Haselbach
Eine Wirtin im (Un-)Ruhestand
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Auch nach der Betriebsübergabe an ihren Neffen steht Gunda Häuslbetz noch hinterm Tresen und in der Küche.
Denn das Wirtshaus war ihr Leben – und wird es immer sein.
Wer durch den Flügeltor-Eingang des Gasthauses Häuslbetz in Haselbach geht und den alten Gewölbeeingang betritt, den packt er sofort: der typische Wirtshausgeruch. Eine Mischung aus Schweinsbraten, Bier und Sauerkraut vom Vortag. Er versetzt einen zurück in eine Zeit, in der noch jedes Dorf sein Wirtshaus hatte. Wo an den Tischen noch geraucht, gestritten und manchmal auch gerauft wurde. Und wo der Stammtisch der zweitwichtigste Ort im Dorf war – nach der Kirche. Es ist Montagvormittag, zehn Uhr. Am Tisch neben dem Tresen sitzen Männer jenseits der 60 und lassen sich eine Halbe schmecken. Seniorenstammtisch-Zeit. Mittendrin: die Gunda – Wirtin und gute Seele vom Gasthaus Häuslbetz.
Wer in Haselbach ins Wirtshaus geht, der geht nicht „ins Wirtshaus“ oder „zum Häuslbetz“. Der geht „zur Gunda“. Die Gunda kennt jeder. In Haselbach, aber auch weit über die Dorfgrenzen hinaus. Sie mag es auch gar nicht gern, wenn man „Sie“ oder „Frau Häuslbetz“ zu ihr sagt. „Mit dem ‚Sie‘ hab ich’s net. Ich bin einfach die Gunda“, sagt sie gleich zu Beginn des Treffens mit unserer Redaktion und lacht dabei herzlich. Sie beginnt, von ihrem Leben zu erzählen. Einem Leben, das von klein auf von Arbeit geprägt war, und das ihr nicht viele Wahlmöglichkeiten geboten hat. Doch das findet sie nicht schlimm. Im Gegenteil. „Ich habe ein gutes, ein schönes Leben gehabt. Und habe es noch.“
Gunda ist Wirtin mit Leib und Seele, das ist ihr bei jedem Satz anzumerken. Sie ist gesellig, gschmatzig, gastfreundlich – und schlagfertig. Denn auch das gehört dazu, wenn man – vor allem als Frau – hinter einem Wirtshaus-Tresen seinen Mann stehen muss. Gunda lebt für ihre Gastwirtschaft und für die Menschen, die darin aus- und eingehen. Und selbst wenn die Küche schon lange geschlossen hat, ein Schnitzel kriegt man bei der Gunda immer. „Hungrig braucht mir keiner heimgehen“, sagt sie.
Gunda Häuslbetz ist jetzt 67 Jahre alt. Sie erinnert sich noch gut an ihre Kindheit. Sie und ihre Schwester Heidi müssen relativ früh in der Gastwirtschaft mithelfen, die seit Generationen in Familienbesitz ist. Mit neun Jahren bedient sie bereits oder hilft in der Küche mit. Das Kochen lernt sie von ihrer Mutter. Dass die beiden Schwestern einmal den elterlichen Betrieb weiterführen, steht außer Frage. Deshalb ist die junge Gunda nach Abschluss der Realschule auch nie in einen anderen Betrieb gegangen, sondern sofort im Wirtshaus der Eltern miteingestiegen. „Arbeit gab’s ja genug“, erzählt sie. Im Wirtshaus, in der Küche und auch in der hauseigenen Metzgerei. 1987 dann übergeben die Eltern den Betrieb an Gunda. Schwester Heidi bleibt weiter an ihrer Seite und hilft mit. Gemeinsam bewirtschaften sie das Gasthaus.
Immer Seite an Seite: Gunda Häuslbetz mit ihrer älteren Schwester Heidi Wimmer (l.). Ihr Tod war ein schwerer Schlag für sie. - Vergrößern durch Anklicken!
Ob sich der Wirtshausbetrieb im Laufe der Jahre verändert hat? „Unter der Woche geht nicht mehr so viel.“ Während früher auch unter der Woche öfter einmal auf eine Halbe ins Wirtshaus gegangen wurde, konzentriere sich jetzt alles mehr aufs Wochenende. Und dann muss Gunda Häuslbetz lachen, weil ihr noch etwas einfällt, das jetzt anders ist. „Früher wurde oft noch gerauft in der Gaststube.“ Sie weiß noch, dass ihre Mutter immer ein recht gutes Gespür dafür hatte, wenn sich an einem Tisch etwas zusammenbraute. „Gunda, räum die Glasl weg“, habe sie dann immer gerufen.
Diese Zeiten sind vorbei. Im Wirtshaus wird nicht mehr gerauft und auch ihre Schwester ist nicht mehr an ihrer Seite. Sie stirbt 2011. Völlig überraschend. Ein schwerer Schlag, von dem sich Gunda nur langsam erholt. Lange hadert sie damit. Fragt innerlich nach dem „Warum“. Doch mittlerweile hat sie Frieden geschlossen. Denn: „Meine Schwester ist zwar gegangen, aber sie hat mir etwas ganz Wertvolles hinterlassen: ihre Kinder.“ Ihr Neffe Hubert und ihre Nichte Ulrike sind an ihrer Seite – so wie es ihre Mutter auch war. Sie helfen im Wirtshaus, sind für Gunda da. Der Zusammenhalt ist groß in der Familie. Und so macht Gunda weiter, auch ohne ihre bessere Hälfte. Als ihr Neffe dann vor zwei Jahren sagt, dass er das Wirtshaus gerne übernehmen würde, ist die Freude groß. „Ich hab dann gleich Nägel mit Köpfen gemacht, damit er es sich nicht noch anders überlegt.“
Seit 2022 ist Gunda Häuslbetz offiziell Austrags-Wirtin. Hinterm Tresen und in der Küche steht sie trotzdem noch. Sie unterstützt ihren Neffen, so gut sie kann und ihre Gesundheit es zulässt. Die jahrzehntelange körperlich anstrengende Wirtshaus-Arbeit hat ihre Spuren hinterlassen. Ob sie in all den Jahren ans Aufhören gedacht hat? Oder auch den Wunsch hatte, etwas anderes in ihrem Leben zu machen? „Nein, nie“, sagt sie sofort. Auch wenn es den ein oder anderen Durchhänger gegeben habe. „Aber das Wirtshaus ist mein Leben. Ohne geht es nicht. Und ich mach’ solange weiter, bis ich nimma kann.“
Sie weiß, dass es nicht selbstverständlich ist, dass ihr Neffe den Familienbetrieb weiterführt. Denn die meisten jungen Leute wollen so eine Arbeit nicht mehr machen. Und sie könne es auch verstehen. „Die Jungen heutzutage legen Wert darauf, viel Freizeit zu haben. Die hast du mit einem Wirtshaus nicht.“ Es gebe kein Wochenende und manchmal Tage, die nie enden wollen. Das sei auch für sie nicht immer leicht gewesen. Vor allem in jungen Jahren. Denn damals wie heute gibt es nur wenige Wochen, in denen das Gasthaus komplett geschlossen ist.
Höhepunkt für Gunda war jedes Jahr eine Reise mit ihrer Schwester nach Südtirol. Dazu noch die ein oder andere Fahrt mit dem Frauenbund. Das ist alles, was sie sich an Freizeit gegönnt hat. Auch Hobbys hat sie keine. Braucht sie auch nicht. „Ich hab ja mein Wirtshaus.“ Auf die Frage, warum sie sich die harte Arbeit weiter antut, antwortet sie mit einem Lächeln und deutet auf die Tür, die vom Nebenzimmer zur Gaststube führt, und durch die Akkordeon-Musik, Männergesang und das Gemurmel der Gäste zu hören sind. „Deshalb“, sagt sie. „Deshalb mach i des. Ich mag einfach die Leut’, diese Geselligkeit. Des gibt’s sonst nirgends anders.“
Unsere neue Serie
Eine kleine Hommage
Die Zeiten, in denen jedes Dorf oder jede Gemeinde noch ein eigenes Wirtshaus hatte, in dem man sich auf eine Halbe, zum Karteln oder zum Politisieren treffen konnte, sind auch im Landkreis Straubing-Bogen längst vorbei. Und doch gibt es sie noch, die klassischen Dorfwirtshäuser, die seit Generationen in Familienbesitz sind, und die sich allen widrigen Umständen zum Trotz halten.
Dass das so ist, liegt an den Menschen, die hinter dem Tresen dieser Dorfwirtshäuser stehen. Die Wirtinnen und Wirte, die für ihre Gastwirtschaft und die Menschen, die dort aus- und eingehen, leben. Die kochen, Bier zapfen, sich auf einen Ratsch mit an den Stammtisch setzen und zuhören. Die kein Wochenende kennen. Die hart arbeiten, damit andere feiern können und selbst oft erst Feierabend haben, wenn das ganze Dorf schon schläft.
Für unsere Serie „Hinter dem Tresen“ treffen wir uns mit Wirtinnen und Wirten familienbetriebener Gasthäuser, die ihrem Wirtshaus ihr Leben verschrieben haben. Die eigentlich schon längst im Ruhestand sein dürften, aber trotzdem noch so gut es geht im Familienbetrieb mitwerkeln. Wir lassen sie erzählen von diesem Leben hinter dem Tresen, das Opfer verlangt und viele Facetten hat, schöne und nicht so schöne – eine kleine Hommage an diesen Berufsstand.
Verena Lehner/BOG Zeitung vom 3./4. Oktober 2024 (Gen. der Lokalredaktion)
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