AK Heimatgeschichte Mitterfels e.V.
Mitterfels. Bewegende Feier zum Gedenken der Opfer des Flossenbürger Todesmarsches
Auf dem Friedhof von Mitterfels wurde mit einer Trauerfeier an die Opfer des Todesmarsches von Flossenbürg erinnert. (Foto: ft/erö)
„52 Menschen ließen hier ihr Leben“
Seit zehn Jahren steht unter alten Bäumen auf dem Friedhof von Mitterfels ein Felsstein aus dem Perlbachtal mit einer Bronzetafel und den Namen von 24 Naziopfern, die auf dem Weg vom KZ Flossenbürg durch Mitterfels den Tod fanden. Nun wurde in einer Gedenkstunde und unter großer Anteilnahme der Bevölkerung der Opfer des Todesmarsches gedacht.
Errichtet wurde der Gedenkstein vom AK Heimatgeschichte und der Sektion Bayerischer Wald-Verein Mitterfels. 70 Jahre nach Kriegsende werden auch in Mitterfels diese Erinnerungen an den Todesmarsch wieder wach, und in einer bewegenden Gedenkstunde und unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wurde der Opfer gedacht. Elisabeth Fuchs gestaltete die Feier mit „klagender und anklagender“ Musik auf der Querflöte, die dem Anlass sehr gerecht wurde.
„Die blutige Spur der Nazischergen hat sich auch durch Mitterfels gezogen“, sagte Bürgermeister Heinrich Stenzel. Er spannte den Bogen von den Gräueln der Nazizeit bis heute: In Europa herrsche seit 70 Jahren Frieden, „aber wir sollten diejenigen nicht vergessen, die heute unter gewalttätigen Regimen leiden, auf der Flucht sind und unmenschliche Strapazen ertragen müssen“. Mitterfels werde in wenigen Wochen 80 Flüchtlinge aufnehmen. „Mein Wunsch ist es, dass wir diese Menschen bei uns willkommen heißen und offen auf sie zugehen.“
Niemand durfte helfen
Vor 70 Jahren habe niemand helfen dürfen. „Heute können wir etwas tun“, betonte Stenzel. Wie das tonnenschwere Gewicht des Steines laste die Schuld auf dem deutschen Volk, sagte Martin Graf vom Bayerischen Wald-Verein. Er stellte Fragen, die schwer zu beantworten sind: „Wie konnte es so weit kommen? Wer waren diese Mörder ...? Warum spielte Mitgefühl keine Rolle? Warum überlebte Hitler alle Attentate?...“ An alle richtete sich Grafs letzte Frage: „Ob es hilft, in sich hineinzuhorchen?“
Vieles, was damals geschehen ist, entzieht sich nach wie vor jeglichem menschlichen Vorstellungsvermögen, erklärte die Historikerin Elisabeth Vogl in einem Rückblick auf die Geschichte des KZ Flossenbürg und die Todesmärsche im April 1945. Himmler habe den Befehl gegeben, dass kein Häftling lebend in die Hände der Alliierten fallen sollte. Von 16 000 Häftlingen hätten nur 2 500 das KZ Dachau erreicht. Insgesamt 52 Menschen mussten in Haselbach und Mitterfels ihr Leben lassen. „Namenlose“ habe sie Pfarrer Eigenstetter bei der Trauerfeier in Haselbach im Juli 1945 genannt.
Zwei Stunden nach dem Todesmarsch durch Haselbach seien die Amerikaner gekommen. „Je mehr wir wissen und je mehr wir bereit sind, über diese Geschehnisse nachzudenken, umso mehr verringert sich die Gefahr, dass sich Derartiges wiederholen kann“, betonte Elisabeth Vogl. Zu diesem Wissen gehören auch die Berichte von Zeitzeugen, die verlesen wurden. Pfarrer Konrad Seidl, damals ein kleiner Bub, erinnerte sich an Schüsse aus Richtung „Kirchholz“, an blutbefleckte Erde, an Särge, in die jeweils zwei Tote gelegt wurden. Sigurd Gall berichtete von zahllosen, grausamen Einzelheiten und von der Zeitzeugin Maria Foidl, die in Wolferszell als Zehnjährige miterlebte, wie ein Gefangener mit einem Genickschuss hingerichtet wurde.
Die Opfer seien von den Folterknechten zu bloßen Nummern degradiert worden. Täter wie Heinrich Himmler, späterer SS-Reichsführer und Chef der Gestapozentrale in Berlin, lassen sich dagegen namhaft machen, erklärte der Theologe und Historiker Professor Dr. Karl Hausberger. Himmlers Hinterlassenschaft in Bayern sei das KZ Dachau gewesen, ein „Musterlager“, das auch zur Ausbildung von SS-Wachmannschaften diente und über dem Eingang den zynischen Spruch trug „Arbeit macht frei“.
Trauerfeier an die Opfer des Todesmarsches vom KZ Flossenbürg
Unermessliches Leid
Als Theologe fühle er sich gegenüber dem unermesslichen Leid, mit dem die zwölf verbrecherischen Jahre des sogenannten Dritten Reiches weite Teile Europas überzogen haben, ohnmächtig, gestand Hausberger. Die abgrundtiefen Verbrechen entzögen sich einer theologischen Deutung. Sie mahnten zum Schweigen, einem Schweigen, „das still werden lässt, um das Reden eines anderen zu hören, das sich an alle Menschen, auch an die Namenlosen richtet“.
Mit einem Porträt von Pastor Dietrich Bonhoeffer beschloss Diakon Walter Peter die Feier. Bonhoeffer wurde kurz vor Kriegsende im KZ Flossenbürg hingerichtet. Das von Bonhoeffer hinterlassene, gemeinsam gesungene versöhnliche Gedicht und Lied „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ beendete die Feier.
Quelle: Elisabeth Röhn
Vorbericht
Zwischen zwei mächtigen Bäumen auf dem Mitterfelser Friedhof steht der schlichte Granitstein, der mit einer Bronzetafel an die Opfer der Todesmärsche aus dem KZ Flossenbürg erinnert. Errichtet wurde der Gedenkstein im Jahre 2005 vom AK Heimatgeschichte und dem Bayer. Wald-Verein Mitterfels zusammen mit der Marktgemeinde und den beiden christlichen Pfarrgemeinden.
Nach einem Himmler-Befehl 1945 aus Berlin sollte kein Häftling des KZ Flossenbürg lebend in die Hände der Alliierten fallen. Mitte April 1945 begannen so auch in Flossenbürg die Evakuierungen und die „Todesmärsche“ in Richtung KZ Dachau. Als Verpflegung gab es etwas Brot, ein Handvoll Korn oder gar nichts. Häufig wird berichtet, dass die Häftlinge vor Hunger auch Grasbüschel aßen oder sich auf verfaulte Rüben stürzten. In ihrer dünnen zerschlissenen Kleidung wurden die geschwächten Menschen im meist nasskalten Aprilwetter von der Wachmannschaft brutal vorangetrieben. Jeder, der nicht mehr weiter konnte, wurde von den SS-Männern der Begleitmannschaft erschossen oder mit dem Gewehrkolben erschlagen. Entlang dieser Todesstrecken, meist Nebenstraßen, wurden in der Oberpfalz, in Nieder- und Oberbayern später über 5.400 Tote registriert. Insgesamt dürften es etwa 7.000 gewesen sein, da viele nachträglich an den Strapazen starben. Im Gemeindegebiet Haselbach wurden 28, in der Gemeinde Mitterfels 24 Häftlinge ermordet. Dies berichtete Guido Scharrer im Mitterfelser Magazin 11/2005. In diesem Jahresband berichteten auch viele Zeitzeugen, die am 25. April 1945 die Häftlinge aus dem KZ Flossenbürg auf ihrem Marsch durch Haselbach und Mitterfels beobachtet hatten, über ihre schrecklichen Erlebnisse.
Die Häftlinge, die im Gemeindegebiet Mitterfels ums Leben kamen, wurden zunächst nur notdürftig begraben, im Mai 1945 auf dem Mitterfelser Friedhof feierlich beigesetzt, 1958 exhumiert und auf den KZ-Friedhof Flossenbürg umgebettet. Weil das 1945 errichtete Ehrenmal verschwunden war, wurde – wie berichtet – 60 Jahre nach dem tragischen Geschehen ein neuer Gedenkstein errichtet.
In diesem Jahr, 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, 70 Jahre nach den KZ-Todesmärschen und 10 Jahre nach Errichtung des Gedenksteins laden der AK Heimatgeschichte Mitterfels und die Sektion Mitterfels des Bayer. Wald-Vereins zusammen mit der Marktgemeinde und den beiden christlichen Pfarrgemeinden die Bevölkerung am Montag, 27. April – 19 Uhr, zu einer Gedenkstunde auf dem Mitterfelser Friedhof ein. Es soll der geschundenen Opfer jenes Todesmarsches durch Haselbach und Mitterfels gedacht werden, aber auch ein Zeichen gesetzt werden gegen jede Gewalt, wo immer auf der Welt.
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