Bairisch 2. Wüsta, hott und wüa

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Keine Systematik, sondern eine zwanglose Aneinanderreihung

Zum Foto: Für die Richtungsangaben der Zugtiere früher gab es eigene und eindeutige Kommandos in unserer Mundart.  . . .

... Sollte das Gespann nach links gehen, hieß das Kommando wüsta. Solle es nach rechts, hieß es hott. Sollten die Tiere sich in Bewegung setzen, rief man wüa. Sollten sie stehen bleiben, rief man jou oder eju.

 

Vorbemerkungen:

Es wird hier keine vollständige Sprachkunde oder Grammatik dargeboten; dies würde den Rahmen sprengen. Auch handelt es sich bei den aufgezeigten Merkmalen um keine Systematik, sondern um eine zwanglose Aneinanderreihung.

Ausgehend von eigentümlichen Wörtern des vorgestellten Dialogs werden einige Eigenheiten unserer Mundart etwas betrachtet und diese Eigenheiten durch weitere Beispiele untermauert. Die vorgestellten Beispiele stellen keine vollständige Auflistung dar. Wer die Mundart nicht genau kennt oder beherrscht, sollte aber keineswegs die vorgestellten Eigenheiten auf beliebige Wörter übertragen, er würde sich mit Sicherheit blamieren.

Eine lautgetreue Schreibweise gibt es nicht; mit dem Alphabet ist nur eine der Aussprache angenäherte Schreibweise möglich.

01 Grüaß God

ü wird oft zu üa: Grüß Gott - Grüaß Good; Hüter - Hüata;  Brüder - Brüada; wüst - wüast; müssen - müassen; Rüpel - Rüape; mühsam - müasam; Tür - Tüa; für - füa; müd - müad; blühen - blüan; rühren - rüahn; führen - füahn; brühen - brüahn; lügen - lüagn; Fürst - Füascht;

02 woartns

a wird häufig zu oa: Arm - Oam; warten - woartn; Karte - Koatn; Garten - Goatn; schwarz - schwoaz; warm - woam; Mark (Grenze) - Moa; Karren - Koarn; Pfarrer - Pfoarra;

03 mia

Die Laute „ir”, „ier”, „ie” werden oft zu „ia”: mir - mia; vier - via; Wirt - Wiat; Bier - Bia; Knie - Knia; Hirt - Hiat; Zier - Zia; Gier - Gia; Geschirr - Gschia; Kirche - Kiacha; Pirsch - Piasch; Hirsch - Hiasch; First - Fiast; Pfirsich - Pfiasich;

04 woaß

Der ei-Laut wird zu oa: Ich weiß - i woaß; heiß - hoaß; du meinst - du moanst; einer - oana, Gemeinde - Gmoa; Meister - Moasta; kein - koa; weinen - woana; Stein - Stoa; Rain - Roa, ein Laib Brot - a Loa Brout; Weide - Woad; Zeiger - Zoaga; bleichen - bloacha; weich - woach; Teig - Doag; der Reifen - da Roaf; Seife - Soafa.

05 Daloabit

Die Vorsilben „er”, „ver”, „zer” werden zu „da”. Diese Vorsilbe gibt es nur in unserer Sprache, sie klingt nicht nur radikal, sondern verstärkt den Wortinhalt in Richtung Radikalität und Totalität. Beispiele: erschlagen - daschlogn; ertränken - dadränga; zertreten - datren; ertrinken - dadringa; erdrücken - dadrugga. Dazu gehören Ausdrücke, die in der Schriftsprache keine Entsprechung haben mit der gleichen Aussagekraft; etwa: darenna, dawerfa, daschnaufa, dapacka, daziangn, dawutzln, dastessn, daknoutschn. Dazu ein persönliches Erlebnis: In meinem zweiten Dienstjahr als Lehrer saß vor mir in der ersten Bank ein Erstklassler mit stark laufender Nase. Alle paar Sekunden „zog” er mit einem kräftigen „Schnaufa” den Katarrh wieder hoch. Meinen Hinweis auf die Benützung  eines Taschentuchs beantwortete er so: „I brauch koan Schneizhodern net, i daziahgs scho no bis zu da Pause.”

Das Ausgangswort „daloabit” hat der Bürgermeister in die Schriftsprache mit „erleibelt” übersetzt. Das Wort gibt es so nicht; es zeigt sich hier vielmehr die Fülle der Mundart, die Vorgänge mit einfachen Worten sehr genau und treffend beschreiben kann, die im Hochdeutschen eine längere Umschreibung erfordern würden, wollte man eine parallele Aussage machen.

06 hoit und Schwoarzndoi

a wird zuweilen zu oi: halt - hoit; Tal - Doi; kalt - koit; alt - oid, zahlen - zoihn; Kalk - Koich; falsch - foisch; Hals - Hois; fallen - foin; Falten - Foitn; Wald - Woid; bald - boid; Ball - Boi; Stall - Stoi; Malz - Moiz; Falz - Foiz; Schmalz - Schmoiz.

07 oba oder owa und auffi

Bei dieser Gelegenheit soll gleich das ganze Kapitel der Richtungsangaben etwas genauer beleuchtet werden. Die Mundart unterscheidet nämlich genauer als die Umgangssprache oder das Schriftdeutsche. Ob es owa oder owi, auffa oder auffi heißt, entscheidet der Betrachter, d. h. auf die Blickrichtung kommt es an.

Beispiel: Der Vater steht unter dem Kirschbaum, der Sohn sitzt im Geäst; der Vater sagt: „Bua, steig owa (herunter)”. - Vater und Sohn sitzen im Geäst des Baumes; der Vater sagt: „Bua, steig owi (hinunter).” Ähnlich genau sind die anderen Richtungsangaben: auffa = herauf, auffi = hinauf; zuara = her, zuari = hin.

„Kimm nocha” (komm nach), sagt der Vorausgehende mit Blickrichtung nach hinten; „laaf nochi” (lauf nach), befiehlt der Vater dem Sprößling z.B. bei einer Wanderung, wenn dieser zum Vorausgehenden aufschließen soll.

Herent = herüben, drent = drüben; herentahoj (herüberhalb, diesseits) des Baches steht der Wanderer, drentahoj (drüberhalb, jenseits) ist sein Ziel. Will der Wanderer ans andere Ufer, so geht er auf dem Steg umi (hinüber). Steht er am anderen Ufer, so ruft er dem Kameraden zu: „Geh uma (herüber).”

Ausse = hinaus, aussa = heraus, eine oder eini = hinein, eina = herein. Bei plötzlich einsetzendem Regen ruft die Mutter den Kindern im Hof zu: „Gehts herei und schpuits (spielt) herinnad (herinnen) weida.” Dieses herei hat Aufforderungscharakter, ist als Befehl anzusehen und übertrifft das einfache Wort eina in der Aussagekraft erheblich.

Das schriftdeutsche „durch” erscheint im Dialekt in zwei Formen, eben aus der Sicht des Betrachters. Beispiel: Zwei Buben wollen durch ein Loch in der Stadelwand schlüpfen; stehen sie davor, so wollen sie duachi, ist einer schon durch, so ruft er dem anderen zu: „Kimm duacha!” - Eine andere Situation: Zwei Autos haben so nahe hintereinander geparkt, dass das hintere nicht auf die Straße ausscheren kann. Ein freundlicher Helfer steht zwischen den Fahrzeugen und fordert den Fahrer des ersten Autos auf: „Fahr an Meta viere (vor), dann ko der ander viera (vor).” So feine Unterschiede und doch so aussagekräftig! So ist eben nur unser Dialekt, im Schriftdeutschen fehlt hierfür zuweilen eine Parallele.

Zum Schluß noch die Unterscheidung one und wegga. „Loan d’ Loata i d’ Maua one” heißt: „Lehn die Leiter an die Mauer!” „Tuas wieda wegga”, bedeutet: „Tu sie wieder weg!”

08 Zuba

Die Endsilbe er wird zu a: Zuber - Zuba; wieder - wieda; Lehrer - Lehra; Kater - Koda; Vater - Vadda; Mutter - Muadda; Keiler - Keila; Pfarrer - Pfoarra; Wecker - Wecka; Schmuser - Schmusa; Händler - Handla; Käfer - Käfa; Schuber - Schuba; Zehner - Zehna; Kinder - Kinda.

09 hou

o wird oft zu ou: hoch - hou; Not - Nout; Kot - Kout; Brot - Brout; rot - rout; froh - frouh;

10 a Saustoj

Das unbestimmte Geschlechtswort „ein” wird zu „a”: ein Haus - a Haus; ein Hof - a Hof; ein Gockel - a Gickal; ein Bub - a Bua; ein Hund - a Hund; ein Star - a Starl; ein Reh - a Reh; ein Baum - a Baam; ein Kind - a Kind;

11 da Burgamoasta

Das bestimmte Geschlechtswort „der” wird zu „da”: der Bürgermeister - da Burgamoasta; der Hund - da Hund; der Baum - da Baam; der Bauer - da Baua; der Zug - da Zug; der Sepp - da Sepp.

12 host mi

a wird oft zu o: Haben Sie mich verstanden - host mi; Wasser - Wossa; Bach - Boch; Schaf - Schof; Pflaster - Pflosta; Nase - Nosn; schlafen - schloffa; kannst du - kost du; Wagen - Wogn; Spatz - Spotz; Apfel - Opfe; Dach - Doch; fragen - frogn; sagen - sogn; Kasten - Kostn.

13 koi Zejgl net

Eine Eigentümlichkeit unserer Mundart ist die doppelte Negation. Mit dieser zweifachen oder gar dreifachen Verneinung soll ein „Nein” oder „Nicht” dem Gesprächspartner in aller Deutlichkeit vor Augen geführt werden. Beispiele: nia net, niamois net, neamad net, goa nia nix, da hot no nia neamad nix gmoant.

14 da arm Deife, da arm

Eine ähnliche Verdopplung finden wir auch bei Anreden und Beschimpfungen, oder wenn eine Eigenschaft einer Person besonders hervorgehoben werden soll. Beispiele: Du meineidiga Lump, du meineidiga! Du langweiliga Badda (Pater), du langweiliga! Du Depp, du! Du gscherte Sau, du gscherte! Du Hanswurscht, du! So a bravs Hundal, so a bravs! Du zahnada Hoizfuchs, du zahnada! So a hintafotziga Bruada, so a hinterfotziga! So a greislicha Besn, so a greislicha (= abwertendes Urteil über eine Frau)!

15 gej

Eine Spezialität unserer Mundart ist die Floskel gej, im Schriftdeutschen gell. Dieses gej dient der Bekräftigung einer Aussage oder Feststellung und wird meist nur gegenüber Leuten gebraucht, mit denen man per Sie verkehrt. Beispiele: „Sie san net vo da, gej?” „Gej, heut hamma a scheens Weda?” „Sie bsuachen uns scho wieder, gej?”

16 sched

Dieses sched hat verschiedene Bedeutungen. Bei einem Schwimmer schaut sched (nur) der Kopf aus dem Wasser. „Sched (im Augenblick) hamma vo dia gredt.” „Sched (gerade mal) oan Oansa (Einser) hoa da Bua im Zeugnis ghot.” „Boisd zun Begga gehst, wiafst sched (beiläufig, auch gleich) den Brejf in Postkostn!”

17 drom, ham

Die Silben „ben” und „den” am Wortsende werden häufig zu m bzw. n zusammengezogen: droben - drom; Graben - Grom; Boden - Bon; haben - ham; heben - hem; neben - nem; geben - gem; reden - ren; schneiden - schnein; schreiben - schreim; reiben - reim.

18 dennert, dennat

Auch dieser Mundartausdruck findet im Hochdeutschen keine genaue Entsprechung. Am ehesten könnte man dieses Wort „dennat” mit „aber doch schon” übersetzen. Der Dialekt gebraucht dieses Wort zur Bekräftigung einer Aussage. Beispiele: Der is dennat ganz narrisch!   = Der ist wohl ganz verrückt! Di soi dennat da Deife hoin! = Dich soll doch der Teufel holen! Der hot dennat an sechan Rausch, daßa de zwejf Apostl füara  Räubabande oschaugt.

19 macha

Die Endsilbe „en” wird vielfach zu „a”: machen - macha; rauchen - raucha; raufen - raffa; Rechen - Recha; decken - decka; singen - singa; winken - winga; ringen - ringa; bringen - bringa; schnaufen - schnaufa; kaufen - kaffa; laufen - laffa; Ofen - Ofa; Rahmen - Rahma.

20 isa

Als letzte Eigentümlichkeit (bei dieser Abhandlung) unserer Mundart - auch in anderen Dialekten gibt es das - ist die Zusammenziehung von Zeitwörtern mit dem Fürwort zu einem neuen Wort zu nennen. Beispiele: isa = ist er; samma = sind wir; hamma = haben wir; konna = kann er; hota = hat er; kennas = können sie.

Dies war nun beileibe keine vollständige Aufzählung aller Eigenheiten unserer Mundart. Es sollte nur angedeutet werden, dass unser Dialekt sehr klangvoll und sehr bildhaft ist. Haben Sie - wieder??? - Gefallen gefunden an unserer Mundart?

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