Kulturelles Leben
Sterbebild von König Otto I. in Frater Raphaels Raritätenarchiv
Weggesperrt und vergessen
Im über unsere Region hinaus durch seine vielfältigen Aktivitäten bekannten Kloster der Windberger Prämonstratenser gibt es unter den „Weißen Chorherren“ einen Ordensmann, der ein ganz besonderes Hobby hat: Frater Raphael ist ein leidenschaftlicher Sammler von Sterbebildern und anderen Abbildungen.
Otto I. als junger Mann abgebildet auf dem Landestrauerbild. (Fotos: dw)
In den weit über den Landkreis hinaus erfolgreichen Ausstellungen „Totenbrauchtum im Bayerischen Wald“ (2003), „Pfarrerg’schichtn“ (2007) und „Wie Fleiß einst belohnt wurde“ (2014) zog Frater Raphael damit Ströme von Besuchern in das Klosterdorf.
Im umfangreichen Archiv von Frater Raphael befindet sich unter wahren Raritätenschätzen auch ein Originalsterbebild des unglücklichsten bayerischen Königs Otto I., der am 11. Oktober 1916, also vor genau 100 Jahren starb, und an dessen trauriges Schicksal sich, außer dem Frater, wahrscheinlich niemand sonst erinnert. Raphael jedenfalls will den König, der aber nie regierte, samt den Wittelsbachern dank seiner Archivschätze in einer Ausstellung präsentieren. Sicher wird die erfolgreich wie alle vorherigen sein.
Denn als ein für die Klostergemeinschaft schon von Amts wegen in altem Schriften- und Bildinventar stöbernden Archivar investiert er nun seine ganze Freizeit in dieses zukünftige, neu zu verwirklichende Ausstellungsobjekt. Einen dicken Ordner, gefüllt mit Sterbebildchen und Abbildungen in allen Varianten sämtlicher Wittelsbacher Hoheiten, also aller Prinzen und Prinzessinnen, konnte er in Monaten des Sammelns und Korrespondierens mit Leuten aus ganz Bayern bereits zusammenstellen.
Selbst tief bewegt vom traurigen Dasein Ottos, dem jüngeren Bruder von König Ludwig II., dem er nach dessen mysteriösem Tod eigentlich auf den Thron nachfolgen sollte, hat Frater Raphael dessen bedrückenden Lebensweg verfolgt. „Ganz wichtig ist es mir, diesen von allen vergessenen Monarchen, der vor 100 Jahren durch den Tod aus dieser Welt schied, in denkwürdiger Weise zu würdigen.“
Das offizielle Sterbebild von Otto I., das den toten König zeigt.
Nur ein Schattenkönig
Als bedauernswerter Mensch habe Otto die Hälfte seines Lebens dahinsiechend verbracht, ohne auch nur eine Stunde als König zu regieren. „Drei Jahrzehnte lang hat er den Titel ,König von Bayern‘ getragen, länger als jeder andere bayerische Herrscher, obwohl er nur ein Schattenkönig war.“ Schon das allein wäre für ihn, Frater Raphael, ein Grund gewesen, den 100. Todestag dieses nie ins Rampenlicht der Öffentlichkeit und der Bürger gerückten Monarchen als historisches Jubiläum der Öffentlichkeit aufzuzeigen.
„Wer kennt denn überhaupt die Umstände, die diesen in seiner Jugendzeit gut aussehenden jungen Mann, geboren in München am 27. April 1848, veranlassten, ihn regierungsunfähig zu erklären“, frage man sich. Ein Drama, ausgelöst durch eine sich mehr und mehr bemerkbar machende Geisteskrankheit. Anstelle von ihm übernahm die Staatsgeschäfte sein Onkel, Prinz Luitpold, der Bayern als Prinzregent bis 1912 regieren sollte. „Und während Märchenkönig Ludwig II. als Superstar noch heute in den Fokus des Interesses rückt, umgibt Otto ein Mantel des Schweigens“, bedauert der Frater und stellt ihn, herausgeholt aus der dunklen Ecke des Vergessens, in das Licht öffentlicher Anteilnahme.
Unfassbare „Therapie“
Dabei sind ihm seine weitreichenden Kontakte zu Historikern ebenso wie jene zu sich mit vergangener Geschichte beschäftigenden Personen sehr hilfreich. So habe er mit Blick auf Ottos Verhaltensweisen die Erkenntnisse gewonnen, dass Ludwig seinen Bruder sehr liebte, sich aber sehr besorgt über die zur Geisteskrankheit ausweitenden Depressionen zeigte. „Überaus schlimm war schließlich Ottos Weggesperrt-Werden im Rahmen von Behandlungen der damaligen Psychiatrie mit für uns unfassbaren Therapieversuchen wie eiskalten Duschen“, schüttelt sich in Gedanken daran der Frater.
Er blickt auf Fotos, die König Otto I. auf seinem Sterbebett als alten Mann und auf einem Landestrauerbild als gut aussehenden jungen Mann darstellen. Zurzeit ruhen sich, sorgfältig geordnet und verwahrt in zweckmäßig eingerichteten Alben, inzwischen schon rund 50 Bilddokumente plus dazu passendem Schriftverkehr bis zur Ausstellung aus.
Quelle: Dorothea Wolf, in: BOG Zeitung vom 11. Oktober 2016 (Zeitversetzte Übernahme aufgrund einer 14-tägigen Sperrfrist.)
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