. . . drin im Woid
Zwischen Prasily und Kremelna, Holzhauerorten und Holz-Schwemmkanälen, Wydra und Rachelbachtal
An der Rechenbrücke bei Modrava/Mader
Ein geschichtsträchtiges Fleckchen Erde – Sumava-Spezial 1
Gruberg, einstige Siedlung, 1732 gegründet, heute Parkplatz bei Prasily/Stubenbach, holpriges Kopfsteinpflaster, Betonplatten, eine himmellange Laterne mit Lautsprechern - Überbleibsel des Militärraums Dobra Voda ...
... zu dem auch der 1952 entstandene Panzerschießstand Gruberg gehörte. Irgendwie versuche ich gerade diese Zeiten, all das Geschehene zu ordnen.
Schon die Kelten rodeten im Böhmerwald, um das Jahr 1040 zog der hl. Gunther in seine Einsiedelei am Gunthersberg bei Dobra voda, erste Siedler folgten. 1184 heiratete Graf Albrecht III. von Bogen die böhmische Herzogstochter Ludmilla, der Böhmerwald war Heiratsgut – es fand sich, was zueinander passte, perfekt! Wie ging das damals, ohne WhatsApp, Handy, Skype? Boten wurden gesandt, sie waren Wochen unterwegs, handelten, waren sich Eins, die Herzöge und Grafen und Ludmilla im edlen Gewand polterte mit Hab und Gut über holprige Reitsteige durch Moor und düsteren Grenzwald ins Bayerische.
Bis 1273 blieb das Waldgebiet in bayerischem Besitz, dann fiel es ans böhmische Königsgut zurück. Goldgräber suchten nach edlem Metall, Säumer zogen auf gefährlichen Steigen übers Gebirge, Künische Freibauern, Glashütten und Holzhauer, Fürsten, Habsburger Monarchie, Republik Tschechoslowakei, Krieg, Frieden, Eiserner Vorhang, Nationalpark Sumava – ein geschichtsträchtiges Fleckchen Erde.
Mir ist, als hörte ich sie durchatmen, die Wälder ringsumher, diese Ruhe, das einfache Dasein dürfen. Ducke mich hinein so lautlos ich nur kann, schäme mich wieder einmal für all den menschlichen Irrsinn, diesen verfluchten Stolz, der so viel unnützen Zwist und elenden Hass über die Welt bringt. Fast verstohlen trete ich hinüber nach Velky Bor/Großhaid, gleite durch die wilde, verbuschte Landschaft, sie heimst mich ein, schmiegt sich um mich und alles ist gut, irgendwie: der Wald, das Licht, diese Harmonie.
„Von Rehberg nach Stubenbach. Auf dem Kirchenweg von der Rehberger Kirche zur Einschichte Mosau, über den Schwemmkanal über Grünbergerhof nach Seckerberg, Grosshaid (Wirtsh.), Gruberg und Stubenbach. Der abwechslungsvolle Weg bietet schöne Aussicht auf den Hartmanitzer und Bergreichensteiner Bezirk.“ (Führer durch den Böhmerwald 1903)
Velky Bor/Großhaid, große Wiesenflächen ziehen sich hinunter zum Fluss Kremelna, sie schlängelt sich durch ein tiefeingeschnittenes, wildes Tal hinüber zur Wydra, auf der anderen Seite der mächtige Waldberg Kremelna/Kiesleitenberg. Auf dem alten Weg führt jetzt der Radweg an der Ortschaft Seckerberg, an einem steil abfallenden Nordhang gelegen vorüber. Eine mit Moos bewachsene Feldsteinmauer und ein Wegkreuz, alte Ahorne und Buchen erzählen etwas Siedlungsgeschichte – und der Kirchenweg. Die damals von Aberglauben und allerlei Gruselgeschichten gesäumten düsteren Gangsteige werden lebendig, Sonnenstrahlen stibitzen durch mächtige Baumkronen, Schatten wandern durch den hochstämmigen Fichtenwald, das Wasserrauschen der Kremelna, der Wind und finstre Wipfel … Sumava! Über dem Sekersky potok/ Seckerbach müpft sich der Spaleny/Brentenberg auf mit seinen 1013 m, Mechov/Mosau einige Häuser vor Srni/Rehberg, Parkplatz und Einstieg in den Radweg entlang des Chinitz-Tetau-Kanals.
Chinitz-Tetau bei Mader/Modrava entstand in den Jahren 1790-1792. Der Name Chinitz-Tettau kam vom damaligen Eigentümer der Herrschaft des Grafen Philip Kinsky, der den Zusatz von Chinitz und Tettau im Namen führte. Auch in Schätzenreuth wurden um 1790 Holzhauer ansässig, Graf Kinsky hat diese Siedlungen anlegenlassen, um seinen Holzreichtum nutzen zu können.
1780 schon hatte die Stadt Bergreichenstein auf der Wydra die Scheiterschwemme aufgenommen, und nutzte damit die bewegende Kraft des fließenden Wassers, um Brennholz nach Schüttenhofen zu bringen.
Im Jahre 1798 kaufte Fürst Josef Schwarzenberg 1769-1833 die Herrschaft Stubenbach.
In den Jahren 1799 und 1800 ließ der Fürst den Rehberger Schwemmkanal erbauen, der den Fluß Wydra mit dem Kieslingbach verbindet und somit die Wildbachstrecke „Schachtelei“ umgeht. Auch ein Netz von Schwellen wurde angelegt, die Schwellen am Lusenbach bei Pürstling, die Mohrbachschwelle, Schwellen am Mader- und Großmüllerbach, es war nun möglich Holz aus Mader, Pürstling und Weitfäller auf dem Prager Markt zu bringen. 1801 wurde der Schwemmbetrieb aufgenommen.
1826 hat Franz Bienert in Mader ein Sägewerk erworben und die berühmt gewordene Resonanzholzfabrik gegründet.
Die Holzhauersiedlung Schätzenreuth bestand 1840 aus 12 Häusern. In der Zeit von 1802 bis 1814 wurden laut Aufzeichnung der Fürstlichen Forstverwaltung, von Fürstenhut bis Stubenbach 111 Holzhauerhäuser erbaut. Mit den Siedlern wurde ein Vertrag geschlossen. Das Grundmaß betrug 3 bis 4 ha, davon sollten höchstens 1 ½ Strich (43 a) zum Anbau von Kraut und Erdäpfeln verwendet werden. Der übrige Grundanteil musste als Wiese genutzt werden. An Nutzvieh durften nur 2 Kühe und ein Galttier gehalten werden. Weidegrund wurde da zugewiesen, wo dem Wald kein Schaden zugefügt werden konnte. Bauholz wurde zum halben Preis gegeben und eine Zahlungsfrist von 3 Jahren zugestanden. Das Haus war Eigentum des Siedlers, wogegen der Grund nur „aus fürstlicher Gnade zum zeitweiligen Genusse“ beigegeben war.
Die Männer waren im Wald beschäftigt. Im Winter wurde geschlagenes Holz mit Hörnerschlitten an die Straße gezogen. Frauen und Jugendliche wurden in den Baumschulen und beim Bäumchen setzen beschäftigt. Der Förster brauchte fleißige Hände zum Heu und Waldstreu machen. Für das Hausgrundstück war jährlich 1 Gulden 20 Kreuzer und für das Weiden je Rindvieh 10 Kreuzer Zins zu bezahlen. Vom Grundstück wurde Heu für den Wintervorrat gemacht, das Sommerfutter trugen die Frauen als Waldgras auf dem Rücken nach Hause: „Grosweib“ (Heimatbuch des mittleren Böhmerwaldes)
Dunkel, voll unergründlicher Geschichten und Schicksale schleicht das Wasser des Chinitz-Tettau-Kanals dahin, Felsen spiegeln sich in der ruhigen Wasseroberfläche, durchs Ufergeäst erhasche ich einen Augenblick auf ein schweres Steinfundament einer alten Mühle, in den schmalen Brücken schwingt noch heute das Ächzen der Fuhrwerke. Für den Bau des Kanals wurde eine Karte gezeichnet, in ihr sind auch „Zeughütten, Pulverhütten und Schmieden“ eingezeichnet.
Vergrößern durch Klick auf Karte!
„Aufgenommen und gezeichnet: Joh.Mich.Falta Ingenieurs Practicant 1799“
An der gegenüberliegenden Seite des Kanals befanden sich Höfe von Schätzenreith, zwischen Jungfichten finden sich noch hölzerne Wägen und ein Schlitten zum Holzziehen. Die „Riese“ in Schätzenwald – Schätzuv les, ist abgedeckt, laut tosend rauscht das Wasser auf dem geraden Gefälle in den tiefergelegenen Kanal.
Der Weg führt ab Rokyta zwischen Kanal und Wydra entlang, drunten im Tal liegt der Antigl Hof, an der Rechen-Brücke bei Modrava wird das Wasser geteilt. Hier befand sich der sog. Rechen, Scheiter und Stämme blieben an den senkrecht angebrachten Pfählen hängen, wurden aufgefangen und weiter in den Kanal abgeleitet. Klostermann schrieb in seinem Buch „Aus der Welt der Waldeinsamkeit“, der Förster stand hier und achtete darauf, dass die Stämme, die in Pürstling hineingeworfen wurden, auch allesamt hier ankamen. Eine schwere, gefährliche Arbeit in dieser Abgeschiedenheit. Wir sitzen jetzt in Modrava im „Arnika“ bei Gulasch, hausgemachter Ingwerlimonade und einem Turecka Kava hinterher, schmökern in alten Zeiten, die Bienert Säge auf der anderen Straßenseite wird gerade renoviert, über der Haustür finden sich noch die Initialen „F.B.“, für Franz Bienert - das Leben selbst fließt dahin, gleitet, gischtet und tost, wie das Wasser des Roklansky potok rauscht, seit ewigen Zeiten schon.
Das schöne Tal des Roklansky potok mit der Rybarna/Fischerhütte und Javori pila/Ahornsäge, ich muss in dieses Wasser! Wenigstens Hände und Füße, inzwischen für mich ein Ritual, ich muss diesen Böhmerwald fühlen, das Kühle, das Wasser, diese Energie – vielleicht bin ich verrückt?! Hier sein zu können und all die Natur um mich herum genießen zu können, ist pure Freude und Glück für mich.
Ich kam aus dem Bach, durfte dort nicht sein, unsere Fahrräder waren im Weg, meines lehnte an der Schranke, egal, dieser grüne friedvolle Landstrich zauberte ein schelmisches Lächeln in mein Gesicht, nichts und niemand konnte mir diese Zeit, meine Lebenszeit und diese Erlebnisse und Gefühle nehmen, nicht einmal die wie eine Höllenotter pfauchende Rangerin! Wenn sie gewusst hätte, wie viel Böhmerwald in meinen Füßen steckt, wieviel Filz und Wald ich längst in meinen Erinnerungstaschen mit mir trage und wie einen Schatz behüte!
Boleslaw III. hatte 1055 ein Rodeverbot für den Grenzwald erlassen – haben wir es diesem König zu verdanken, dass wir heute noch in verwunschene, verfilzte und verwachsene Wälder eintauchen können, verschwinden können, hinauf zum Oblik und Polednik.
Der Mittagsberg, vom Überwachungsturm zum Unterschlupfturm, damals 1903, nur der Hinweis auf eine Balzhütte, Fürst Schwarzenberg kam gerne nach Stubenbach zur Auerhahnbalz.
„Der Weg von Stubenbach zum Stubenbacher See. Wenn man den Weg weiter über den Mittagsberg einschlägt, gelangt man leicht ohne Ortskundigen nach ¾ St. Aufstieg zu der hölzernen Balzhütte in der Nähe des felsigen Gipfels des Mittagsberges. Eine sichtbare Stange kennzeichnet die Spitze, zu der ein Pfad durch dünnen Waldbestand emporführt. Die Aussicht über die Hochfläche des Böhmerwaldes bis weit in das Flachland hinein lohnt die geringe Mühe des Besuches hinlänglich. Vom Gipfel ist man in einigen Minuten auf der Mittagsstr. die im Thale des Ahornbaches bei der Ahornsäge und Fischerhütte vorüberführt und nach einer weiteren Stunde Mader erreicht.“ Führer durch den Böhmerwald 1903
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