. . . drin im Woid
Wie der Teufel den Dachsberger Veitl mitnahm
Sagen aus der Region (8)
In der ehemaligen Gemeinde Dachsberg steht ein ansehnlicher Hof (heutige Besitzer: Familie Artmeier), der seit alten Zeiten nur „der Dachsberger” genannt wird. Auf diesem ehedem großen Gutshof wirtschaftete vor langer Zeit der „Dachsberger Veitl”. ...
... Der Veitl war bei seinen Mitmenschen nicht immer beliebt, manche nannten ihn glattweg einen Lump. Er war zeitweise ein solcher Grobian, dass sich kein Mädchen fand, das Dachsbergerin werden wollte; und so schlug sich der Veitl als Lediger durchs Leben. Weil er die Kirche nur ganz selten von innen sah, aber wirtschaftlich gut dastand, munkelte die Bevölkerung, dass der Veitl mit dem Teufel im Bunde stehen müsste.
„Der Teufel hilft seinen Leuten, aber holen tut er sie auch”, so hieß es, wenn vom Veitl die Rede war. Da trug sich etwas zu, das diese Redensart beinahe zur Gewissheit werden ließ. In einer bitterkalten Winternacht war das Mannsvolk aus Dachsberg am Katzenweiher (heute verlandet) in der „Bärngrej” (Bärengrube) versammelt, um die Eisstöcke krachen zu lassen. Der Vollmond spendete in der klaren Nacht ausreichend Licht und malte von den Bäumen gespenstische Schatten in den verschneiten Winterwald. Stunde um Stunde schlug die Kirchenuhr, und jetzt erklang gerade die Mitternachtsstunde. Niemand dachte ans Heimgehen. „Veitl, du bist dran”, ging der Ruf durch die Runde. Aber vom Veitl war plötzlich nichts zu sehen. „Der war doch grad noch da”, meinte einer. Alle schauten sich um und riefen nach ihm. Vom Veitl keine Spur! Niemand hatte gesehen, dass sich der Veitl etwa heimlich verdrückt hätte. Der Veitl war einfach verschwunden, wie weggezaubert. Da ließ einer die Bemerkung fallen: „Den wird doch net der Deife gholt ham?” Eiskalt lief es da den Eisstockschützen auf diese Worte hin den Rücken hinunter. Sogleich schulterten sie ihre Eisstöcke und machten sich wortlos auf den Heimweg.
Eine „wirkliche” Begegnung mit dem Teufel hat der Dachsberger Veitl schriftlich festgehalten und zwar auf einer Holztafel. Diese befand sich bis vor etwa 150 Jahren an einem Nussbaum bei Perasdorf und trug die Inschrift: „Auf Anrufung des hl. Laurentius ließ mich hier der Teufel fallen.” Über den Ursprung dieser Tafel berichtet die Sage.
Der Dachsberger Veitl hatte seine Ochsen auf den Viehmarkt nach Schwarzach getrieben und, wie er meinte, gut verkauft. Mit einem schönen Batzen Geld im Sack machte er sich auf den Heimweg. Zu Degenberg lenkte er seine Schritte ins Wirtshaus, um Einkehr zu halten. Ein paar Stammtischbrüder hatten gleich herausgefunden, dass der Veitl gut bei Kasse war. Schon schallte es durch die Gaststube: „Wirt, ‘s Gebetbüchl her!” Und sogleich machten die Spielkarten die Runde. Der Veitl konnte es anstellen wie er wollte, er verlor Spiel um Spiel. Krug um Krug ließ er sich vorsetzen und versuchte, seinen Ärger hinunterzuspülen. Als es auf Mitternacht zuging, hatte er seine ganze Barschaft verspielt. Unter gotteslästerlichen Flüchen und teuflischen Verwünschungen torkelte er aus dem Wirtshaus.
Der Wind ließ die Blätter der Bäume rauschen. Und mit diesem Rauschen nahte auch der Teufel. Als Strafe für sein Fluchen packte der Satan den Veitl und trug ihn mit sich fort durch die Lüfte. Der Dachsberger Veitl erkannte die Gefährlichkeit seiner Lage und glaubte schon, dass sein letztes Stündlein geschlagen hätte. Blitzartig leuchtete ihm da sein bisheriges Leben auf. Wenig Pluspunkte auf der rechten Waagschale, aber viele Schlechtigkeiten auf der linken Schale der Waage! „Armer Veitl, wenn jetzt abgerechnet wird”, konnte er noch murmeln.
Da sorgte - ganz ungewollt - der Lehrer von Perasdorf für seine Rettung. Der Lehrer war bis Mitternacht im heimischen Wirtshause gesessen und hatte mit einigen Zechern über Gott und die Welt geredet. Jetzt machte er sich auf den Heimweg. Und weil er dem braunen Nass allzu kräftig zugesprochen hatte, läutete er jetzt um Mitternacht schon den Tag an, um dann ruhig bis zur Frühmesse schlafen zu können.
Diese „Zeitverschiebung” rettete den Veitl aus den Klauen des Höllenfürsten. Als der Veitl nämlich die Glockentöne vernahm, flehte er den hl. Laurentius, den Kirchenpatron von Perasdorf, um Hilfe an. Völlig verwirrt ob des Geläutes zu so ungewohnter Stunde ließ der Satan den Veitl fallen. Und der landete bei dem eingangs erwähnten Nussbaume. Zum Danke für die wundersame Rettung aus den Fängen des Teufels ließ der Dachsberger Veitl an jenem Baume die Tafel mit der genannten Inschrift anbringen.
Anmerkungen:
1. Die Sage ist leicht zu erklären: Der Veitl (Vitus oder Veit) hatte einen solchen „Deife” (Rausch), dass er nicht mehr wusste, wie er unter den Nussbaum zu liegen kam.
2. Wer war dieser Veitl? Umfangreiche Nachforschungen in den Haselbacher Pfarrmatrikeln - aufbewahrt im Bischöflichen Zentralarchiv in Regensburg - förderten folgende Eintragungen ans Licht:
- Taufe am 20. November 1709 in Haselbach (Bd. 2, S. 25) Vitus, ehelicher Sohn des Georg Strasmajr von Weissendaxberg und seiner Gattin Maria. Pate: Vitus Stubenhoffer, Gastwirt aus Roshaupten.
- Beerdigung am 28. Februar 1803 in Haselbach (Bd. 4, S. 813) Vitus Strassmair, Bauer in Weissendaxberg, 93 Jahre alt, geb. am 20. Nov. 1709.
Es gibt keinen Hinweis, dass dieser Veit geheiratet hat; dies deckt sich dann mit der mündlichen Überlieferung. Auch die Erzählung vom hohen Alter wird durch die Eintragung bestätigt.
Der Hof ging nach der Straßmair-Zeit in den Besitz der Familie Artmeier über. Eine Ahnentafel im Artmeier-Haus beweist dies.
Quelle: Sigurd Gall, Mitterfelser Magazin 2/1996, S. 109
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