In Erinnerung an Otto Wartner

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„Verantwortung ist die Messlatte für die Größe, die Persönlichkeit eines Menschen.“ (Winston Churchill)

Wollte man Otto Wartners Lebenseinstellung mit einem Attribut charakterisieren, fällt einem „Verant­wor­tung und Engagement“ ein. Eine Gemeinde braucht Bürger, die sich engagieren, sich verantwortlich fühlen, die das Leben in der Gemeinschaft mitgestalten helfen. Sie müssen dazu keinen politischen Auftrag haben. „Die Scheu vor der Verantwortung ist eine Krankheit unserer Zeit.“ So drückte schon vor 150 Jahren ein Otto von Bismarck seine Enttäuschung über seine Zeitgenossen aus. “Viele sprechen davon, Verantwortung übernehmen zu wollen, und meinen doch nur den einträglichen Posten oder die Macht über andere.” Diese negative Aussage traf auf Otto Wartner nie zu.

Für seine Grundeinstellung und ein entsprechendes Engagement wurde Otto Wartner von der Marktgemeinde Mitterfels 2008 mit der Verleihung der Bürgermedaille geehrt. Otto war aber nie „Hans-Dampf“ in allen Gassen, er hielt nicht mit begründeter Kritik zurück und hinterfragte alles zuerst, was anstand. Wo er überzeugt war, tat und bewegte er viel - aus Verant­wortung für seinen Heimatort, für die Gemeinschaft, für die Umwelt, in der wir leben.

Berufliche Verantwortung im eigenen Ort übernehmen zu können, ist doppelte Ver-pflichtung und mitunter sicher nicht einfach. Nach den Lehr- und Mitarbeiterjahren durfte Otto Wartner ab 1957 genau auf den Tag ein Vierteljahrhundert die örtliche Sparkasse leiten, ausbauen, vorwärtsbringen. Unter seiner Egide war sie eine mit dem Ort verbundene Institution, ein gehöriges Stück Ortsgeschichte. Damals war die Sparkasse noch nahe an der Gründungs-Idee, den Wohlstand auch armer Leute zu heben und zusammengekratzte Ersparnisse zinsbringend zu vergrößern. Die Sparer und nicht die Schuldner waren gefragt.

Das Sparkassenmanagement konnte zufrieden sein mit den Mitterfelser Zahlen: In 8 von 10 festgehaltenen Jahren lag die notierbare Entwicklung der Sparkasse Mitterfels über dem Gesamt-Durchschnitt der Sparkassen, überdurchschnittlich groß im Jahr sogar, als die Sparkasse in Mitterfels eine erste Konkurrenz bekam.

Dienen und nicht Verdienen war früher das Motto der Sparkasse, hinter dem Otto Wartner voll stehen konnte. Er hat seine Kunden und ihre persönlichen Ver­hältnisse gekannt, konnte sie noch in derem Interesse richtig beraten. Er wollte ortsnah sein. (Da durfte z. B. auch der Schaukasten des Bayerischen Wald-Vereins gut sichtbar nahe dem Sparkasseneingang hängen). Konsequenterweise hörte er in seinem Beruf auf, als sich die Ausrichtung der Sparkassen in Richtung Banking bewegte.

Was uns zur Sektion Mitterfels des Bayerischen Wald-Vereins bringt, die ohne Otto Wartner nicht das geworden wäre, was sie für nicht nur eine Generation von Mitterfelsern bedeutete: Ein Stück „soziale Heimat“, weil man ja einen großen Teil seiner Freizeit im und mit dem Waldverein verbrachte. Mit ihm entwickelte sich der Waldverein auch zu einer kulturtragenden Mitterfelser Institution. Otto Wartner war es, der den Bayerischen Wald-Verein aus der Integration im Verkehrs- und Verschönerungsverein 1963 herauslös­te, selbständig machte, ihn 21 Jahre lang führte und die Mitgliederzahl von 26 auf 370 steigern konnte. Die Zahl macht es nicht, aber im Bewusstsein der Mitterfelser hatte der Waldverein einen sehr hohen Stellenwert. So begründete z. B. der damalige Bürgermeister Uekermann den Antrag zur Markter­hebung, deren 50-jähriges Bestehen wir in vier Jahren feiern, u. a. mit dem im ganzen Land­kreis als vorbildhaft geltendem Vereinsleben, wobei er TSV und Bayerwaldverein explizit nannte.

Wäre Otto aber nur 21 Jahre Vereinsfunktionär gewesen, wäre er ein Vereinsvorsitzender wie viele andere. Was er aber emotional bewirkte, macht seine Persönlichkeit aus: Otto hat einer ganzen Generation von Mitterfelsern die Begeisterung dafür, dass unsere Heimat so viel an Schönheiten und kulturellem Reichtum bietet und eine damals schon erkannte Einsicht auf die Schutzwürdigkeit der Natur vermittelt. Er hat damit - in Abwandlung des tiefsinnigen Sat-zes des franz. Philosophen Jean Jaurés - bewirkt, dass die nachfolgende Generation nicht die Asche der angefangenen Tradition verwahrte, sondern das Feuer schürte.

Heute wird alles mit dem Gradmesser Nachhaltigkeit bewertet. Das, was Otto - und natürlich auch noch andere mit ihm - begonnen haben, zeigt eine hochgradig nachhaltige Wirkung und setzt sich fort bei der nächsten Generation von Führungskräf-ten, bei denen der Wartnersche Funke zum Feuer geworden ist. Otto Wartner hat etwas bewirkt, oder - um einen Begriff aus der Management­schulung anzuwenden: Er war Multiplikator für eine verantwortungsvolle Beziehung zur Heimat und Natur und hat viele mit diesem “Bazillus” angesteckt. Oft war er z. B. umringt von Kindern, denen er ein freundlicher, geduldiger Lehrmeister war. In vielen von ihnen steckt heute noch dieser Bazillus. 

Und wenn nun jemandem das zu sehr im emotionalen, zwischenmenschlichen Bereich angesiedelt ist, dem bieten wir auch noch klare Fakten, wobei hier nur Beispiele genannt sein können:

Otto hat unzählige Wanderungen selbst erkundet und geführt, dabei den Mitwanderern nicht nur den gefühlsmäßigen Bezug zur Heimat, sondern Ihnen auch viel Wissen vermittelt.

Nebenbei war er oft selbst Wanderer des Jahres. Die “Fahrt ins Blaue” mit Einbeziehung der Wanderer, die das Ziel nach einer oft hintergründig verklausulierten Beschreibung herausfinden sollten, war seine Erfindung.
Otto hat auch noch in den letzten Jahren, wo es zunehmend schwieriger wurde, Freiwillige zu finden, Wege markiert, also in einem für den Tourismus in Mitterfels nicht unwesentlichen Bereich mitgeholfen.

Zusammen mit Bruder Franz erarbeitete Otto eine lückenlose Sammlung von Dokumenten überlieferter Volksfrömmigkeit in der Pfarrei Mitterfels mit dem Titel: An Weg und Haus - errichtet zur Ehre Gottes, einer Sammlung von Wegkreuzen, Bildstöcken, Totenbrettern, Kapellen und Giebelfiguren. Er durchforschte die Pfarrgemeinde, fotografierte alle Objekte, notierte alles Nötige -  wobei seine Bekanntheit, seine natürliche Autorität und die Fähigkeit zuzuhören den Menschen den Mund öffnete.

Dass man auf dem Hirschenstein, dem Mitterfelser Hausberg, für den das Forstamt Mitterfels zuständig war, alle sichtbaren Bayerwaldgipfel auch mit Namen benennen kann und bei Fönlage sicher sein kann, um welchen der markanten Alpengipfel es sich handelt, haben wir Otto Wartner zu verdanken. Was da so markant als Umriss in das Metall eingeritzt ist und so einfach aussieht, war in Wirklichkeit eine mit Akribie bewältigte Sisiphusarbeit.

Akribisch ausgefeilt waren auch seine Lichtbildervorträge beim Bayerischen Wald-Verein und anderen Gelegen­heiten, bei denen er den Zuhörern die Schönheit und Kultur unserer Heimat, des Bayerischen Waldes, der Alpen und auch Norwegens oder Islands nahe gebracht hat.

Er hat damit das kulturelle und touristische Angebot der Gemeinde belebt, dabei auch - wenn man seine Norwegenvorträge nimmt - seinen Teil zur Völkerverständigung beigetragen, war er doch im unseligen Zweiten Weltkrieg selbst in diesem Land im Einsatz, hat es und seine Bewohner lieben gelernt. So bewahrheitete sich in seinen Vorträgen die Erkenntnis, dass man seine Heimat nur lieben kann, wenn man auch über den Tellerrand seiner Umgebung hinausgeblickt, weil sonst Heimatliebe leicht in Engstirnigkeit umschlägt.

Noch ein Feld hat Otto Wartner mit großem Engagement bearbeitet: Die mündliche und schriftliche Weitergabe seines heimatkundlichen Wis-sens und seiner heimatgeschichtlichen Forschungsergebnisse, nicht erst seit der Gründung des AK Heimat­ge­schichte Mitterfels 1994, aber auch hier mit sehr viel Überzeugung und großer Teamfähig­keit. Für den AK, in dem ja auch Neubürger, „Begierde-Mitterfelser“, gern gesehen sind, war Otto Wartner als ein exzellenter Kenner der Heimat eine Institution, ein Garant für den Bestand des AK und dessen Publikation, das Mitterfelser Magazin. Viele Jahre souveräner Herr der Kasse (glernt is glernt), dazu Ideengeber auch, eine der treibenden Kräfte im AK Heimatgeschichte: 29 Artikel insgesamt stammen aus seiner Feder, als Kenner der „Deutschen Schrift“ war er beim AK und auch bei anderen Projekten, z. B. der Archiverfor­schung für die Hiensölde geschätzt und als „Übersetzer“ gefragt.

Ein besonderes Erlebnis war Otto Wartners Vortrag am Festabend zur 200-Jahr-Feier der kath. Pfarrei Mitterfels für die Zuhörer, zeigte er doch, dass seriöse Heimatgeschichte auch spannend und unterhaltsam „rübergebracht“ werden kann.

Sein Meisterstück aber lieferte er mit den „Geschichten um das Dorf Grub, das seinen Namen herziehet aus dem Geschlecht der Scheubing“, der Erforschung seines Heimatdorfes Schei­belsgrub. Da begegnen wir wieder der Wartnerschen Akribie, einer (positiven) Besessenheit, ja keine Querverbindung, kein auffindbares Mosaiksteinchen zu übersehen, auch seinem Hang zur Statistik. Was diese Arbeit auszeichnet, ist, dass er es auch hier wieder verstand, die Mitmen­schen miteinzubeziehen in seine Forschungs­arbeit. Im Vorwort sagt er selbst: „Die Bereit­schaft, Schatten aufzuhellen und die Vorge­schichte wieder sichtbar zu machen, ist erstaunlich groß. Alle Scheibelsgruber, ohne Ausnahme, haben mir ihre Unterlagen wie Kataster, Grundbuch­auszüge, Notariatsurkun­den, Baupläne, Lichtbilder zur Verfügung gestellt.“

Für diesen Vertrauensbeweis hat Otto allen, sozusagen als Gegengabe, mit der Herausgabe seiner „Geschichte von Scheibelsgrub“ gedankt. Dass er auch da etwas in Sachen Interesse an der Heimat, ihrer Geschichte, ihrer Wurzeln bewegt hat, konnte man bei der Veranstaltung zum Erscheinen der heimatgeschichtlichen Arbeit im Gasthaus Gürster erkennen. Da traf sich ein Dorf, das noch ein Dorfleben hatte, da konnte man fühlen, dass die „Scheibelsgrouer“ stolz waren auf ihren Otto und auf die geschichtlichen Wurzeln, die er ihnen freigelegt hat. So war es auch klar, dass nur Otto Wartner den Festvortrag zur 400-Jahr-Feier des „Wirtshauses von Grub“, des jetzigen Reiterhofes Gürster, halten konnte, denn auch die Geschichte dieses Hauses hat er erforscht. Otto Wartner hat den Druck seiner heimatgeschichtlichen Nachforschungen seinen Scheibelsgruber Mitbürgern als Gegengabe gewidmet für ihre Bereitschaft, seine Forschungsarbeit zu unterstützen.

Die Bürgermedaille, die der Markt Mitterfels ihm verlieh, war auch eine Gegengabe, eine Gegengabe für das, was er für den Markt Mitterfels, für die Gemeinschaft des Heimatortes getan hat.

Und wenn man hinterfotzig denken würde, könnte man fast behaupten wollen, die Mitterfelser binden die Scheibelsgrouer mit ehrenden Auszeichnungen auf diese Weise ein, damit ihnen ja keine Separa­tions­bestrebungen hin zu einer erneuten Selbstständigkeit von „Scheibels“ in den Sinn kommen.

Otto ist wenige Tage nach seinem 95. Geburtstag am 13. Dezember 2014 verstorben. Die Marktgemeinde Mitterfels und die Vereine, bei denen er bis zuletzt aktiv tätig war - die Sektion Mitterfels des Bayerischen Wald-Vereins und der AK Heimatgeschichte Mitterfels - haben ihm viel zu verdanken.

 

Sein letzter Beitrag im Mitterfelser Magazin: "Vorenna kost di ned" [... mehr] ft


 

Bogener Zeitung am 23. Dezember 2014

Mitterfels. (erö) Er war ein Mensch, der sich seiner Heimat mit Verantwortung und Engagement in hohem Maß verpflichtet fühlte und das Leben in der Marktgemeinde Mitterfels auf seine liebenswürdige und immer interessierte Art entscheidend mitprägte, auch wenn er durchaus mit Kritik nicht zurückhielt: Wenige Tage nach seinem 95. Geburtstag starb Otto Wartner, Träger der Bürgermedaille Mitterfels, nach einer kurzen, schweren Krankheit.

Otto Wartner wurde im Dezember 1919 als eines von neun Kindern in Mitterfels/Scheibelsgrub in einem kleinen Bauernhof geboren. Nach sieben Jahren Volksschule begann für ihn mit 13 Jahren die Ausbildung zum Krankenkassenschreiber, mit 15 eine Lehrzeit bei der Sparkasse Mitterfels, von der er ab 1937 als Angestellter zur Bezirkssparkasse Bogen wechselte. Dann kamen ab 1939 Arbeitsdienst und Soldatenzeit. Der Kriegsdienst führte ihn bis nach Norwegen und nach Kriegsende in eine dreijährige, französische Gefangenschaft. Geheiratet hat er 1953 nach schweren Nachkriegsjahren. 61 Ehejahre mit seiner Ehefrau Franziska waren ihm gegönnt. Nach dem Tod der ältesten Tochter Johanna 2007 stehen Franziska Wartner Tochter Gudrun, Sohn Bernhard, sieben Enkel und ein Urenkel bei. Nach Lehr- und Weiterbildungsjahren bei der Sparkasse übernahm Wartner ab 1957 für 25 Jahre als Leiter der örtlichen Sparkasse in Mitterfels viel Verantwortung.

Schon sehr früh entwickelte Wartner eine tiefe Liebe zur Natur und Interesse an der Kultur seiner bayerischen Heimat und darüber hinaus, die er später in zahlreichen Diavorträgen von Wanderungen und Reisen weitergab. Daraus entstand auch sein Engagement im Bayerischen Wald-Verein in Mitterfels. 1963 belebte er ihn dort neu, führte ihn 21 Jahre lang als Vorsitzender und engagierte sich als unermüdlicher, ideenreicher Wanderführer und Erschließer neuer kultureller Schätze, auch in den Alpen.

Wartner war 1994 Mitbegründer des Arbeitskreis Heimatgeschichte Mitterfels, 26 Artikel im „Mitterfelser Magazin“ stammten bis 2013 aus seiner Feder, und er lieferte 2004 mit den „Geschichten um das Dorf Grub“, der Erforschung der Historie seines Heimatortes Scheibelsgrub, „sein Meisterstück“ ab, wie es Franz Tosch 2008 bei der Laudatio zur Verleihung der Bürgermedaille an Otto Wartner nannte.

Bis ins hohe Alter war Otto Wartner am liebsten wandernd unterwegs. Die Zahlen, mit denen er es sonst immer sehr genau nahm, seien aber da ganz unwichtig, sagte er „es zählt nur das unsagbare Glück das ich empfinde bei jedem Schritt, den ich gehen darf in unserer wunderschönen Welt“.

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