Mitterfels
Gut leben in Mitterfels (7) - Bruder-Konrad-Werkstätte und historische Hien-Sölde
„Die Menschen hier leisten Fantastisches“ - Arbeiten und Bilden für 201 Menschen mit Behinderung in Bruder-Konrad-Werkstätten
Wie die Vorfahren im 15. Jahrhundert gelebt haben - Fertigstellung der ehemaligen Hien-Sölde im Sommer – Dank Förderverein seit 2006 Sanierung
Ich lebe gern in Mitterfels ... Alois Bernkopf
Über 70 Mitarbeiter bestücken in der Logistikabteilung Verbandstaschen für Autos. Einrichtungsleiter Schmidt (Zweiter von links) schaut ihnen dabei zu.
„Die Menschen hier leisten Fantastisches“ - Arbeiten und Bilden für 201 Menschen mit Behinderung in Bruder-Konrad-Werkstätten
Seit 1990 gibt es die Werkstätten der Katholischen Jugendfürsorge (KJF) im Markt Mitterfels. Die Arbeitsstätte für Menschen mit Behinderung aus dem östlichen Landkreis Straubing-Bogen wurde im Luftkurort neu gebaut, weil die erste KJF-Produktionsstätte in Straubing aus allen Nähten platzte. Inzwischen sind die Bruder-Konrad-Werkstätten mit 180 Arbeitsplätzen am Ort und 21 an der Außenstelle Hermannsberg Aushängeschild und größter Arbeitgeber in der Marktgemeinde.
Den Fleiß der Mitarbeiter bei der Fertigung von Schlauchleitungen loben Gruppenleiter Bernhard Obermeier (stehend rechts) und Werkstättenchef Schmidt.
"Wir bieten Arbeitsplätze und Bildung unter einem Dach, wir sind Lebensraum für die Mitarbeiter", skizziert Manfred Schmidt, der seit neun Jahren die Leitung der Einrichtung innehat, die Bedeutung der Behinderten-Werkstätten. Diese firmieren seit 2009 als gemeinnützige GmbH, in der 29 Angestellte in Mitterfels und sieben in Hermannsberg ihr täglich Brot verdienen.
"Wir sind gut belegt, nehmen aber immer noch auf", berichtet Manfred Schmidt. Menschen mit geistiger und körperlicher oder psychischer Erkrankung, die nach einem Eingangsverfahren und zweijähriger Förderung einen wertvollen Arbeitsplatz haben, blühen in den KJF-Werkstätten auf, bekommen Selbstwertgefühl und Lebensfreude vermittelt.
Besonders spezialisiert sind die Mitterfelser KJF-Werkstätten auf Menschen mit neurologischen Erkrankungen, etwa mit Schädelhirntraumata nach einem schweren Unfall oder nach einem Schlaganfall. Sehr begehrt sind die landwirtschaftlichen Arbeitsplätze an der Außenstelle in Wiesent, wo sich noch ein Bildungshaus befindet.
95 Prozent der Mitarbeiter fahren morgens von verschiedenen Wohngruppen oder direkt von zu Hause aus mit Werksbussen zur Arbeit. "Einige aus Mitterfels und Umgebung kommen auch mit dem Rad oder Auto. Wir haben auch verheiratete Paare in der betreuten Belegschaft", weiß Manfred Schmidt, der sich als Einrichtungsleiter darum kümmert, dass genügend Aufträge vorhanden sind.
Vor allem auf dem Dienstleistungssektor sind die KJF-Werkstätten aktiv. Ineiner großen Küche werden täglich 600 Essen zubereitet, die an Firmen und die Straubinger Werkstätten ausgeliefert werden. Zweiter großer Arbeitssektor ist eine Wäscherei, die täglich 3,5 Tonnen Wäsche für Krankenhäuser und Altenheime säubert und bügelt.
Erika Zollner hängt eine Hose zum Dampfbügeln auf. 46 Mitarbeiter sind in der Wäscherei beschäftigt.
Die technische Fertigung produziert Zulieferteile für die auto- und kunststoffverarbeitende Industrie. Die meisten Mitarbeiter sind in der Logistik- und Montageabteilung beschäftigt, wo derzeit Verbandstaschen für die Autoindustrie hergestellt und bestückt werden. Einige behinderte Mitarbeiter haben auch in der Verwaltung und Haustechnik ihren Platz.
"Die Menschen hier leisten Fantastisches", lobt Manfred Schmidt. Es komme nicht darauf an, wie schnell ein Mitarbeiter sei, sondern wie genau und exakt er die an ihn gestellten Anforderungen erfülle.
"Unser Leistungsgrad ist sehr hoch. Entsprechend gut sind unsere Mitarbeiter entlohnt. Mit durchschnittlich 380 Euro im Monat verdienen sie etwa doppelt so viel wie in anderen deutschen Behindertenwerkstätten", weiß Schmidt.
Die Mitterfelser Behinderten-Werkstätten erhalten einen Tageskostensatz von der Agentur für Arbeit, vom Bezirk, von der Rentenversicherung oder den Berufsgenossenschaften. 70 Prozent der aus den Aufträgen erwirtschafteten Einnahmen müssen an Löhnen ausgeschüttet werden, 30 Prozent fließen in eine Lohnrücklage und werden für Investitionen verwendet.
Zu den Verdienstmöglichkeiten für die 201 Mitarbeiter während des 8-Stunden-Tages kommen noch bildende und begleitende Maßnahmen im musischen, kreativen und sportlichen Bereich. "Wir haben unter anderem Kochgruppen, Nordic-Walking-Gruppen, eine Tanzgruppe und sogar einen eigenen Chor", berichtet der Werkstättenleiter.
Faschingsfeier, Sommer- und Bruder-Konrad-Fest oder Adventfeier bringen Abwechslung in den Produktions-Alltag. Zusätzlich können die Mitarbeiter an Begegnungstagen oder einwöchigen Begegnungsaufenthalten teilnehmen. "Viele Mitarbeiter bleiben bis zum Renteneintritt bei uns", berichtet Manfred Schmidt. Ein Beweis dafür, dass die Werkstätten nicht nur Arbeitsplatz, sondern ein gerne aufgesuchter Lebensraum sind.
Quelle: Max Strasser, in: SR-Tagblatt vom 23. März 2013, Seite 24
Wie die Vorfahren im 15. Jahrhundert gelebt haben - Fertigstellung der ehemaligen Hien-Sölde im Sommer – Dank Förderverein seit 2006 Sanierung
Als im Mai 2006 der "Freundeskreis Historische Hien-Sölde" durch 22 Gründungsmitglieder mit Maria Birkeneder an der Spitze ins Leben gerufen wurde, war die Erleichterung groß. "Damit kommen wir mit der Rettung der historischen Hien-Sölde einen wichtigen Schritt voran", erklärte damals Bürgermeister Heinrich Stenzel. Es gehe um Sanierung und Erhalt eines bedeutenden Erbstücks der Marktgemeinde aus dem 15. Jahrhundert.
So sah die Westansicht des Baudenkmals vor Beginn der Sanierung aus.
Die Meinungen der Mitterfelser waren jedoch geteilt. Neben zahlreichen Stimmen, die den Erhalt des nachweislich ältesten Blockbaues in Niederbayern begrüßten, herrschte auch Unmut über das aufwändige Sanierungsprojekt. Inzwischen sind fast sieben Jahre vergangen und die Hien-Sölde ist weitgehend saniert.
Noch im Sommer soll das bedeutende Denkmal eingeweiht werden. "Die Hien-Sölde ist ein echtes Agenda-Projekt", betont Maria Birkeneder, die als Agenda-Beauftragte schon seit Jahren das Augenmerk der Öffentlichkeit auf die Bedeutung des historischen Hauses lenkt. Nach genauen Untersuchungen des Landesamtes für Denkmalpflege im März 2005 sei die Überraschung groß gewesen, als sich herausstellte, dass Teile des Hauses aus der Zeit von 1436 stammen.
Der Besuch von Generalkonservator Professor Dr. Greipl machte den Mitterfelsern Mut. "Ein Förderverein muss gegründet werden, um das Gebäude für die nachfolgenden Generationen zu erhalten." Als Bau, der auf den Schultern der "kleinen Leute" entstand, sei das Haus für die Orts-geschichte besonders wichtig, hatte Greipl erklärt.
Deutlich ist die ehemals offene Feuerstelle in der Stube zu sehen.
Inzwischen ist diese große Aufgabe weitgehend gemeistert. Das Dach wurde komplett erneuert, die Decke zum Dachboden gedämmt, der rückwärtige Stall musste abgerissen werden, um Platz für sanitäre Einrichtungen zu schaffen. Auch die Heizung ist eingebaut, Haustür und Fenster sind restauriert und eingesetzt.
Als Nächstes bekommen die Holzdecken innen ihr endgültiges Aussehen, die bestehenden Putzschichten der Innenwände werden gesichert oder neu mit Lehmputz versehen und zuletzt mit Kalkfarbe gestrichen. Dabei wird darauf geachtet, dass der historische Zustand auch nach der Restaurierung sichtbar bleibt. Viele Ausgrabungen im Inneren sowie dendrochronologische Untersuchungen brachten neue Erkenntnisse über die Geschichte des alten Hauses, das kurzzeitig eine Schule und bis in die 1990er Jahre bewohnt war.
Auch das Thema "Nutzung" ist weitgehend geklärt: Einige Räume werden vermietet, die Stube soll unter dem Motto "was haben unsere Vorfahren früher hier gemacht" unter Einbeziehung des benachbarten Seniorenheims neu belebt werden. "Hier könnte gestrickt und genäht, altes Handwerk vorgestellt, nach alten Rezepten gekocht und gebacken oder gemeinsam gespielt und musiziert werde", meint man beim Freundeskreis. "Wir wollen zeigen, wie unsere Vorfahren gelebt haben", so Freundeskreisvorsitzende Birkeneder.
Der AK Heimatgeschichte informierte sich über die Hien-Sölde.
Der Kernbereich des alten Hauses umfasst eine breite Flez mit großer Vorderstube, zwei hintereinander liegende Kammern sowie gegenüber zwei weitere Stuben. Wenn erst einmal das Gerüst entfernt ist, der Lehmputz einen weißen Anstrich erhalten hat, wenn Fensterläden und Steintreppe ihren angestammten Platz wieder bekommen haben, wird man sehen, was für ein stattliches Haus die Hien-Sölde bis heute geblieben ist. Sie war mit Sicherheit nie ein einfaches Waldlerhaus. Wer sich vor Ort ein Bild vom Baufortgang machen möchte, hat jeden letzten Samstag im Monat dazu Gelegenheit. Dann ist die Hien-Sölde von 10 bis 12 Uhr geöffnet.
Quelle: Elisabeth Röhn, in: SR-Tagblatt vom 23. März 2013, Seite 24
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