und auf Drängen des Fördervereins entschloss sich der Marktgemeinderat, eine Büchereileiterin für drei Stunden pro Woche anzustellen. Frau Angela Laumer bewarb sich um diese Aufgabe und ist seitdem die "gute Seele" unserer Einrichtung (nicht nur für wöchentlich drei Stunden!).
Foto: Unsere Büchereileiterin Frau Laumer mit ihrer "Stammkundschaft"
Und der Anfang? Ein gelungenes Fest!
Im Herbst 1992 war es endlich so weit! Die Marktgemeinde lud die Bevölkerung für den 28. November zur Einweihung der Bücherei ein. Auch der Übungsraum des Musikvereins wurde an diesem Tag seiner Bestimmung übergeben.
Erstaunlich viele Gäste zeigten durch Ihr Kommen Interesse an der neuen Einrichtung. Sie waren voll des Lobes über die freundliche, einladende Atmosphäre und die farblich harmonische Gestaltung der Räume. Der Förderverein freute sich über zahlreiche Spenden und v. a. über einige neue Mitglieder. Deren Zahl ist bis heute (1995!) auf 69 angestiegen. Jeder Neuzugang wird herzlich willkommen geheißen. Der Jahresbeitrag von 20 DM kommt voll und ganz der Bücherei zugute. Doch das ist nur ein Teil der Aufgaben, die sich der Förderverein vorgenommen hat. Um genügend Ausleihzeiten anbieten zu können, sind viele freiwillige Betreuungskräfte nötig. Die Bücherei ist während Schulzeiten zweimal wöchentlich in der Mittagspause für Schüler und dreimal wöchentlich für die allgemeine Bevölkerung geöffnet. In den Ferien können jeweils sonntags Bücher ausgeliehen werden. Gegenwärtig versehen ca. 15 Mitglieder des Förderkreises ehrenamtlich diesen Dienst, der in einem Kalenderjahr gut 250 Arbeitsstunden beansprucht.
Was hat unsere Bücherei zu bieten?
Nach dem Umzug nahmen sich unsere ca. 800 Exemplare der Schülerbücherei in den neuen Regalen recht bescheiden aus. Doch dank der Mittel aus dem Schulverbandshaushalt, aus der Kasse des Förderkreises und der staatlichen Zuschüsse wuchs unser Bestand bereits auf ansehnliche 2196 Bücher (April 1995!) an. Die Beratungsstelle in Regensburg stellte uns 200 zusätzliche Exemplare als Leihgabe zur Verfügung. Den Großteil nehmen Kinder- und Jugendbücher ein. Eine kleinere Abteilung mit Erwachsenenromanen verdanken wir Spenden von Privatpersonen. Auf diesem Gebiet wollen wir aber nicht mit größeren Büchereien konkurrieren. Dagegen ist ein Bereich im Aufbau begriffen, der sicher viele erwachsene Interessenten finden wird - eine heimatkundliche Ecke! Sie bietet bereits jetzt eine stattliche Anzahl wertvoller Sachbücher und schöner Literatur mit Themen aus unserem ostbayerischen Raum.
Wer kommt in die öffentliche Bücherei?
Zu unseren Lesern gehören natürlich in erster Linie unsere 330 Schüler, die die Bücherei auch im Rahmen des Unterrichts nutzen. In die Schule Haselbach sind ca. 300 Bücher ausgelagert. Die Zahl der Leser, die nicht zu unserer Schule gehören, ist inzwischen auf 160 angewachsen. Im Kalenderjahr 1994 wurden insgesamt 5156 Bücher ausgeliehen. Für unsere junge Bücherei ein stolzer Erfolg!
Eine besondere Überraschung durften wir bei der Eröffnung der letztjährigen Kunstausstellung erleben: Frau Tamara Haimerl überreichte uns eine großzügige Spende von 1000 DM für den Kauf von Kinder- und Jugendbüchern. Herzlichen Dank!
Was tut sich rund um die Bücherei?
Um die Freude am Lesen zu erwecken und zu erhalten, muss eine solche Ein richtung mehr bieten als reinen Ausleihbetrieb. Schule, Förderkreis, Elternbeirat und VHS bemühen sich, mit verschiedenartigen Veranstaltungen zusätzlichen Anreiz zum Lesen zu geben und in die Bücherei einzuladen.
Eine Auswahl aus diesem Programm:
Im Frühjahr 1992 führte die gesamte Volksschule Mitterfels-Haselbach das Projekt "Rund ums Buch" durch. Jede Klasse befasste sich mit einem literarischen Thema und präsentierte ihre Arbeit auf verschiedenartige Weise. Klassenzimmer wurden nach einem bestimmten Motto gestaltet (z. B. Gespensterhöhle), Ausstellungen wurden aufgebaut (z. B. Ägypten), Rollenspiele wurden eingeübt (z. B. "Dunkelrote Rosen"), Geschichten wurden geschrieben (z. B. für das Haselbacher Lesebücherl).
Den Schülern wurde eine große Buchausstellung im Schulhaus geboten. Außerdem durften sie einen Kinderbuchautor "live" erleben: Franz Sklenitzka las aus seinen Büchern (z. B. "Drachen haben nichts zu lachen") und beantwortete Fragen der Schüler. An einem Projekttag konnten sich Eltern und andere interessierte Gäste von der Arbeit der Kinder überzeugen. Sie wurden eingeladen zu Theater, Tanz, Kaffee und Kuchen im literarischen Cafe, Romanfigurenquiz, Flohmarkt und vielen anderen Darbietungen. Elternbeirat und Förderkreis trugen erheblich zum Gelingen dieses Tages bei.
Jeweils im Sommer 92,93 und 94 veranstaltete der Förderkreis ein "Bücherwurmfest" für Kinder. Abwechselnd wurden Puppentheater, Flohmarkt, Basteln und Schminken geboten. Natürlich durften die leiblichen Genüsse für Kinder und Erwachsene nicht fehlen.
Fortlaufend werden in unregelmäßigen Abständen Vorlesestunden und Bastelnachmittage für verschiedene Altersgruppen veranstaltet.
Die VHS unter Leitung von Herrn Otto Wintermeier lud bereits mehrmals zur „Literaturwerkstatt" in die Bücherei ein. Auf dem Programm standen Themen wie z. B. „Erich Kästner und seine Werke" oder "Die Schatzinsel" .
Für Kinder (am Nachmittag) und Erwachsene (am Abend) sang und erzählte der Dichter und Liedermacher Sepp Raith.
Zusammen mit dem Bayerwaldverein, der auch Mitglied des Förderkreises ist, führte der Verein eine Autorenlesung mit einheimischen Schriftstellern im Burgzimmer durch.
Weitere Veranstaltungen sind bereits in Planung.
Lohnt sich dieser Aufwand?
Sind die Einschaltquoten des Fernsehens in Mitterfels jetzt niedriger? Oder sind die Deutschnoten unserer Schüler seit Eröffnung der Bücherei besser geworden? Sicher nicht!
Der wirkliche Erfolg, den eine Kinder- und Jugendbücherei bringt, ist kaum messbar - schon gar nicht in Zahlen und Tabellen.Aber ist es nicht ein gutes Zeichen, wenn man Kinder, die mit Fernsehen und Computer aufwachsen, an einen Platz locken kann, an dem nichts geboten wird - außer eine ruhige, freundliche Umgebung und …. Bücher …. Bücher …. Bücher!
Quelle: Christine Mandl, in: Mitterfelser Magazin 1/1995
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