"Am Hungertuch nagen" - Brauchtum: Fastentücher

fastentuchfreiburgEin jeder kennt den Ausdruck "am Hungertuch nagen" - doch wenige wissen, dass er auf den seit ungefähr tausend Jahren bezeugten Brauch zurückgeht, während der vierzigtägigen Buß- und Fastenzeit Altarbilder und Kreuze in den Kirchen mit Tüchern zu verhängen. Die schönsten erhaltenen Exemplare aus dem Spätmittelalter und der frühen Neuzeit entfalten in unzähligen neben- und untereinander gereihten Bildfeldern die biblische Passionsgeschichte, aber auch Begebenheiten aus dem Alten Testament, die mit dem Leiden Jesu in Beziehung gesehen wurden.

Freiburger Fastentuch

 

millsttter_fastentuch_gefangennahmeDie Ursprünge dieser liturgischen Behänge für die Fastenzeit liegen in den sogenannten "Passionstüchern" beziehungsweise "Passionsvela", um vor Ostern Gegenstände auf dem Altar, wie Kreuze, Reliquienschreine und Bilder zu verhüllen. Diese Objekte waren oftmals in Gold und anderen kostbaren Materialien ausgeführt, deren strahlenden Glanz man in der ernsten Zeit im Kirchenjahr verdeckte.

Milstätter Fastentuch (wikimedia/commons): Detail: Gefangennahme Christi im Garten Getsemani

In den 40 Tagen zwischen Aschermittwoch und Karfreitag sollten die Gläubigen aber auch enthaltsam leben. Auch der Gedanke des Teilens mit den Armen kommt in der österlichen Bußzeit noch deutlicher in den Focus. Eine Einstellung, die gerade jetzt durch die Wahl eines neuen Papstes in der katholischen Kirche aktueller denn je ist. Der frühere Kardinal von Buenos Aires, Jorge Bergoglio, der jetzige Papst Franziskus I. wurde in seiner Heimat Bischof der Armen genannt. (Quelle: nach Internetseite der Erzdiözese Wien)

Wiederkehr einer alten Tradition

Fastentücher oder Hungertücher waren früher während der Fastenzeit in vielen Kirchen zu finden. Nachdem die reich bebilderten Stoffbahnen im 19. Jahrhundert fast völlig außer Gebrauch kamen, erleben sie seit einigen Jahren eine neue Renaissance. Auch bei der alljährlichen MISEREOR-Fastenaktion ("Brot für die Armen der Welt") verwenden Kirchengemeinden das Hungertuch, um sich in der Fastenzeit und darüber hinaus mit drängenden Themen der sozialen Gerechtigkeit auseinanderzusetzen.

grosses_zittauer_fastentuch_1472_geisselung_jesu_wFastentücher mit künstlerischem Wert

Zittau besitzt noch zwei dieser sakralen Textilien. Sie sind sogar deutschlandweit einmalig und locken alljährlich rund 35 000 Besucher in die Stadt am deutsch-tschechisch-polnischen Dreiländereck. Längst ist der Blick auf die beiden kostbaren Tücher aus dem Mittelalter nicht mehr nur in der Fastenzeit möglich. Das Große Fastentuch von 1472 wird seit 1999 dauerhaft in der in der Museumskirche zum Heiligen Kreuz ausgestellt. Das Kleine Fastentuch von 1573 fand 2005 seinen ständigen Platz im ehemaligen Franziskanerkloster.

 

>>> Hier finden Sie Internetseiten zu diesem Thema:

[... Zittauer Fastentücher]

[... Erzdiözese Wien - Wiederkehr einer alten Tradition]

[... Misereor-Hungertuch]

[... Bericht münchner merkur]

[... Wissenswertes zum Thema bei wikipedia]

 

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