Bayerische Geschichte
„Wer die Bernauerin eigentlich war?“
Ab sofort ist das Buch „Wer war Agnes Bernauer?“ von Dr. Dorit-Maria Krenn und Werner Schäfer im Leserservice des Straubinger Tagblatts und im Buchhandel erhältlich. (Foto: phi)
Das neue Buch von Dr. Dorit-Maria Krenn und Werner Schäfer über die bekannteste Straubingerin
Es ist schon wert, über eine Frau nachzudenken und zu schreiben, die am 12. Oktober 1435 ihr Schwiegervater, Herzog Ernst III. von Bayern-München, aus Gründen der Staatsräson bei Straubing in der Donau hat ertränken lassen. Die Historiker Dr. Dorit-Maria Krenn und Werner Schäfer bringen nun ein neues Büchlein über die Bernauerin heraus und geben ihm den fragenden Titel „Wer war Agnes Bernauer?“
Ich wollte wissen, warum sich beide Autoren die Mühe machen, eine weitere Arbeit über die in der Donau ertränkte Baderstochter herauszugeben, nachdem doch, wie ich in meiner Anfrage anführte, schon sehr viele Historiker, Musiker, Dichter und Romanciers im Laufe von sechs Jahrhunderten das Thema hinreichend bearbeitet hätten.
„Weil es“, wie sich Dr. Dorit-Maria Krenn in einem Schreiben an mich ausdrückt, „zum einen der Stadt ein Anliegen war, zu den Agnes-Bernauer-Festspielen – heuer sind es 80 Jahre – einen Beitrag zu leisten“. Das Buch ist eine Publikation des Stadtarchivs in Zusammenarbeit mit dem Verlag Attenkofer. Zum anderen sei an Dr. Dorit-Maria Krenn immer wieder vonseiten des Buchhandels herangetragen worden, dass die Leute öfters nach einer kompakten und preiswerten Information zur Agnes Bernauer fragen würden. Dieser Meinung schließt sich auch Werner Schäfer „voll und ganz an“.
Dr. Dorit-Maria Krenn und Werner Schäfer führen unter anderem noch zur Schreibmotivation in ihrem Vorwort weiter aus: „Das Wissen um Heimatgeschichte nimmt ab, obwohl es eine wichtige Wurzel der eigenen Identität des ‚Heimatgefühls‘ ist.“ Den auswärtigen Lesern ein Stück Straubinger Geschichte nahezubringen, freue sie sowieso.
Dass die Agnes Bernauerin eine besondere Frau, ja eine beeindruckende Persönlichkeit war, zeigen die zahlreichen Urkunden und Publikationen über sie. Historiker kennen sieben zeitgenössische Urkunden wie Kammerrechnungen oder Herzogsurkunden, die über ihr Leben am Münchner Hof und ihren Tod am 12. Oktober 1935 in Straubing und darüber hinaus berichten.
33 Chronisten erwähnen das Leben und den Tod der Bernauerin von Andreas von Regensburg in seiner „Chronica Principibus Terrae Buarorum“, verfasst vor 1438 beziehungsweise vor 1444, bis Johannes Vervaux in „Annales Boicae Gentis“, verfasst in München im Jahr 1662.
Historiker des 18. Jahrhunderts schrieben 21 Abhandlungen, Geschichtswissenschaftler des 19. Jahrhunderts 38 Schilderungen und Geschichtsforscher des 20. und 21. Jahrhunderts 35 Berichte über die Bernauerin. 25 Werke der Reiseliteratur, 35 Erzählungen, 44 Dramen, 22 Gedichte, 21 musikalische Bearbeitungen (darunter die bekannteste von Carl Orff) beschäftigten sich im Laufe der Jahrhunderte literarisch in Prosa oder lyrisch oder musikalisch mit der Bernauerin.
Werner Schäfer, wohl der beste Kenner der Bernauer-Historie, schrieb 1987 ein umfassendes und grundlegendes Werk: „Agnes Bernauer und ihre Zeit.“ Der Straubinger Stadtheimatpfleger Alfons Huber gab 1999 ein Quellen- und Lesebuch vom 15. bis zum 20. Jahrhundert heraus.
Der historischen Figur der Bernauerin widmen Dr. Dorit-Maria Krenn und Werner Schäfer in ihrem neuen Büchlein „Wer war Agnes Bernauer?“ 14 Seiten. Der Leser kann auf acht Seiten Spuren der Straubinger Agnes Bernauer entdecken.
Im Kapitel „Brücke und Brunnen, Garten und Gasse, Stempel und Stüberl, Turm und Torte“ werden die Leser auf Straubinger Besonderheiten aufmerksam gemacht, auf Plakate und Bilder an den Häusern, Werbekarten, Straßennamen und Plastiken. Erwähnung finden natürlich auch Spezialitäten der Straubinger Wirte, Konditoren und Spirituosenhändler. Einen breiten Rahmen nimmt die Rubrik „Agnes Bernauer – Dramatisch“ ein. In einem 14-seitigen Überblick kann sich der Leser eine Vorstellung davon machen, wie die Tragödie auch von ideologischen Tendenzen missbraucht wurde.
So meinen beide Autoren beispielsweise auf Seite 51/52 zu Friedrich Hebbels 1852 uraufgeführtem Bernauer-Drama „Agnes Bernauer – ein deutsches Trauerspiel in fünf Akten“: „Das Drama gehört zu den umstrittenen Werken der deutschen Literaturgeschichte. Die – angebliche – Notwendigkeit staatlichen Handelns, die Rechtfertigung der Hinrichtung der Bernauerin im Namen der Staatsräson mussten Widerspruch herausfordern oder wurden, getragen von der entsprechenden Ideologie, freudig begrüßt. Während des Dritten Reiches war ‚Agnes Bernauer‘ das bevorzugte Stück Hebbels und diente der Betonung des Vorrangs von Volk und Staat gegenüber dem Einzelwesen. Nach 1945 wurde es recht still um Hebbels Tragödie.“
Auf 18 Seiten geben die Autoren einen Überblick über 80 Jahre Agnes-Bernauer-Festspielverein in Wort und Bild. Die Persiflage „Schwimm Agnes, schwimm“, die verschiedenen Kinder-Agnes-Spiele, eine Zeittafel Agnes Bernauer und Albrecht III. sowie eine Zeittafel der bisherigen Agnes-Bernauer-Festspiele informieren über weitere für Straubing relevante Themen.
Das Gedicht von Agnes Miegel „Agnes Bernauerin” (1920) auf Seite 87 finde ich jedoch wenig zielführend im Persönlichkeitsprofil der Bernauerin. Sie war wohl anfangs die Buhle Herzog Albrechts III., später vielleicht seine Ehefrau, aber niemals eine Somnambule, die nacht- und schlafwandelnd in der Donau herumirrt und auf einen “Rosenkranz von welkenden Rosmarinen” wartet. Im Agnes Bernauerin Gedicht der Agnes Miegel erscheint die Bernauerin eher als esoterisches Heimchen, nebulös – sybillinisch verhaucht denn als resolut – selbstbewusste Frau. Im Übrigen war Agnes Miegel ab 1933 bis an ihr Lebensende 1964 eine begeisterte Nationalsozialistin und als solche eine unbeirrbare Dichterin im Sinne der Ideologie des Dritten Reichs. Miegels Gedicht „Agnes Bernauerin” hätte besser nicht in dieses Büchlein aufgenommen werden sollen. Zudem es das zuvor auf Seite 85 gesetzte humorvoll-hintergründige „Agnes Bernauer”-Gedichterl (1963) des Straubinger Mundartdichters Werner Jansen konterkariert.
Mein Fazit: Es ist ein auf 90 Seiten zum Preis von 8,80 Euro handlich kompaktes und preiswertes Büchlein über Agnes Bernauer, reich bebildert und künstlerisch illustriert – „kurz und bündig, anschaulich, historisch, lyrisch und dramatisch“ informierend. Jeder, der darin schmökert, kann die Frage allumfassend beantworten, wer Agnes Bernauer war, wie sie lebte und wie sie zu Tode kam.
Quelle: Hans Vicari, in: Bogener Zeitung vom 8. Juni 2015 (zeitversetzte Übernahme des Beitrags aufgrund einer 14-tägigen Sperrfrist)
Das Buch
Das im Verlag Attenkofer erschienene Buch ist ab sofort im Leserservice des Straubinger Tagblatts, Telefon 09421/940-6700, und im Buchhandel erhältlich.
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