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Vor 60 Jahren: Am 28. Dezember jährte sich die Aufstellung der Adlerplastik am Salzstadel von Straubing
Ein Adler lernt fliegen
Am 28. Dezember 1954 fand an der Donau beim Salzstadel eine seltsame Aktion statt: Angehörige der amerikanischen Besatzungsmacht hievten gemeinsam mit Mitarbeitern der Straubinger Bauverwaltung und unter Anwesenheit des Polizeichefs einen tonnenschweren Adler aus nationalsozialistischer Zeit auf die sogenannte Bastion.
Unter „mords Getöse“ wurden am Vormittag des 28. Dezember 1954 die einzelnen Teile des steinernen Vogels mit Hilfe zweier Kräne auf den Pfeiler gehoben. (Stadtarchiv Straubing, Allgemeine Fotosammlung, Fotosammlung 110-30/1/2/2)
Dieses Rondell mit einem Durchmesser von 12,60 Metern war im Rahmen der Hochwasserschutzmaßnahmen entstanden, die man seit 1936 entlang der Donau im Straubinger Raum durchgeführt hatte. Es sollte den Deichbauten eine repräsentative, städtebaulich prägende „Abrundung“ geben, genau an der Stelle, an der die Donau der Stadt am nächsten kommt.
Das Rondell war zudem als „Sitz“ einer großen Adlerfigur geplant, die auf einem 5,35 Meter hohen Pfeiler zusammen mit einem Hakenkreuzrelief auf die Größe nationalsozialistischer Macht verweisen sollte. Bei der Gründung des Deutschen Reiches 1871 war der einköpfige Adler des Königreiches Preußen zum Wappentier bestimmt worden. Er entwickelte sich zum nationalen Symbol, das auch vom Weimarer Staat und dann von den Nationalsozialisten als „Hoheitszeichen des Reiches“ übernommen worden war.
So wurde im Mai 1941 der Münchner Bildhauer Fritz Schmoll genannt Eisenwerth (1883 bis 1963) vom Kulturbauamt Deggendorf beauftragt, eine „Plastik (Hoheitsadler) in Donaukalkstein für die Bastion des Schöpfwerkes Straubing zum Preise von 10000 RM“ anzufertigen. Schmoll meißelte einen sieben Tonnen schweren, 2,90 Meter hohen und 1,75 Meter breiten Adler, signiert mit „FSgE“ und den Jahreszahlen „1941/42“.
Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hatten sich die Arbeiten an den Straubinger Deichbauten wegen Mangels an Arbeitskräften und Baustoffen jedoch verlangsamt und wurden schließlich 1943 ganz eingestellt. Das Rondell war zwar bereits fertig, der aus Granitsteinen aufgemauerte Pfeiler mit der Grundfläche von 1,83 mal 1,50 Metern aber erst 2,33 Meter hoch. Zur Aufstellung des in München wartenden Adlers kam es nicht mehr.
Die Plastik überstand den Krieg zunächst in München, dann im Bauhof des Wasserwirtschaftsamtes in der Vogelau. Erst neun Jahre nach Kriegsende erinnerte man sich wieder an die Figur.
Nach Zeitzeugenberichten soll der Polizeikommandant Peter Bauer – ein Sozialdemokrat, der 1933 wegen seiner politischen Einstellung aus dem städtischen Polizeidienst entlassen und bei Kriegsende von den Amerikanern als Polizeichef eingesetzt worden war – die Aufstellung am vorgesehenen Platz initiiert haben. Beteiligt waren auch das städtische Baureferat unter Franz Xaver Feichtmeyer und die amerikanische Besatzungsmacht mit dem „Motorpool“ und dem „Heavy-Equipment-Pool“. Es handelte sich hierbei um Abteilungen mit deutschen Fachkräften unter Leitung des amerikanischen Militärs.
Unter Mordsgetöse
Unter „mords Getöse“ wurden schließlich am Vormittag des 28. Dezember 1954 die einzelnen Teile des steinernen Vogels mit Hilfe zweier Kräne auf den Pfeiler gehoben.
Mit einem 5-Tonnen-Kran wurde der Adler Stück für Stück hochgehoben und unter Assistenz zahlreicher Fachleute auf das Podest gesetzt.
Das „Straubinger Tagblatt“ berichtete über die spektakuläre Aktion: „Obwohl der Adler vom Wasserwirtschaftsamt der Stadt kostenlos zur Verfügung gestellt wurde, wäre es ohne die großzügige Hilfe der amerikanischen Stellen, vor allem von Major Cheney Engr. und CWO Lawson … nicht möglich gewesen, den Transport und die Aufstellung zu bewerkstelligen. Mit einem 10-Tonnen-Abschleppwagen waren vor den Feiertagen die schweren Steinquader vom Hofraum des Wasserwirtschaftsamtes, wo sie jahrelang gelagert waren, zur Bastion befördert worden. Dort wurde ein Teil der Umfassungsmauer eingerissen, um dem Kran die Auffahrt in das Innere der Bastion zu ermöglichen. Am gestrigen Vormittag wurde das große Werk in Angriff genommen. Mit einem 5-Tonnen-Kran auf einem 8-Tonnenwagen … wurde durch die deutschen Fahrer Karl Biederer und Günther Dünnebier Stück für Stück hochgehoben und unter Assistenz zahlreicher Fachleute … auf das Podest gesetzt. Nach mehrstündiger Arbeit stand der Adler auf seinem ihm längst zugedachten Platz und schickte seinen Blick dräuend in die Ferne, wie es sich für einen Nibelungen-Adler geziemt.“
Die Stadt Straubing hat mit der Bastion ein Bauwerk mit typisch nationalsozialistischen Kunstwerken - neben dem Adler befindet sich dort auch noch das Relief eines pflügenden Bauern von Hans Vogl aus dem Jahr 1941, das ebenfalls erst nach dem Krieg angebracht worden ist. Aber: Sie kann die seit den Deichneubauten der 1980er Jahren als Hochwasserschutzbau überflüssig gewordene Bastion und vor allem den auf ihr thronenden Adler stehen lassen, ohne sich rechtfertigen zu müssen: Haben doch ein von den Nationalsozialisten verfolgter Sozialdemokrat und die amerikanische Besatzungsmacht selbst die Aufstellung der Adlerplastik, dieses charakteristischen monumentalen Zeugnisses des „Dritten Reiches“, initiiert und durchgeführt.
Auch in Regensburg war beispielsweise der für die 1938 eingeweihte Adolf-Hitler-Brücke vorgesehene Reichsadler erst 1950 auf der nunmehrigen „Nibelungenbrücke“ aufgestellt worden. Hier hatten aber „die alten Seilschaften aus der NS-Zeit“ mitgewirkt - das „Adlerungetüm“ wurde schließlich 2001 beim Neubau der Nibelungenbrücke entfernt.
„Nach mehrstündiger Arbeit stand der Adler auf seinem ihm längst zugedachten Platz und schickte seinen Blick dräuend in die Ferne, wie es sich für einen Nibelungen-Adler geziemt“, schrieb damals das Straubinger Tagblatt.
Der Straubinger Adler ist hingegen eine kuriose Erinnerung an die Nachkriegszeit, an den pragmatischen Umgang mit nationalsozialistischem Erbe: Man sah den Reichsadler nicht mehr als nationalsozialistisches Machtsymbol, sondern interpretierte ihn als „Nibelungenadler“ und „sehenswertes Steinbildnis“ oder, wie es die Regierung von Niederbayern 1959 formulierte: Man gab der „Anlage für den Hochwasserschutz im Stadtbild der Stadt Straubing einen würdigen und bildlich schönen Anschluss“.
Die Intention der Kunstwerke, des „Hoheitsadlers“ und des Reliefs „Pflügender Bauer“, darf trotzdem nie vergessen werden. So dient die Bastion am Herzogsschloss zweierlei Zwecken. Sie ist für Spaziergänger ein Aussichtspunkt über die Donau. Sie ist aber zugleich Mahnmal für eine dunkle Epoche deutscher Geschichte.
Quelle: Dr. Dorit Krenn, in: Bogener Zeitung vom 27. Dezember 2014 (zeitversetzte Übernahme des Beitrags aufgrund einer 14-tägigen Sperrfrist)
Literaturhinweis
Dorit-Maria Krenn, Die „Bastion“ - ein Baudenkmal aus nationalsozialistischer Zeit an der Donau in Straubing, in: Jahresbericht des Historischen Vereins für Straubing und Umgebung 107 (2005), Straubing 2006, S. 267 - 286.
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