Der Zwiefache wird immaterielles Kulturerbe

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Foto: Der „Schellnober“ ist die Niederschrift eines Zwiefachen, die der Bezirk in seinen Archiven aufbewahrt.

Antrag kommt aus Niederbayern

Für Bezirksheimatpfleger und Musiker Dr. Maximilian Seefelder ist die Sache klar: „Ich bin zwiefach sozialisiert“, sagt der Leitende Kulturdirektor des Bezirks Niederbayern. Kein Wunder also, dass er gemeinsam . . . mit seinem Kollegen, Kulturreferent Dr. Philipp Ortmeier, den Zwiefachen als Kandidaten für das immaterielle Kulturerbe vorgeschlagen hat. Der Antrag ging durch – und am 11. November ist es nun so weit: Der Zwiefache wird offiziell im Kaisersaal der Münchner Residenz ins Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Hintergrund ist der, dass viele Kulturgegenstände Bayerns eine Lobby hinter sich haben. Das beginnt bei Lederhose und Dirndl mit den Trachtenvereinen und endet bei der Landshuter Hochzeit mit dem Verein „Die Förderer“. Der Zwiefache jedoch hat das nicht – er hat sich ganz automatisch überliefert, ist sozusagen ein Selbstläufer. Den Zwiefachen musste keiner neu erfinden – es gab und gibt ihn einfach schon immer. Er wird getanzt, gesungen und musiziert, „und genau das ist das Faszinierende an ihm“, sagen Seefelder und Ortmeier. Ein Gespräch über die Entstehung des Zwiefachen, die Bedeutung des Kulturerbes und mögliche weitere Anwärter.

Wie kam es dazu, den Zwiefachen als Kulturerbe vorzuschlagen?

Maximilian Seefelder: Wir denken ständig darüber nach, welche geistigen und nicht materiellen Kulturerscheinungen in Niederbayern lange überliefert, aber zugleich noch immer im Gebrauch sind. Das ist Teil unserer Arbeit in der Heimatpflege. Dass der Zwiefache definitiv die Kriterien eines immateriellen Kulturerbes erfüllen könnte, wurde uns im Juli 2015 auf einer Infoveranstaltung des Bayerischen Kultusministeriums klar. Damals erfuhren wir auch, dass es bislang kaum qualifizierte Bewerbungen aus dem Bereich der Musik gegeben hatte.

Zwiefacher1 012 DGF ZTG 00 051116Dr. Philipp Ortmeier (links) und Dr. Maximilian Seefelder mit einem Notenbuch, in dem viele Zwiefache verewigt sind. Die beiden haben den Antrag für die Aufnahme in das immaterielle Kulturerbe eingereicht. (Fotos: cv)

Was machte den Zwiefachen zu einem Kandidaten für den Vorschlag?

Seefelder: Er ist typisch für den Raum Niederbayern-Oberpfalz. Er hat sich aber weit über diese beiden Regionen hinaus verbreitet, und zwar ganz selbstverständlich ohne großes pflegerisches Zutun, ohne vereinsmäßiges Engagement. Einfach nur, weil er beliebt ist bei Musikanten und Tanzfreudigen – übrigens auch in Teilen Schwabens und Mittelfrankens.

Was genau ist eigentlich ein Zwiefacher – und woher kommt er?

Seefelder: Der Zwiefache ist ein äußerst spannendes Musikstück. Sein Reiz liegt im Takt- und Schrittwechsel. Er enthält sowohl den klassischen Walzer mit drei Schritten, als auch einen Dreher, der aus zwei Schritten besteht. Walzer und Dreher wechseln sich aber bei jedem Stück ganz unterschiedlich ab, was natürlich bei den Tänzern für Verwirrung sorgen kann. Manche Zwiefache sind besonders verzwickt, sodass die Musiker die Tänzer damit regelrecht „tratzen“ können. Der bekannteste Zwiefache ist sicherlich „Unser oide Kath“. Er ist auch nicht besonders schwer und daher als Einstieg für Tänzer ganz gut geeignet. Ursprünglich ist der Zwiefache – wie schon gesagt – in der Region Niederbayern-Oberpfalz beheimatet. Die älteste Aufzeichnung stammt aus dem Jahr 1740 und befindet sich im Stadtarchiv Amberg.

Was bedeutet es für den Zwiefachen, dass er jetzt Kulturerbe ist?

Seefelder: Im Grunde ist das eine Art Zertifizierung. So wie man Filmen zum Beispiel das Prädikat „besonders wertvoll“ verleiht. Einen besonderen Schutz bietet das aber nicht. Immaterielle Kultur bewährt sich ja immer in der Pflege – indem sie von einer Generation an die nächste weitergegeben wird. Man sollte das nicht künstlich von außen oder oben steuern. Es würde auch gar nicht funktionieren. Der Status „Kulturerbe“ kann aber den Blick drauf lenken, damit noch mehr Menschen den Zwiefachen schätzen und lieben lernen. Und vielleicht entsteht dann auch etwas Neues wie das künstlerisch sehr außergewöhnliche „Tanztheater Zwiefach“.

Was ist Ihrer Meinung nach ein weiterer Kandidat für das immaterielle Kulturerbe?

Seefelder: Das Gstanzl, also der gesungene Vierzeiler: Auch er ist – nicht nur durch den Roider Jackl – eng mit unserer Region verbunden. Zugleich gibt es da spannende Verbindungen zu aktuellen Phänomenen wie dem Poetry Slam. Allerdings ist das Gstanzl nicht annähernd so gut erforscht wie der Zwiefache. Hier müsste man erst noch einiges an Grundlagenarbeit leisten.

Muss man mittlerweile Dinge wie den Zwiefachen schützen, damit er nicht in Vergessenheit gerät?

Seefelder: Wenn etwas nicht mehr gebraucht wird, dann geht es zugrunde oder kommt ins Museum. Genau das will diese Auszeichnung aber nicht. Immaterielle Kultur lebt, weil sie gepflegt wird – und sich im Zuge dieser Pflege auch verändern kann und darf. Es hat also wenig Sinn, den Zwiefachen zu „schützen“, also die museale Käseglocke drüber zu stülpen. Der Zwiefache ist zurzeit äußerst beliebt: Er wird von vielen Musikgruppen gespielt, auf Tanzveranstaltungen und Bällen getanzt, von Musikliebhabern gehört. Dass das so bleibt, dazu kann auch die Aufnahme in die Liste des immateriellen Kulturerbes beitragen.

Interview: Claudia Hagn, in: BOG Zeitung vom 5. November 2016 (Zeitversetzte Übernahme aufgrund einer 14-tägigen Sperrfrist.)

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