Deutsche Geschichte
Absturz eines US-Bombers in Unterholzen/Haselbach am 16. Februar 1945. Gedenkfeier
Rückblick: "In einer internationalen Feierstunde wird am 13. Juli 2013 der Toten gedacht"
Die Gemeinde und die Pfarrei Haselbach sowie eine Reihe US-amerikanischer Persönlichkeiten werden am 13. Juli der Einweihung eines schlichten Gedenksteins für sieben bei Unterholzen zu Tode gekommene US-Bomberbesatzungsmitglieder beiwohnen. Im Vorfeld des Ereignisses sind Presseberichte im "NBC-Washington-Newsletter" und in der Zeitung "The Citizen", Georgia, erschienen, die das "memorial" in Haselbach hervorheben und der abgestürzten US-Air-Force-Mitglieder gedenken.
In einer Zeit, da die Luftstreitkräfte über unbemannte Flugkörper diskutieren, unser Land in die Drohnen-Debatte und in Geheimdienstdebakeln verwickelt ist, wird der kommende Tag des Gedenkens an das Ereignis des Absturzes eines bemannten US-Flugzeuges vom 16. Februar 1945 in Unterholzen eine Reihe von Fragen aufwerfen: Wieso kam der amerikanische Flugzeug-Gigant in das idyllische Gefilde des Bayerischen Waldes? Warum war der viermotorige US-Bomber B-24 Liberator überhaupt abgestürzt? Was haben die Leute am Ort des Gedenkens in Unterholzen bei Haselbach beim Absturz erlebt? Wie lauten ihre Berichte? Was ist vonseiten der US-Familienangehörigen der Abgestürzten beziehungsweise der Überlebenden, die am Gedenken teilnehmen, zu erfahren?
Eine B-24 Liberator war meist mit zehn Besatzungsmitgliedern unterwegs. Zu oberst des Flugzeugs die Pilotenkanzel mit Pilot, Copilot und Radio Operator, die beim Absturz in Haselbach in ihren Sitzen verbrannten. In der vorderen Glaskanzel am Bug saßen Navigator, Bombardier und Gunner. Sie waren abgesprungen, doch ihre Fallschirme öffneten sich nicht. (Foto: USAAF)
Öffentliches Gedenken
Die Frage, wie sich nach sechs Jahrzehnten die Idee zu diesem öffentlichen Gedenken entwickelt hat, ist nicht weniger spannend. Der Bogner Arzt Thomas Kammermeier steht seit langem in Kontakt mit einer einst in Regensburg immatrikulierten amerikanischen Medizinstudentin namens Tracy Popey. Die ehemalige Stipendiatin ist als Militärärztin in Ramstein stationiert, entschloss sich bei Aufenthalten im Bayerischen Wald, einen Feriensitz für ihre Familie in Unterholzen bei Haselbach zu kaufen, und erfuhr, dass die angrenzende Wiese die Absturzstelle eines US-Bombers gewesen war. Als Mitglied der US-Air Force ging sie der Sache nach, fand die Angehörigen der überlebenden und der verunglückten Mitglieder der abgestürzten Crew und stellte Kontakte her.
Auf einem Wiesengrundstück in Unterholzen ging der Bomberkoloss nieder. Heute steht hier ein Gedenkstein mit den Namen der sieben Toten des Flugzeugabsturzes (Foto links: Helmut Erwert - rechts: Franz Tosch)
Ein zweiter Umstand führte zur Entstehung jenes an der AbsturzsteIle errichteten Gedenksteins, der am 13. Juli eingeweiht werden wird. Eine Woche nach dem Flugzeugabsturz nämlich war der 1945 noch jugendliche Steinmetzgehilfe Alfons Deser mit dem Fahrrad an dem Trümmerfeld des Flugzeugwracks vorbeigekommen. Die Tragödie der zu Tode gestürzten blutjungen US-Burschen ging ihm nicht aus dem Gedächtnis, sahen sie sich doch ihrer militärischen Sendung verpflichtet und bezahlten dafür mit ihrem Leben. Deser fühlte sich an die eigene Zwangslage erinnert, fasste, zusammen mit seinem Bruder Leopold, den Entschluss, den Opfern ein Steinmetzdenkmal zu stiften. Seit 2012 steht dieses Denkmal an der Zufahrt zu dem Grundstück, auf dem der Bomberkoloss niedergestürzt war.
Historische Studie
In einer umfangreichen historischen Studie, die in den Ausgaben 19/2013 und 20/2013 des "Mitterfelser Magazins" abgedruckt wird, kann der Leser die Last-Minute-Aktion der recherchierten Details zu diesem Absturz nachlesen.
Alle erreichbaren Zeitzeugen und Quellen wurden befragt, alle schriftlich niedergelegten Zeugnisse einbezogen, eine umfangreiche Korrespondenz mit Familienangehörigen der verunglückten Fliegerbesatzung geführt, die die bisher unbekannte Erkenntnisse aus der Perspektive der anderen Seite einbringt. Der Sohn des Bordmechanikers (Flight Engineer) Owrie V. Brown, die Tochter des Bordschützen (Armorer-Gunner) Allen A. Honey, deren Väter überlebten, sowie der Bruder des in der Flugzeugkanzel verbrannten Piloten Unterleutnant (2nd Lt.) William Bruce Lyon haben dem Verfasser ihre Berichte mitgeteilt.
Das würdige Gedenken an die Verunglückten sowie die historische Recherche dazu stellen kein unbedingt gewöhnliches Ereignis dar, da sich hier ehemalige Feinde über den Gräbern die Hand reichen. Die deutschen Zeitzeugen, damals im Kindes- oder Jugendalter, wissen von ihren Ängsten, als sie die Bomberströme über sich am Himmel und die kreisenden US-Tiefflieger mit ihren Bordwaffen sahen, die alles niedermähten, was sich am Boden bewegte.
Zehn Minuten vor dem Absturz hatte der bei Unterholzen verunglückte viermotorige Bomber B-24 Liberator selbst tödliche Bomben abgeworfen. Die Leute in Mitterfels und Haselbach hatten die schweren Detonationen gehört, wussten, dass sie viele Zivilisten das Leben kosteten. Nun wurden die Männer der Bomberbesatzung, die sich mit dem Auftrag unterwegs sahen, eine barbarische Tyrannei zu besiegen, selbst zum Opfer.
Viele Puzzleteile
Historische Forschung ist ein Puzzle voller Spannung, handelt es sich hier doch um einen regionalen Ausschnitt der globalen Ereignisse des Zweiten Weltkriegs. Manch erstaunter Zeitgenosse wird voll Neugier fragen: Wie kam der amerikanische Bomber in das idyllische Gefilde des Bayerischen Waldes?
Am Anfang des Bombenkrieges starteten alle alliierten Bomber von großen Flugfeldern in Südengland aus, hatten einen limitierten Operationsradius, der gerade mal bis Regensburg reichte. Als die US-Amerikaner 1943 in Italien Fuß fassten, richtete die hier operierende 15. Air Force große Flugbasen in Süditalien ein, schaffte sich damit eine neue Basis für Bomberangriffe, deren Radius bis Prag, bis zu den Ölfeldern von Ploesti und auch bis in den Bayerischen Wald reichte.
Die 783. Bomberstaffel der 465. Bombergruppe, der unsere Unglücksmaschine angehörte, war auf einem riesigen Flugfeld in Pantanella Air Base/Süditalien stationiert gewesen, das insgesamt nicht weniger als 140 viermotorigen Bombern Stellplätze bot. Täglich stiegen dort schwere Bomberverbände ins Feindesland auf.
Am 5. Februar 1945 war von dort ein Verband mit schweren viermotorigen B-17 und B-24-Bombern in den Raum Regensburg unterwegs, verirrte sich bei geschlossener Wolkendecke über Straubing, ließ irrtümlich seine Bombenlast von 476 Stück Fünf-Zentnerbomben und 8 Stück Zehn-Zentnerbomben über der Stadt niedergehen. (Vgl. Helmut Erwert: Feuersturm, Zigarettenwährung und Demokratie, Attenkofer-Verlag Straubing, S. 74-80). Für den 16. Februar 1945 verzeichnet eine historische Untersuchung von Peter Schmoll (vgl. Peter Schmoll: Luftangriff - Regensburg und die Messerschmittwerke im Fadenkreuz 1939-1945, S. 184-188 f., 231 f.) von dort einen weiteren US-Fliegerangriff Richtung Regensburger Flugplatz mit der Teilnahme von insgesamt 263 B-24-Bombern.
Mission Bomberpulk
Teil jenes Bomberstromes war die 465. Bombergruppe mit ihren 33 viermotorigen B-24-Liberator-Bombern. Sie kreuzte über die Adria, flog über Pola Richtung Laibach ins Reichsgebiet ein mit Ziel Obertraubling, begleitet von zahlreichen Jagdmaschinen (P-38 und P-51). Im Raum Regensburg herrschte seit 12.20 Uhr Fliegeralarm. Vom Radargerät der Regensburger Flak wurde die Flughöhe der Bomber mit 7000 bis 8000 Metern angegeben. Das Hauptziel, der Fliegerhorst Obertraubling, konnte wegen des guten Wetters klar angepeilt werden, die dort geparkten 56 deutschen Me 262-Düsenjäger konnten wegen des vorhergehenden Regenwetters und des aufgeweichten Rollfeldes nicht aufsteigen, was "erstmals" zur Folge hatte, dass "die Begleitjäger der US-Luftwaffe zu zahlreichen Tieffliegerangriffen übergingen" (Schmoll).
Absturzursache nicht sicher
In unterschiedlicher Höhe flogen die Bomberflotten in Formation über Feindesland. Die Zeitzeugen sahen die Staffeln aus Richtung Regensburg über der Gegend von Haselbach, als plötzlich eine der Maschinen zu brennen anfing und ausscherte. (Foto: USMF)
Die Bomber Group warf in drei Wellen (attack units) ihre Bomben über Obertraubling ab, zerstörte die meisten Düsenjäger am Boden. Umliegende Gemeinden meldeten große Schäden und einige Bombentote. Der Flakabwehr gelang es, ,,2 Feindbomber und 1 Aufklärer vermutlich" abzuschießen, was angesichts der Gesamtzahl der US-Flugzeugriesen einen Abschusserfolg von 0,7 Prozent darstellte. Ohne Quellenbezug registriert Schmoll an anderer Stelle den Absturz eines viermotorigen Bombers "in Unterholzen, Gemeinde Dachsberg im Ldkr. Bogen", wobei er ,,7 tote und 2 gefangene Besatzungsmitglieder" verzeichnet, Flurschäden durch Splitterbomben unter anderem in den Ortschaften Dachsberg anführt, erwähnt an anderer Stelle den Absturz eines Bombers "bei Haselbach im Landkreis Straubing" (Schmoll, S. 188).
Irrigerweise zählte Schmoll den einen Absturz bei Unterholzen/Haselbach gleich doppelt. Der "Narrative Mission Report/16. February 1945/Headquarters 465th Bombardment Group" und alle Zeitzeugen bestätigen, dass es nur eine Maschine war, die "im Umkreis des Zieles in Verlust" geraten und "nördlich von Straubing" abgestürzt war. Offen lässt Schmoll, ob der Absturz durch Flakeinwirkung bedingt war. Die amerikanischen Stabsstellen vermeldeten, dass das später abgestürzte Flugzeug unter einem anderen Bomber geflogen war, der ebenso Probleme mit dem Abwurf seiner Bomben hatte. Unverhofft lösten sich von dort einige Sprengkörper, durch die fallenden Bomben wurde die darunter fliegende Unglücksmaschine getroffen. Ein bis fünf Fallschirme seien beobachtet worden.
Diese Version wird durch die Aussagen der geretteten Männer des abgestürzten Flugzeugs bestätigt. Der Flugzeugmechaniker (Flight Engineer) Owrie V. Brown bezeugte, er habe versucht, einige eingeklemmte Bomben über dem Zielgelände Obertraubling zu lösen, als plötzlich eine Bombe auf die Maschine fiel und einen Flügel abriss ("blowing off one wing"). Der überlebende Bordschütze Allen A. Honey schilderte, dass Bomben im Schacht der eigenen Maschine klemmten. Er schaute nach, ob er helfen könne, sah Owrie Brown im Bombenschacht, als es plötzlich einen lauten Knall gab, die B-24 mit voller Kraft in die Tiefe tauchte, ein Flügel dabei abriss ("one wing down"). Das Flugzeug verlor an Höhe, die Leute an Bord fühlten sich wie gewichtlos (vgl. E-Mails von Gerry Brown, 09.05.2013, Anne Honey Richmond, 10.05.2013, 21.05.2013). Durch das Drehen und Schlingern des Flugzeugs wurde der Bordschütze Honey gegen die Wand gedrückt, orangefarbene Flammen schossen im hinteren Mittelbereich hoch, was Honey als Explosion des Haupttreibstofftanks oder anderer Treibstoffbehälter deutete. Eingeklemmte Splitterbomben an Bord explodierten, rissen weitere Tankzellen auf, entzündeten den ausströmenden Treibstoff.
Der überlebende Flight Engineer Owrie V. Brown (links) konnte sich mit dem Fallschirm retten, wurde nach seiner Befreiung Flugkapitän einer US-Verkehrslinie. Sein Sohn Gerry (rechts) folgte dem Vater im Beruf als Flugkapitän nach. Er wird bei der Gedenkstunde in Haselbach anwesend sein. (Foto: G. Brown)
Am Rücken liegend, konnte der Bordschütze den linken Arm nicht bewegen. Nach einigen Versuchen gelang es ihm, den Ring des Fallschirms einzuhängen und mit dem Fallschirm abzuspringen (vgl. Mitteilung von Anne Honey Richmond, 21.05.2013).
Vier der Kollegen von Brown und Honey, die entweder hinausgeschleudert wurden oder etwas später den Flieger verließen, sprangen in den Tod, da ihr Fallschirm nicht funktionierte. Die beiden Flugzeugführer und der Funker versuchten, die trudelnde Maschine auf den Boden zu bringen, fanden kurz vor oder kurz nach der Notlandung in der Kanzel der Maschine den Flammentod.
>>> (Ein zweiter Teil folgt)
Quelle: Helmut Erwert, in: SR-Tagblatt vom 6. Juli 2013, Seite 26
Helmut Erwert, in: Mitterfelser Magazin 19/2013, Seite 170
Ein ausführlicher Bericht mit vielen Archivunterlagen im Mitterfelser Magazin 20/2014
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