AK Heimatgeschichte Mitterfels. Ein Abend mit Autoren - Teil 4

Abend mit Autoren webtitel

Für alle, die den Abend noch einmal Revue passieren lassen, etwas nachlesen oder gar nachsingen möchten, oder für diejenigen, die nicht dabei sein konnten, stellen wir ihn hier mit Text, Bild und Noten zur Verfügung:

18. Edda Fendl: Der Wasenmeister von Falkenfels

03 Wasenmeister Falkenfels w

Nach "Bänkelsängerart" wurde bei jeder Lesesequenz ein Plakat aufgedeckt, das den Text bildhaft untermalte. Durch Klick auf das Bild können Sie es vergrößern.

Anmoderation durch Herbert Becker: Ich habe vorher gesagt, dass man sich früher eines beruflichen Fortkommens wegen nicht besonders anpassen hat müssen. Es ist sogar so, dass sich Angehörige mancher Berufe gar nicht anpassen haben können. Es hat so genannte unehrliche Berufe gegeben. Der Henkersberuf war so einer, aber durchaus nicht der einzige. Edda Fendl erzählt uns jetzt von einem weiteren. Edda Fendl ist eine Mitarbeiterin des MM, die ich hier kaum jemandem vorzustellen brauche, sie gehört, wenn man so will, zur Lokalprominenz – und zu denen, die die meisten Artikel fürs Magazin beigesteuert haben. Außerdem veröffentlicht sie am laufenden Band Bücher mit ihren Forschungsergebnissen. Ihre geschichtlichen heimatkundlichen Forschungen beziehen sich in erster Linie auf ihren Lebensmittelpunkt Falkenfels. Edda Fendl hat Stimmprobleme. Für sie erzählt uns Theo Breu uns jetzt vom Beruf des Wasenmeisters:

Man schrieb das Jahr 1915, und Lena Lugauer aus Siglbrunn war gerade einmal neun Jahre alt. Da wurde ihr ein Katzenbalg in die Hand gedrückt mit dem Auftrag, ihn zum Vogl-Schinder in Falkenfels zu tragen. Er möge ihn zum Gerben weitergeben. Beim Vogl wurde sie aber zurechtgewiesen, er sei kein Schinder, sondern der Wasenmeister.

Unter diesem Namen „Wasenmeister” ist der Ort auch im Liquidationsplan von 1839 eingetragen. Ferner wird der Weg von Oberhof am Wasenmeister vorbei bis zur Einmündung in den Hagenzeller Weg (heute Waldweg) von älteren Leuten heute noch Abdeckerweg genannt. Wir haben es hier mit drei Bezeichnungen für ein und denselben Beruf zu tun: Schinder, Wasenmeister, Abdecker. Schinder leitet sich von „schinden” ab, was so viel bedeutet wie „einem Tier die Haut abziehen”. Diese Haut, das Fell, hängte der Schinder zum Trocknen auf und lieferte es dann zum Gerber weiter. Dort entstand Leder, das früher ein wertvolles Material zur Weiterverarbeitung darstellte.

Wasenmeister hängt mit „Wasen” zusammen und meint zu nächst die „Erdscholle mit dem darin wurzelnden Pflanzenwuchs”, dann aber auch das „Land, wo der Abdecker oder Wasenmeister das Vieh ausweidet und verscharrt”, also abdeckt im Sinne von zudeckt. Brauchbare Teile der Tierkörper wurden aber weiterverarbeitet. Nach mündlicher Überlieferung wurde aus den Tierknochen und dem Fett unter Beigabe von käuflichem Soda Kernseife hergestellt. Solche Seifenrezepte haben sich zum Beispiel in einem alten, handgeschriebenen Kochbuch aus dem bayerischen Inntal erhalten.

Bei seiner Arbeit war der Wasenmeister an genaue Regeln gebunden. Nach oberpolizeilicher Vorschrift vom 21. Juni 1862 mussten „gefallene” (hingestorbene) Tiere 5 Schuh (1 bayerischer Schuh = 29,18 cm) tief verscharrt werden. Tiere, die wegen einer ansteckenden Krankheit verendet oder getötet worden waren, wurden sogar 6 - 8 Schuh tief vergraben und zuvor mit ungelöschtem Kalk bestreut, wovon immer ein Vorrat bereit zu halten war. Zu einer Wasenmeisterei gehörte eine Fallhütte und eine Wasenstätte, die durch Einfriedung gegen den Zutritt von Personen und Tieren geschützt war. Für tollwutverdächtige Hunde war ein Zwinger an einem sicheren Ort nötig und für größere Haustiere ein Stall zur Beobachtung der Tiere. Die Wasenmeister wurden vom zuständigen Tierarzt kontrolliert und auch vom Arzt überwacht.

Man war darauf bedacht, „gemeinschädliche Ausdünstungen und krankhafte Einwirkungen auf die in der Nähe der Wasenmeisterei wohnenden Menschen” zu unterbinden. Aus dem Tätigkeitsbereich des Wasenmeisters erklärt sich auch die Alleinlage seines Anwesens. Die Wasenmeisterei von Falkenfels lag als Einöde in einer Talmulde zum Kienbach hin, ein gutes Stück vom Ortskern von Falkenfels entfernt.

Im Liquidationsprotokoll von 1839 wird sie als 1/32 Abdeckergütl mit realer Abdeckergerechtigkeit beschrieben; als Gebäude werden Wohnhaus, Stall und Stadl unter einem Dache, Fallhütte und Backofen aufgeführt. Davon ist heute nichts mehr vorhanden. Schon 1933 ersetzten Michael und Josefa Vogl die Bauten durch neue. Michael und Josefa Vogl waren eigentlich im Wastlhof bei Falkenfels beheimatet und wechselten 1908 zur Wasenmeisterei Falkenfels, ein Ereignis, das sie durch ein Wegkreuz mit ihren Initialen und der Jahreszahl auf dem Steinsockel festhielten. Ob Michael Vogl den Beruf des Wasenmeisters noch ausübte oder nur mehr die Felle an den Gerber weitervermittelte, bleibt fraglich.

Die Wasenmeister zählten wegen ihrer Nähe zum Tod zu den „unehrbaren” Berufsbildern und standen am unteren Rande der Dorfgemeinschaft. Sie konnten sich ihre Ehepartner wieder nur aus ihren Reihen suchen. Ihre Kinder wurden zum „ehrbaren Handwerk“, wie sie in Zünften zusammengeschlossen waren, nicht zugelassen. Insofern stand der Wasenmeister dem Dorfhirten nahe, der ja auch gelegentlich mit toten Tieren in Berührung kam. Dieser Makel hat sich sogar in einer sprichwörtlichen Redewendung niedergeschlagen: „Schäfer und Schinder sind Geschwister-Kinder.”

In Falkenfels ist die Tätigkeit des Wasenmeisters vielfach schon in Vergessenheit geraten. Hat man deshalb die Bezeichnung „Waldweg” statt „Abdeckerweg” gewählt, oder besteht immer noch eine heimliche Scheu vor dem Beruf des Schinders und seiner Wirkungsstätte?

 

19. Sigurd Gall: Menschliche Eigenschaften im Spiegel der Mundart

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Anmoderation durch Herbert Becker: Sprachen, auch Dialekte, verändern sich bekanntlich immerfort. Unter anderem, weil sie Fremdwörter aufnehmen, oder Wörter aus bestimmten Soziolekten. Die Abdecker haben bestimmt Wörter benutzt, die einem Beamten im Straubinger Finanzamt fremd waren, aber es ist keineswegs auszuschließen, dass auch aus dem Wortschatz des Wasenmeisters Begriffe und Redewendungen ins Bairische eingegangen sind. Einer, der sich seit Jahrzehnten mit Phänomenen dieser Art beschäftigt, ist der Sigurd Gall. Die bairische Sprache ist sein Spezialgebiet. In ihr schreibt er Gedichte und Erzählungen, und in ihr findet er immer neue Feinheiten und alte Wendungen. Die sammelt, dokumentiert und analysiert er – und manchmal gibt er sie zum Besten. Auch Sigurd Gall kann nicht selbst die bairischen Redensarten vortragen, die mit großer Bildhaftigkeit und treffendem Witz menschliche Eigenschaften beschreiben. Für ihn darf ich das übernehmen. (Herbert Becker:)

Ein Angeber, dem etwas misslungen ist, „hat sich an Schiefing eizogn”, „hat Ausreden wia da Hund Flöh”, und „er wird sich d’ Hörndl scho no abstessn”.
Ein ganz Armer „is arm wia a Kirchamaus”.
Ein Bockiger ist „a Bockschedl”, „is drei Jahr in d’ Baum­schul ganga und als Hackstock aussakemma”.
Ein Buckliger „hat a bojnerne Kirm”.
Ein Dummer „hat a Spatznhirn”, „hat an Kopf bloß deswegen, dass er’s Strouh net unterm Arm tragen muaß”.
Ein ganz Dummer „is dumm wia d’ Nacht finsta” und „hängt d’ Tür aus, dass eahm koana durchs Schlüs­sel­loch schaugn ko”.
Ein Eingebildeter „steigt wia da Gickerl aufm Mist”, oder „gibt o wia a Steign volla Affen”.
Ein Flehender „hat a Arme-Seelen-Gschau”.
Ein Fauler „reißt sich koan Haxn aus”.

 

20. Martin Graf: Wetter hats immer

12 Wetter hats immer w

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Anmoderation durch Herbert Becker: Ich glaub, ich hab jetzt so ziemlich jeden einzelnen Beitrag angekündigt, indem ich von früher gesprochen habe, oder vom Wandel der Zeit, oder vom Lauf der Geschichte. Jetzt kommt endlich etwas, das – trotz seiner ausgesprochenen Unbeständigkeit – Bestand hat: Das Wetter. „Ein Wetter hats immer“, sagt der Martin Graf, und der muss es wissen, denn er ein alter Wetterfrosch. Außerdem gehört er zum Urgestein vom AKH – und nicht nur von dem. Ich muss zugeben: Die Reihenfolge von den heutigen Beiträgen habe ich festgelegt, und den Martin hab ich nicht nur deshalb so weit hinten eingereiht, weil ich als Kind gelernt hab, dass man sich das Beste bis zum Schluss aufhebt, sondern der Martin hat eine derartige Bühnepräsenz, dass, wenn er schon am Anfang drangekommen wäre, alle gefragt hätten, warum eigentlich nicht er diese Veranstaltung moderiert. Jetzt ist das nicht mehr zu ändern, weil wir unaufhaltsam auf das Ende zusteuern.

Im Ganzen gesehen war 2016 ein verhältnismäßig feuchtes Jahr mit mäßigen Temperaturen.
Die Jahresniederschläge betrugen im ganzen Jahr 1041 mm, das sind 1041 Liter pro qm. Davon fielen im Januar, Februar, März und November 69 cm als Schnee, was für unsere Region außergewöhnlich wenig ist. Am Pfingstmontag, 16. Mai, schneite es ein letztes Mal im Frühjahr zum Gallnerfest. Der erste Schnee des Spätjahres fiel am 9. November. Der Juni war der feuchteste Monat mit 160 mm Regen, der Dezember ging als trockenster Monat des Jahres in die Aufzeichnungen ein - er hatte nur 22 mm Niederschlag.
Niederschlagsreichste Tage waren der 17. September, der es in 24 Stunden auf 72 mm brachte und dann der 1. Juni mit Gewitter und einem 3-stündigen Wolkenbruch mit 63 mm Regenmenge:
„ An diesem Tag kam auf der Menach so viel Wasser daher, dass in der Ziermühle die kleineren Tiere des Stalles evakuiert werden mussten. Die Goaßreimbrücke wurde weggeschwemmt, ebenso die Brücke in der Thalmühle. Ein starkes Gewitter begleitete diesen Wolkenbruch in den Nachmittagsstunden. Während dieses Infernos fand in Haselbach eine Beerdigung statt - die Trauergemeinde nahm mit großer Anspannung daran teil. Aber der wetterfeste Pfarrer Johann Six legte ein großes Gottvertrauen an den Tag. “
Im ganzen Jahr wurden 21 Gewitter gezählt, das erste am 13. April und das letzte in der Nacht zum 29. August.Davon gab es vier scharfe Gewitter: Ersteres, am 1. Juni, wurde schon beschrieben. Und das zweite wütete am 25. Juni abends: ein kurzer und heftiger Gewittersturm:
„ An diesem Abend wurde in Haselbach das Sonnwendfeuer in einem größeren Zelt sozusagen begossen. Als der Sturm einsetzte, mussten die Besucher mit den bloßen Händen das Zelt vor dem Davonfliegen bewahren. “
In den Wäldern war der Schaden hauptsächlich bei den Fichten zu verzeichnen. Wenn sie nicht abgebrochen oder entwurzelt wurden, verbog der Sturm ihre Gipfel derart, dass die Holzzellen rissen und die Krümmung nicht mehr zurückging. Der Schaden beschränkte sich auf Haselbach und die nördlichen Teile von Mitterfels. Am 11. Juli zog eine heftige Gewitterfront von Westen heran, welche von Pilgramsberg bis Haibach eine Hagelschneise hinterließ, die das Getreide und den Mais ziemlich verwüstete. In der Nacht zum 5. August raubte uns dann noch ein schweres Nachtgewitter mit zahlreichen Einschlägen den Schlaf.

 

21. Otto Wartner: Ja verreck, is dös schnell ganga!

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Anmoderation durch Herbert Becker: Ich habe vorher gesagt, dass das, was jetzt kommt, fast schon die Zugabe sei. Ganz stimmt das nicht. Wir haben zum Schluss noch einen Beitrag mit dem Titel. „Ja verreck, is dös schnell ganga!“ Es ist eine Erzählung über ein Mitterfelser Original, verfasst von Otto Wartner. Otto Wartner war ebenfalls Gründungsmitglied des AKH, und weil er im Privatberuf Filialleiter der Sparkasse Mitterfels war, war er prädestiniert dazu, die Kasse des AKH zu führen, was er jahrelang gemacht hat. Otto Wartner ist 2014 gestorben, wenige Tage nach seinen 95. Geburtstag. Der Titel „Ja verreck, is dös schnell ganga!“, ist durchaus sinnfällig. Zum einen sind die Zeiten, von denen heute Abend die Rede war, nachträglich betrachtet, schnell an uns, beziehungsweise unseren Altvorderen vorbeigerauscht, zum anderen hoffe ich – genau wie die anderen, die in den letzten zwei Stunden auf der Bühnen gestanden sind – dass Euch die Zeit heute Abend tatsächlich schnell vergangen ist. Und jetzt liest noch einmal der zweite Vorsitzende des AKH, Martin Graf.

Viele Mitterfelser erinnern sich noch an ihn, an den Michl Rankl. Er lebte mit seiner Familie im Lehrerwohnhaus (heute Kreismusikschule ) neben der St. Georgskirche. Vorher war er in seinem Heimatlandkreis Regen ansässig. Dort hat man ihm eines Tages eine Kur verordnet und ihn zwangsweise nach Mainkofen ge­bracht. Dem Michl gefiel es in diesem Pflegeheim aber gar nicht und deshalb haute er schon bald wieder ab. Als er nach zwei Tagen Marsch in der Heimat ankam, erwartete ihn schon die Regener Polizei und brachte ihn sogleich wieder in die „Kuranstalt“ zurück.
Nach einiger Zeit gelang es dem Michl erneut auszureißen. Dieses Mal wollte er es schlauer anstellen, die Gendarmen sollten ihn nicht gleich wieder erwischen. Es gelüstete ihn aber, sie gehörig zu tratzen und deshalb begab er sich unterwegs in das Postamt zu Gotteszell, um von dort die Polizei in Regen anzurufen. Es entwickelte sich folgendes Gespräch:
„Da Rankl Mich is da, kennts mi scho!“
„Ja freili kenn man di, wiss mas scho, dass d‘ eah wieder davo bist. Wou bist denn nacha jetz?“
„Ja so dumm wer i sei und enk dös sagn, dass mi glei wieder schnappn kannts.“
„Ja Michl, da hast a wieder recht. Du bist aber jetzt gwiss ganz weit weg von Regn und bis mia dahi kemman, von wou du jetzd oruafst, bist scho wieder über alle Berg und mia kriagn ma dö nia!“
Das leuchtete dem Michl ein. Er stellte sich genüsslich vor, wie die Polizisten, wenn er ihnen den Ort verrät, in Gotteszell jeden Winkel absuchen werden, während er längst auf dem Weg ist durch die Wälder hinauf Richtung Zottling. So gab er zur Antwort: „Z‘ Gottszell bin i.“
„0 mei, dös is aber weit weg von Regn, da dawisch ma dö nia!“
Der Michl zahlte brav die Telefongebühr beim „Freilein“ und begab sich hinaus auf den Dorfplatz. Dort stiegen gerade ganz zufällig zwei Regener Polizisten aus ihrem Dienstfahrzeug, mit dem sie auf Streife unterwegs waren, und so lief ihnen der Michl schnurstracks in die Arme. Da konnte er nur noch respektvoll anerkennen: „Ja verreck, is dös schnell ganga!“

 

22. Herbert Becker: Verabschiedung


23. Franz Schötz mit "Schad is's, daß's scho zum Hoamgeh is!"

Lied5 Schad is

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