Brauchtum
Winterfreud und Winterleid in der Notzeit
„Stöckelreißer“: Metallschlittschuhe der Firma Rival, München, zum Anklemmen an die Sohle, um 1925 (Foto: wikimedia commons GNU-Lizenz, Autor: Usien)
In der Notzeit gegen Ende und nach dem Krieg war so ziemlich jedermann ein Habenichts. Ein Schlittschuhbesitzer aber ...
... galt etwas, war einer, vor dem man „den Hut zog“. Nur sind die damaligen Schlittschuhe mit den heutigen nicht zu vergleichen. Heute sind diese Sportgeräte fest mit dem Schuh „verwachsen“, Schuh und Gleitkufen bilden eine Einheit, sie sind ein Gegenstand.
Ganz anders in meiner Jugend. Der Schlittschuh war ein eigenes Gerät, das an den Schuh geschraubt wurde. Die Schlittschuhe hatten dazu Haltevorrichtungen, sog. Backen, mit denen die Schuhsohle eingeklemmt wurde. Für den Schuhabsatz glichen diese Halterungen am Schlittschuh beinahe „Zähnen“, die sich am Absatz festbissen. Der Schuhabsatz wurde dadurch oft vom Schuh gerissen, weshalb diese Schlittschuhe auch von uns Kindern „Stöckelreißer“ genannt wurden. Zur Befestigung gebrauchte man einen „Schlüssel“, der die „Eisgleiter“ mit der Schuhsohle verband.
Ein solches Wintersportgerät war für den Gall-Opa in Uttendorf nicht bloß ein absolut überflüssiges Ding, es war auch gefährlich, denn man konnte sich damit „die Haxen brechen“.
Not macht bekanntlich erfinderisch. Und so bauten mein Freund Hans (aus dem Nachbaranwesen) und ich uns selbst Schlittschuhe. Die Sonntagsschuhe dazu zu benutzen wäre ein Sakrileg gewesen. Und so wurden die Werktagsschuhe, die Holzschuhe, umfunktioniert. Das war zwar schlau gedacht, in der Praxis gab es aber dann doch Schwierigkeiten. Als Gleitkufen dienten die „Eisenstangerl“ eines ausgedienten Regenschirms, den ich im „alten Stadel“ gefunden hatte.
Mit einer Zange aus dem Werkzeugkoffer vom „Santl-Zimmermann“ (Vater von Hans) wurden die Stangerl auf die richtige Länge gebracht. In einem Schraubstock drückten wir dann die „Kufen“ hinten und vorne platt und bohrten mit einem Handbohrer kleine Löcher in diese platten Stellen. In unserem Bienenstand war eine Schachtel mit „Impn-Nägeln“. Diese dienten dazu, die Rahmen für die Waben zu befestigen. Mit diesen kurzen Nägeln befestigten wir dann unsere „Kufen“ an der Sohle unserer Holzschuhe; und zwar nagelten wir auf jede Sohle zwei Kufen, denn eine Kufe erwies sich als nicht tauglich für das Gleiten. Zwei Kufen auf jedem Schuh sorgten für mehr Standfestigkeit und bremsten vor allem nicht so stark wie nur eine „Gleitschiene“, denn der Schuh berührte nicht so leicht mit dem Sohlenrand die Eisfläche. Mit unseren Ersatzschlittschuhen konnten wir nur geradeaus rutschen; elegante Bögen und Kurven zauberten wir nur in Gedanken aufs Eis.
Als „Eisbahn“ diente die „Brandl-Huim“ (kleiner Weiher) südlich des heutigen Schlamminger Wagenschuppens. Diese kleine Eisfläche war für uns Uttendorfer Kinder das „Eissportzentrum“, denn auch die Eisstöcke flitzten hier von Rand zu Rand.
Es kam auch vor, dass die Huim eine tragfähige Decke hatte, es lag aber kein Schnee. Dann schossen wir über die Eisfläche, indem wir uns mit einem Anlauf bäuchlings auf den Schlitten warfen und über den Weiher glitten.
Im Frühjahr 1946 war die Eisfläche durch das Tauwetter mit Wasser überzogen. Zwei kräftige Haselnussstecken wurden an einem Ende mit einem Nagel bestückt und dienten nun als eine Art Skistöcke. Wir setzten uns auf unsere Schlitten und schoben uns über die Eisfläche, die durch das von Tag zu Tag steigende Wasser immer tiefer versank. Schließlich war das Wasser im Weiher so hoch, dass wir nur noch am Rand der Eisdecke „rudern“ konnten, denn die Eisdecke hatte sich in der Mitte der Huim gesenkt.
Der Kuchler Bepp (Josef) vom Hagenberg lieh sich meinen Schlitten und meine Stöcke aus. Übermütig und unvorsichtig, wie der Bepp fast immer war, rutschte er, auf meinem Schlitten sitzend, in die Mitte des Weihers und saß sogleich eine Handbreit tief im Wasser. Wir konnten ihm nicht helfen. Da sich der Schlitten zu allem Unglück noch mit einer Kufe in einer Eisspalte verfangen hatte, musste der Bepp absteigen und ans Ufer waten. Weil bekanntlich ein Unglück selten allein kommt, glitten seine Holzschuhe auch noch aus und der Bepp lag der Länge nach im kalten Wasser. Wie die sprichwörtlich getaufte Maus trat er den etwa 300 Meter langen Heimweg an.
Von dieser Stunde an wagten wir, der Hans und ich und die beiden Brandl-Mädchen, uns nicht mehr auf dieses Eis.
Quelle: Sigurd Gall, in: Mitterfelser Magazin 20/2014, Seite 62 (Erhältlich bei Schreibwaren Stolz, Burgstraße Mitterfels)
Neueste Nachrichten
- 1000 Jahre Geschichte um Mitterfels (68)
- Vortrag über „Das Neue Schloss“ Steinach bei der Jahresversammlung des AK Heimatgeschichte Mitterfels
- Mitterfelser Magazin. Jubiläumsausgabe 2024
- Gold für Haselbach beim Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“
- Falkenfels. Holzspiel läuft wieder
- Der Ursprung liegt bei Van Gogh
- „Kein kleiner Waidler-Adel“
- Mitterfels/Haselbach. Ein neues Wandererlebnis
- Filmteam zu Gast in Mitterfels
- Der hl. Norbert – ein Ideal für morgen
- Ascha. Alte Chronik im modernen Gewand
- Waldleben ...
- Renovierung von St. Thomas, Herrnfehlburg
- Online-Beiträge des Mitterfelser Magazins ab MM 11
- MM 11/2005. Betriebe im Wandel
- MM 11/2005. Eine wirklich junge Straße mit einem Altersdurchschnitt der Bewohner von 28 Jahren
- MM 11/2005. Flurnamen erzählen vom Weidewesen früherer Zeiten
- MM 11/2005. Franz X. Baier machte 1952 aus der Burg Falkenfels eine Gastwirtschaft mit Fremdenzimmern
- MM 11/2005. Vom Dreißigjährigen Krieg in unserer Region
- MM 11/2005. Die schrecklichen Erlebnisse des Homberger Jakl aus Mitterwachsenberg
- MM 11/2005. Rüberschau‘n auf Haselbach – Fotostrecke von Alois Kallus
- MM 11/2005. Vom Kelchbecherling über die Ochsenzunge bis zum Riesenporling
- MM 11/2005. A so gengan de Gang
- MM 11/2005. Erzählungen
- MM 11/2005. Seite des herausgebenden Vereins: AK Heimatgeschichte Mitterfels
Meist gelesen
- Unser "Bayerwald-Bockerl" erlebte seinen 100. Geburtstag nicht
- Vor 27 Jahren: Restaurierung der einstigen Kastensölde in Mitterfels abgeschlossen
- Markterhebung - 50 Jahre Markt Mitterfels
- Mühlen an der Menach (08): Wasserkraftnutzung in Kleinmenach und an den Nebenflüssen (in Groß- und Kleinwieden und Aign)
- Menschen aus unserem Raum, die Geschichte schrieben (1): Johann Kaspar Thürriegel
- Mühlen an der Menach (21): Die Höllmühl
- Begegnung mit Menschen (6). Drei Wandgemälde in der Volksschule Mitterfels von Willi Ulfig
- Dakemma, Bäxn, Moar ....
- Mühlen an der Menach (05): So wurde in Frommried (und auch in anderen Mühlen) aus Getreide Mehl
- Erinnerungen an einen "Bahnhof" besonderer Art: Haltepunkt Wiespoint
- Mühlen an der Menach (04): Frommried, eine der ältesten Mühlen
- Impressum
- Mühlen an der Menach (11): Die Mühle in Recksberg
- Das alte Dorf im Wandel
- Mühlen an der Menach (03): Ein Perlbach namens Menach
- Ortskernsanierung in Mitterfels (Stand 1995)
- Die Kettenreaktion
- Sparkasse Mitterfels - 10 Jahre älter als bisher bekannt
- Mühlen an der Menach (07): Die Hadermühl
- Das neue Mitterfelser Magazin 22/2016 . . .
- BWV-Sektion Mitterfels: Über 40 Jahre Lebens- freude (Stand: 2003)
- Publikationen AK Heimatgeschichte Mitterfels
- Datenschutzerklärung
- 2021: VG Mitterfels wurde 44
- Es begann in Kreuzkirchen
- Begegnung mit Menschen (1). Erinnerungen an Balbina Gall - Hebamme von Mitterfels
- Eine Bücherei entsteht
- Das ehemalige Benediktinerkloster Oberaltaich - seine Bedeutung für unseren Raum
- Mitterfels. Vorweihnachtliches Lesekonzert im Burgstüberl
- Wandern auf kurfürstlichen Spuren
- Schloss Falkenfels als Flüchtlingslager
- Mühlen an der Menach (01) - Vorstellung der Themenreihe
- Ergebnis der Bundestagswahl 2017 in der VG Mitterfels
- Der Forst, ein Ortsteil von Falkenfels
- Kirchengrabung in Haselbach mit Fund romanischer Wandziegelplatten im Jahre 1990
- Widder an den Thurmloch-Wassern
- Hausnummern - Spiegelbild für Dorf und Gemeinde
- Mühlen an der Menach (02): Wasserkraftnutzung an der Menach
- Sind wirklich die Falken die Namensgeber von Falkenfels?
- AK Heimatgeschichte Mitterfels. Jahreshauptversammlung 2017 mit Exkursion
- Mühlen an der Menach (19): Die Ziermühl
- Erinnerungen eines Landarztes
- Über den Mitterfelser Dorfbrunnen
- Qualifikation zur bayerischen Meisterschaft im Seifenkistenrennen 1950 in Mitterfels
- Sie waren Lehrbuben auf Schloss Falkenfels
- AK Heimatgeschichte Mitterfels. Das neue Mitterfelser Magazin 21/2015
- Mühlen an der Menach (25): Die "Wartnersäge" bei den Bachwiesen
- Zentrales Gemeindearchiv: Altes Kulturgut besser nutzen
- Neues Mitterfelser Magazin 19/2013 erschienen
- Zur Ortskernsanierung (1995): Begegnung mit Stuttgarter Studenten
Meist gelesen - Jahresliste
- Das neue Mitterfelser Magazin 22/2016 . . .
- BWV-Sektion Mitterfels: Über 40 Jahre Lebens- freude (Stand: 2003)
- Publikationen AK Heimatgeschichte Mitterfels
- Mitterfels. Vorweihnachtliches Lesekonzert im Burgstüberl
- Der Forst, ein Ortsteil von Falkenfels
- Burgmuseumsverein Mitterfels. Objekt des Monats Oktober 2016 . . . und frühere Objekte
- History of Mitterfels
- Online-Beiträge des Mitterfelser Magazins
- Der Haselbacher Totentanz
- Bayerische Landesausstellung 2016 in Aldersbach. Bier in Bayern
- Kalenderblatt
- Mitterfels. Theaterspiel und Menü im Gasthaus „Zur Post“
- Landesausstellung "Bier in Bayern" in Alders- bach
- Club Cervisia Bogen. Bogen: Startschuss für D‘Artagnans Tochter und die drei Musketiere
- AK Heimatgeschichte Mitterfels. Führung Friedhof St. Peter in Straubing
- AK Heimatgeschichte Mitterfels. Exkursion zur KZ-Gedenkstätte Flossenbürg
- Windberger Theater-Compagnie. „Lokalbahn“ - Rollen mit Herz und Seele gespielt
- Landkreis Straubing-Bogen. Hans Neueder gibt nach 25 Jahren sein Amt als Kreisheimatpfleger auf
- Jahresversammlung 2016 des AK Heimatgeschichte Mitterfels mit Exkursion nach Elisabethszell
- Schwarzach. KiS-Gründer Wolfgang Folger übergibt Amt des Vorsitzenden an Sascha Edenhofer
Meist gelesen - Monatsliste
- Neues aus unseren Gemeinden
- 1000 Jahre Geschichte um Mitterfels (68)
- Baugebiet Pimaisset Mitterfels. Mit Regenwasser die Toilette spülen
- Online-Beiträge des Mitterfelser Magazins ab MM 11
- MM 11/2005. Betriebe im Wandel
- MM 11/2005. Flurnamen erzählen vom Weidewesen früherer Zeiten
- MM 11/2005. Eine wirklich junge Straße mit einem Altersdurchschnitt der Bewohner von 28 Jahren
- Kalenderblatt Allerseelen. Zwei Münchner Friedhöfe der besonderen Art
- MM 11/2005. Franz X. Baier machte 1952 aus der Burg Falkenfels eine Gastwirtschaft mit Fremdenzimmern
- Schwarzach. 33 Jahre KIS - Jahresprogramm
- MM 11/2005. Vom Dreißigjährigen Krieg in unserer Region
- MM 11/2005. Vom Kelchbecherling über die Ochsenzunge bis zum Riesenporling
- MM 11/2005. Rüberschau‘n auf Haselbach – Fotostrecke von Alois Kallus
- MM 11/2005. A so gengan de Gang
- MM 11/2005. Die schrecklichen Erlebnisse des Homberger Jakl aus Mitterwachsenberg
- MM 11/2005. Erzählungen
- MM 11/2005. Seite des herausgebenden Vereins: AK Heimatgeschichte Mitterfels
- Renovierung von St. Thomas, Herrnfehlburg
- „Kein kleiner Waidler-Adel“
- Waldleben ...