Über die Bedeutung des Brauchtums

Gespraechsrunde Brauchtum w

Foto: Gesprächsrunde in der Hien-Sölde (Herbert Becker)

 

Gesprächsrunde des AK Heimatgeschichte Mitterfels

„Brauchen wir noch Bräuche?“ Dass diese Frage viele bewegt, zeigte die große Zahl von Teilnehmern an der Diskussion, die am vergangenen Montag in der Hien-Sölde stattfand. Eingeladen hatte der Arbeitskreis Heimatgeschichte Mitterfels e.V., und gekommen waren gut dreißig Personen. Keiner der Anwesenden erwartete eine eindeutige Antwort, doch das verhinderte nicht, dass es zu einem lebhaften Gedankenaustausch kam, bei dem ganz unterschiedliche Aspekte des Themas beleuchtet wurden.

Das Wort „Brauchtum“ unterliegt einem starken Bedeutungswandel. Zu allen Zeiten aber war klar, dass ein Einzelner kein Brauchtum pflegen kann; dazu bedarf es einer Gesellschaft. Ein großer Teil unseres Brauchtums entstammt der bäuerlichen Kultur; als sich diese im späten 18. Jahrhundert durch die einsetzende Industrialisierung aufzulösen begann, kam vieles von dem, was den Menschen über Jahrhunderte hinweg als selbstverständlich erschienen war, abhanden. Auch der Nationalsozialismus trug zum Verschwinden von Althergebrachtem bei. So galten Volkslieder, die vor dem Zweiten Weltkrieg noch zum allgemeinen Kulturgut gehört hatten, danach als ideologisch belastet. Durch die Vereinzelung der Menschen, die mit der fortschreitenden Computertechnik einhergehen, verlieren sich weitere soziale Strukturen, die Voraussetzung für das Überleben von Bräuchen sind. Und dass religiöses Brauchtum in einer immer säkulareren Welt in hohem Maß verloren geht, ist unvermeidlich.

Zwar versuchen Vereine – etwa Trachten-, Gesangs- und Heimatvereine – Tradition und Brauchtum zu bewahren, doch ihren Bemühungen fehlt mitunter der Bezug zu dem gesellschaftlichen, historischen oder religiösen Hintergrund, aus dem heraus sich die Bräuche entwickelt haben. Das Ergebnis ist nicht selten ein reiner Folklorismus.

Freilich entstehen immer wieder ganz neue Bräuche. Genannt wurden unter anderem die Umzüge an Halloween, das Bewerfen des Hochzeitspaares mit Reis, das Anbringen von Schlössern an Brückengeländern, doch man war sich darin einig, dass den meisten dieser Bräuche die Verwurzelung in der heimischen Tradition fehlt und sie daher eher kurzlebig sind.

Trotz all dieser negativen Aspekte stimmte die Runde darin überein, dass dem Brauchtum nach wie vor von eine große Bedeutung zukommt und dass bei weitem nicht alle Bräuche obsolet geworden sind. Mit dem Aufstellen von Maibäumen beweisen dörfliche Gemeinschaften Jahr für Jahr ihr Zusammengehörigkeitsgefühl, die Zahl der Hoagärten, bei denen man eng aneinander rückt, nimmt zu - und die Zahl der Gruppen, die sich zusammengeschlossen haben, um Theater zu spielen, ist kaum irgendwo so groß wie in unserer Region.

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