Riesen-Puzzle in 3 D: Ein Verein baut eine Mühle

 

Burg-Förderer arbeiten mit voller Kraft am "Innenleben" - Das Original stand in Frommried

Von Andrea Prechtl (Straubinger Tagblatt, 14.6.2014)

Haibach. Noch besteht die Ge­räuschkulisse nicht aus dem Kla­cken von Zahnrädern und dem Rüt­teln von Sieben, sondern aus Häm­mern und Bohren. Noch riecht es nicht nach frischem Mehl, sondern nach frischem Holz. Und ein Was­serrad sucht man bislang vergeb­lich. Trotzdem sieht das Innere des großen, neuen Hauses, das bei Hai­bach an der Menach steht, von Tag zu Tag mehr nach dem aus, was es sein wird: eine Mühle, gebaut auf eine Art, wie es vor rund 130 Jahren üblich war.

 

In gewisser Weise ist der Bau auch die "Wiederauferstehung" der Frommrieder Mühle, die ein paar hundert Meter die Menach abwärts stand und vor zehn Jahren abgeris­sen wurde. Was von der Mühlenein­richtung noch vorhanden und zu verwenden war, rettete damals der Förderverein der Haibacher Burg­ruine unter seinem Vorsitzenden Franz Rainer. All diese Teile sind oder werden nun wieder zusam­mengesetzt und eingebaut - ergänzt durch alte Teile anderer Mühlen und Neubaukomponenten.

"Die Hubermühle Oberlindhart hat uns eingelagerte Geräte, die dort nicht mehr gebraucht wurden, zur Verfügung gestellt, Riemen­scheiben zum Beispiel", erzählt Franz Rainer. Etliches habe ferner der stillgelegten Irlmühle bei Stall­wang abgekauft werden können, von hier stammt etwa einer der Wal­zenstühle. Die Frommrieder Mühle hatte zwei, einer funktionierte je­doch nicht mehr. "Den werden wir als Schauobjekt zeigen", kündigt Rainer an. Laufen werden künftig einer aus der Frommrieder Mühle und einer aus der Irlmühle.

Mühlenbauer Dachauer rechnet und rechnet

Neben den Walzenstühlen verlau­fen Holzrohre, die man nicht zufäl­lig Elevatoren nennt: In ihnen fährt das Getreide Aufzug. Generell hat eine Mühle viele, viele Holzkompo­nenten: Rutschen, Schächte, Trich­ter, Kästen ... Ein paar alte Holzteile können wieder eingebaut werden, die meisten jedoch sind neu zu kon­struieren. "Bis Ende August arbei­tet noch der Schreiner", sagt Franz Rainer. Für den Schreinerbetrieb aus der Gemeinde Haibach ist es das erste Mal, dass er mit einem Mühlenbau zu tun hat. "Wie es geht, sagt denen der Dachauer."

Erwin Dachauer ist gelernter Mühlenbauer. Der inzwischen 75 Jahre alte Mann - der schon fast nicht mehr damit gerechnet hatte, dass wirklich noch etwas aus dem Wiederaufbau der Mühle würde -, hat in seiner Jugend solche Mühlen aus Holz konstruiert und beherrscht das Handwerk noch heute. Seine Pläne hängen im Dachgeschoss. Kleine Teile wie die Sichterauslauf­kästen, in die das Mehl aus dem Plansichter - das sind die rütteln­den Siebstapel - läuft, hat er in Heimarbeit selbst gebaut. Er weist die Schreiner an. Und vor allem rechnet er und rechnet und rechnet.

"So um die 150 Meter Riemen werden wohl zusammenkommen", sagt er, als er Stift, Papier und Ta­schenrechner kurz aus der Hand legt. Über die Riemen sind all die Maschinen später mitdem Antrieb der Mühle verbunden. ImAnbau an die Mühle, in dem später Schulklas­sen etwas über die Technik lernen werden, stehen derzeit Riemen­scheiben in allen möglichen Forma­ten auf dem Bogen.

Für jede Maschine muss die Scheibe, über die der Riemen läuft, einen ganz bestimmten Durchmes­ser aufweisen. "Die Berechnung ist eigentlich einfach", sagt Dachauer und rattert Angaben zu Scheiben­zentimetern, Umdrehungen pro Mi­nute und Riemengeschwindigkeiten so schnell herunter, dass einem schon beim Zuhören schwindelig wird.

Das Wasserrad wird ein unterschlächtiges

Der Antrieb einer Menach-Mühle ist klassisch das Wasserrad. Im Fall des Haibacher Neubaus wird es al­lerdings nicht so sein, dass das Rad die Mühle wirklich antreiben kann. "In Frommried gab es ein ober­schlächtiges Wasserrad, das hat mehr Kraft gebracht", erläutert Franz Rainer. "Hier können wir nur ein unterschlächtiges Rad bauen, bei dem das Wasser unten vorbeiläuft." Auch sei die Wassermenge am neuen Ort geringer. - Über den Mühlgraben, der noch gebaut wer­den muss, dürfen zwei Drittel des Menachwassers entnommen wer­den, die der Menach hinter der Mühle wieder zugeführt werden müssen. So steht es in der wasser­rechtlichen Genehmigung.

Da die gesamte Mühle allein mit der Kraft des Wasserrads nicht lau­fen könnte, wird sie durch einen Zehn-PS-Elektromotor angetrieben werden, verrät Rainer. Ungeklärt ist noch die Frage, ob das Wasserrad ein reines Schauobjekt bleiben wird oder ob der Verein es vielleicht im­merhin zur Eigenstromgewinnung wird nutzen können.

Heutiges Gebäude ist aus Stein, nicht aus Holz

Das gesamte Gebäude umfasst den Keller, in dem sich das innere Gegenstück des außen angebrach­ten Wasserrads finden wird, das Erdgeschoss, in dem die Walzen­stühle stehen, sowie zwei weitere Geschosse. Damit sind die Ausmaße des Gebäudes jenen der Frommrie­der Mühle sehr ähnlich. Nicht imi­tiert wurde beim Neubau die alte Holz-Blockbauweise. Das heutige Mühlenhaus ist aus Stein, der nur im oberen Stockwerk aus optischen Gründen mit Holz verkleidet wur­de. Die Böden im Inneren allerdings sind tatsächlich aus Holz, die Bret­ter ruhen auf dicken Balken, so wie es auch früher der Fall war.

ImSeptember 2013 ist mit dem Hausbau begonnen worden, am 28. Februar 2015 muss alles vollständig fertig sein. Demnächst wird der Auftrag für das Wasserrad vergeben - Rainer zufolge wird das wohl zwi­schen 5000 und 10000 Euro kosten -, und der Innenausbau läuft schon seit Herbst. Vieles macht der Verein selbst, anderes müssen Fachfirmen übernehmen. "Bis 500 Euro dürfen wir Aufträge einfach vergeben, bei einem Volumen bis 15000 Euro brauchen wir drei Angebote; wird es noch teurer, muss ausgeschrieben werden, und es muss mindestens ein Anbieter dabei sein, der nicht aus dem Landkreis ist", gibt Rainer Einblick in die Vorschriften.

Gesamtkosten auf 430000 Euro geschätzt

Die Gesamtkosten des Projekts betragen geschätzt 430000 Euro. 70 Prozent werden durch ein Europa­programm gefördert, 20 Prozent sind Eigenleistungen, die der Verein erbringt, die restlichen 10 Prozent müssen durch Spenden aufgebracht werden. "Vom Landkreis bekom­men wir 6000 Euro, von der Ge­meinde, die uns auch mit Werkzeu­gen, Geräten und Fahrzeugen hilft, 4000 Euro, von der Sparkassenstif­tung 10000 Euro", zählt der Ver­einsvorsitzende auf. Weitere Spen­den erhoffe man sich von Firmen und Vereinen.

Einen Beitrag leistet zudem der Partnerverein in Tschechien, der dort bereits eine Mühle gebaut hat und ursprünglich mit Finsterau als deutschem Partner im Förderpro­jekt war, bevor die Haibacher noch als Dritte im Bunde mit dazukom­men durften. Von den Partnern wer­den wohl die "Holzzähne" kommen, die Kampen, über die Zahnrad und Kampenrad ineinandergreifen.

"Jetzt müssen aber erst einmal die letzten Walzen nach Landshut", sagt Franz Rainer, "dort gibt es noch einen Betrieb, der Riffelung macht." Noch sind die Walzenstühle zerlegt. "A weng Kummer macht mir auch der Plansichter" , fügt Erwin Dachau er an. "Für den müssen wir viel neu bauen." Aber dass sie alles schaffen werden, da sind sie zuver­sichtlich. Im nächsten Jahr wird sie vollständig dastehen, die "halb-au­tomatische Rückschüttmühle für Roggen und Weizen", wie sie Dach­auer zufolge korrekt heißt.

In 24 Stunden könnte die Mühle etwa eine Tonne mahlen, sagt Dach­auer. - Nicht, dass sie das wirklich tun wird: Ein reines Schau- und Lehrobjekt wird sie sein, das allen Interessierten zeigt, wie die Mühlen an der Menach einst funktioniert haben. "Und vorher muss der Rai­ner noch das Mahlen lernen", fügt Dachauer hinzu und feixt. Zum Bei­spiel, so erzählt er, habe ein Müller früher, wenn er das Getreide in die Hand nahm, erkannt, ob die Feuchtigkeit für den Mahlprozess passte.

Auch das Mahlen will gelernt sein

"Für die Lagerung des Getreides ist es schon zu viel, wenn die Feuchtigkeit über 15 Prozent hinausgeht, optimal für das Mahlen ist aber eine Feuchtigkeit von 16 Prozent." Weswegen das Getreide angefeuchtet und etwa einen Tag stehengelassen werde, "damit die Feuchtigkeit auch in den Mehlkern vordringt".

Dafür, dass aufgrund der Feuchtigkeit sowie der Wärme beim Mahlvorgang dann kein Schimmel entsteht, sorgt die Luftkühlung. Durch das Wasser werde die Schale weicher, und sie splittere weniger stark, was sich auf die Ausbeute auswirke, erläutert Dachauer, während Rainer ihm skeptische Blicke zuwirft. Doch ungerührt schließt Erwin Dachauer mit den Worten:

"Hat der Müller am Ende mehr Schale und Kleie als Mehl, hat er schlecht gearbeitet."


Bericht und Bilder: Andrea Prechtl, SR-Tagblatt 14.6.2014

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