Heimat - Umdenken1. Junglandwirte fordern Reformen

Junglandwirte und ihre Vorstellungen

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Wie die Landwirtschaft 2040 aussehen sollte ... mit einem Kommentar zur Landwirtschaft heute

Für eine zukunftsfähige Agrarwirtschaft in Bayern sind nach Ansicht einer Kommission von Junglandwirten umfassende Reformen nötig.

Das von Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) einberufene Gremium empfiehlt mehr Tierwohlprämien und Förderungen, eine seriöse Herkunftskennzeichnung für Lebensmittel sowie EU-weit identische Wettbewerbsbedingungen. Nötig seien unter anderem auch mehr Schutz bei Lebensmittelimporten, ein Ende der „Geiz ist geil“-Mentalität und ein Bonussystem für regionale Produkte.

„Wir sind bereit, die aktuellen Herausforderungen anzunehmen und unsere Höfe möglichst umweltgerecht zu bewirtschaften, die Nutztierhaltung im Sinne des Tierwohls weiterzuentwickeln und uns klimagerecht aufzustellen“, heißt es in dem am Montag in München vorgestellten Abschlussbericht der Junglandwirte-Kommission. Seit Mai 2019 hatten 37 junge Bäuerinnen und Bauern erarbeitet, wie die Landwirtschaft im Jahr 2040 aussehen könnte.

„Neben einer Vision für eine zukunftsfähige Landwirtschaft in Bayern wurde geradezu ein Ideenfeuerwerk gezündet, das viele Ansatzpunkte zur Weiterentwicklung der bayerischen Agrarpolitik enthält“, sagte Kaniber. Der Bericht komme zur rechten Zeit, da sowohl auf EU- wie auf Bundesebene Entscheidungen zur Neuausrichtung der Agrarpolitik anstünden. Die Landwirtschaft stehe in einem Spannungsfeld zwischen Ökologie, Klimawandel und wirtschaftlichem Druck.

Landwirtin Caroline Brielmair betonte, ihre Motivation zur Teilnahme an der Kommission seien notwendige Reformen und die Zukunft des familiären Hofs auch für ihre Kinder gewesen. Es sei wichtig, sich einzubringen, nur jammern helfe nicht. Ihr Kollege Stefan Froschmeir sagte, Lebensmittel dürften nicht mehr verramscht werden.

Kaniber kündigte an, die Vorschläge zu prüfen, etwa die Einrichtung eines Netzes von Agrarbetrieben für Praxisexperimente, den Ausbau der Prämien und auch den Vorschlag zur Entwicklung von Beratungs-Apps.

Andere Punkte wie die Entwicklung einer Art Payback-Karte mit Bonus-Konto für den Einkauf von Regionalprodukten seien nur mit dem Lebensmitteleinzelhandel realisierbar. Sie sagte aber auch: Gewünschte grundlegende Änderungen am europäischen Fördersystem seien weder zeitlich machbar noch realistisch umsetzbar.

Die Junglandwirte-Kommission setzt sich nach Angaben des Ministeriums aus einem Querschnitt der Landwirtschaft im Freistaat zusammen. Vertreten seien Jungbäuerinnen und Jungbauern aus allen Regierungsbezirken, aus unterschiedlichen Ausbildungswegen und Betriebsschwerpunkten sowie aus Haupt- und Nebenerwerbsbetrieben.

>>> Den Abschlussbericht der Kommission finden Sie hier mit einem Klick auf: [https://www.stmelf.bayern.de/mam/cms01/agrarpolitik/dateien/junglandwirte_kommission_bericht.pdf]

 


Kommentar: Verflechtungen

Die Landwirtschaft steckt in der Krise. Nicht nur, dass es bei vielen Betrieben finanziell nicht mehr rund läuft, auch das Ansehen des gesamten Berufsstands hat in den vergangenen Jahren stark gelitten. Warum das so ist wie es ist, lässt sich so einfach nicht beantworten.

Fakt ist, dass die Landwirte in ihren Entscheidungen alles andere als frei sind. Zum einen haben sie in Deutschland hohe ökologische Auflagen, die von der Politik Jahr für Jahr auch noch verschärft werden, zum anderen kämpfen sie gegen die ebenfalls anwachsende Bürokratie. Dadurch sind sie einem enormen Druck ausgesetzt. Hinzu kommt, dass verbal auf alle eingedroschen wird, weil es – und das ist leider auch der Fall – unter den Landwirten schwarze Schafe gibt.

Auflagen, Bürokratie, schlechter Ruf – darunter haben alle Bauern in irgendeiner Form zu leiden. Dabei wollen sie doch eigentlich nur eines: von ihrer täglichen Arbeit angemessen leben. Das ist verständlich, denn das will jeder andere auch. Außerdem lebt selbst die Bevölkerung davon. Schließlich sorgt das Tagwerk der Bauern für ihre tägliche Nahrung.

Das klingt eigentlich nach einer guten Basis für ein gedeihliches Miteinander. Ist es aber nicht. Denn die Landwirte sollen nicht nur qualitativ hochwertige Produkte – produziert mit Blick auf Ökologie und Tierwohl – liefern, sie müssen sich auch preislich gegen Billigangebote der EU-Nachbarländer behaupten. Dass bei den Landwirten im Ausland nicht annähernd so hochwertig produziert werden muss, interessiert den Verbraucher in Deutschland nämlich nur selten. Hauptsache das Fleisch ist billig und das Gemüse gibt es das ganze Jahr über.

Dass aber auch aufseiten der Landwirtschaft einiges im Argen liegt, ist offensichtlich. Thematisiert man mit Vertretern des Bayerischen Bauernverbands (BBV) einzelne Punkte, wird man damit abgespeist, dass es woanders ja noch viel schlimmer ist als bei uns. Und auch das ist nicht von der Hand zu weisen. Beispiel Tierhaltung: Spricht man das Tierwohl an, wird darauf hingewiesen, dass es in Norddeutschland und im Ausland viel größere Betriebe gibt. Außerdem könnten Bauern nur mit Massentierhaltung lukrativ produzieren, so der BBV. Deshalb riet er jahrzehntelang zu hohen Stückzahlen und größeren Ställen. Die Folge: große Investitionen für die Bauern.

Die Fachleute mögen bei der Rentabilität großer Einheiten recht haben, eine vorausschauende Lösung für die vermehrt anfallende Gülle aber blieben sie schuldig. Wegen der verschärften Düngeverordnung (Nitratwerte im Grundwasser) darf Gülle nun nicht mehr so üppig auf die Felder aufgebracht werden wie früher. Außerdem muss bodennaher gedüngt werden. Dafür braucht der Landwirt neue Gerätschaften, die wieder viel Geld kosten. Die Kostenspirale dreht sich munter weiter.

Hinzu kommen die Aufregerthemen Kastenställe, Ferkelkastrationen, Tiertransporte und und und. Sind alle Landwirte schwarze Schafe? Sind alle borniert? Ist alles marktbedingt oder war es doch die falsche Weichenstellung?

Gerade in der Landwirtschaft mit ihren Verflechtungen gibt es mehr Fragezeichen als einfache Antworten. Deshalb ist es gut, dass sich die Landwirte gegen eine einseitige Schuldzuweisung lautstark wehren. Dennoch sollten sie für Gespräche offen sein. Und zwar Gespräche auf Augenhöhe. Denn alle Seiten müssen lernen, zuzuhören. Jeder muss die Probleme des anderen wahrnehmen und ernsthaft darüber nachdenken, aber jeder muss auch bereit sein, Veränderungen in Kauf zu nehmen.

Und wenn man kurz weiterträumen darf: Vielleicht findet sich eine eierlegende Wollmilchsau, und die deutschen Bauern müssen nicht mehr die ganze Welt der Rentabilität wegen mit ihren Produkten versorgen. Fachleute sagen, dass 35 Prozent der Produkte rein für das Ausland angebaut werden. Dafür wird bei uns Wasser verbraucht, der Boden ausgezehrt. Und schon wird die Düngung wieder Thema, von Herbiziden und Pestiziden ganz zu schweigen. Was für eine schwierige Situation.

Deshalb darf sich die Gesellschaft mehr als glücklich schätzen, dass sich trotz aller Schwierigkeiten immer noch junge Landwirtinnen und Landwirte finden, die den Mut nicht verloren haben und mit ganzem Herzblut neue Wege gehen. Diese jungen Unternehmer haben alle Unterstützung verdient – von uns Bürgern, den Medien und nicht zuletzt von ihrem eigenen Verband.

Uschi Ach, BOG Zeitung vom 14. August 2020

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