1000 Jahre Geschichte um Mitterfels - 53 a P. Johann Nepomuk Straßmaier
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Vor gut 830 Jahren tauchte der Name Mitterfels das erste Mal in einer Urkunde auf; Gschwendt im Kinsachtal kann auf 900 Jahre zurückblicken; vor 960 Jahren übernahmen die Grafen von Bogen den östlichen Donaugau von den Babenbergern; Metten, im Jahre 766 gegründet, rodete zu Füßen der schützenden Bergkette zwischen Vogelsang und Hirschenstein . . . über 1000 Jahre interessante Geschichte, in die wir in halbmonatlich wechselnden Kapiteln eintauchen.
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P. Johann Straßmaier SJ (1846-1920) - Ein weltbekannter Keilschriftforscher aus Hagnberg
Das kleine Hagnberg bei Mitterfels, in dem der spätere bekannte Sprachwissenschaftler und Assyriologe P. Johann Nepomuk Straßmaier, Mitglied des Jesuitenordens, am 15. Mai 1846 zur Welt kam, gehörte damals noch zur Pfarrei Hunderdorf. Der Vater bewirtschaftete in dem Weiler einen Bauernhof, den er von seinen Vorfahren überkommen hatte, die schon seit Generationen als einfache Bauersleute auf dem Hof saßen. 1833 hatte der Vater Johann Straßmaier die Müllerstochter Theresia Pirkl aus dem nahen Gaishausen in der Pfarrkirche zu Hunderdorf geheiratet, wo nun auch der Sohn von Kooperator Johann B. Ott auf den in der Familie üblichen Namen Johann Nepomuk getauft wurde. Später gab der Vater den Hof in Hagnberg auf und zog Ende des Jahres 1865 nach Inderbogen, heute Gemeinde Neukirchen.
P. Straßmaiers Heimat, das Einzelgehöft Hagnberg am Südhang überm tiefen, quellenreichen Graben; einst war es "von Hagen und Zäunen umfangen".
Der junge Johann Nepomuk ging zunächst in die Schule nach Hunderdorf, wo man schnell auf den überdurchschnittlich begabten Buben aufmerksam wurde. Mit elf Jahren kam er 1857 in das Bischöfliche Knabenseminar der Diözese Regensburg, das vom Kloster Metten geführt wurde, und erfuhr dort in acht Schuljahren eine strenge, gründliche und umfassende Ausbildung. Briefe aus seinem Nachlass belegen, dass er zeit seines Lebens dieser Schule und seinen ehemaligen Lehrern besonders verbunden war, allen voran dem Schulgründer und Seminardirektor P. Utto Lang, dem späteren Abt des Klosters.
Er begann als 32. unter 72 Mitschülern und erreichte in den Gymnasialklassen den 2. bis 4. Fortgangsplatz. Seine Zeugnisse sprechen durchwegs von "sehr guten" und "ausgezeichneten" Leistungen, darunter auch im Schönschreiben, das ihm später gerade beim Kopieren der Keilschrifttexte besonders zugutekommen sollte. Im August 1865 legte er mit der Platzziffer 4 unter 28 Mitschülern seine Absolutorialprüfung in Metten ab und erreichte insgesamt das Prädikat „1 - sehr gut". Zum ordentlichen Lehrstoff, der selbstverständlich Latein, Griechisch, Deutsch, Französisch, Mathematik, Geschichte und Geographie im Abitur umfasste, gehörten noch folgende Lehrgegenstände, die ein Schüler des Bischöflichen Knabenseminars daneben betrieb: Hebräisch, Englisch, Italienisch, Zeichnen, Kalligraphie, Stenographie, Musik- und Gesangsunterricht. Jämmerlich nimmt sich dagegen der Kanon des heutigen gymnasialen Lehrplans aus.
Da er offensichtlich Weltpriester werden wollte, trat er im Herbst desselben Jahres in das Priesterseminar der Diözese Regensburg ein, wo er noch im Oktober und November die niederen Weihen erhielt. Doch ganz überraschend verließ er am 23. November 1865 das Priesterseminar, um in das Noviziat der Jesuiten einzutreten, das sich damals in Gorheim bei Sigmaringen befand. Nach Abschluss dieser Ausbildung wurde er am 30. März 1867 im Dom zu Münster zum Subdiakon geweiht. 1868 begann er im Kolleg der Jesuiten zu Maria Laach sein dreijähriges Philosophiestudium, das allerdings durch seine ambulante Krankenpflege in mehreren Fronthospitälern während des deutsch-französischen Krieges unterbrochen wurde. Nach den Zeugnissen, die auf der Rückseite von den Ärzten unterschrieben sind, "zeigte er eine bemerkenswerte Liebe, Verehrung und Hingabe an die Kranken". Nachdem er bis zuletzt wundbrandige Soldaten gepflegt hatte, wurde er am 17. Februar 1871 entlassen. Im Mai 1872 erhielt er für seinen Krankendienst eine Medaille und eine Urkunde für seine treue Pflichterfüllung.
Als er am 19. Juli desselben Jahres die Diakonatsweihe in Maria Laach erhielt, zeichneten sich bereits die dunklen Schatten des von Bismarck geführten Kulturkampfes ab, der ein gesetzliches Verbot des Jesuitenordens im deutschen Reichsgebiet zur Folge hatte. Das Kolleg Maria Laach wurde aufgelöst und nach Ditton Hall in Lancashire in England verlegt. P. Straßmaier ging nicht mit den ersten Emigranten dorthin, sondern kam zunächst erst für die Jahre 1872/73 nach Alost in Belgien, erst anschließend nach Ditton Hall, um sein Theologiestudium abzuschließen. Am 24. September 1876 wurde er zu St. Beuno zum Priester geweiht. Mit dem Terziat in Portico, nicht weit von Ditton Hall, schloss er seine lange Studienausbildung als Jesuit ab. Kaum hatte er sein Doktorat mit Auszeichnung erworben, finden wir ihn seit 1877 mit geringen Unterbrechungen bis zu seinem Tode in London, zu einem Zeitpunkt, als sich die assyriologische Abteilung des Britischen Museums immer mehr Ansehen in der Welt verschaffte. London wurde ihm nun zur neuen Heimat. Gut vorbereitet begann er hier sein Lebenswerk. Schon als Gymnasiast hatte sich P. Straßmaier mit den orientalischen Sprachen beschäftigt. Seine Schreibhefte, die sich erhalten haben, zeigen umfangreiche Übungen in Hebräisch, Ägyptisch, Arabisch, Persisch und anderen morgenländischen Sprachen. Weit über zwanzig Sprachen beherrschte er. Unverständlich war ihm, wenn ein Mitarbeiter nicht gleichbegabt war. Nach einem fachlichen Gespräch mit einem Wissenschaftler äußerte er einmal auf seine Art: "Der Esel kann nicht einmal Arabisch."
Mit dem Kopieren und Übertragen der im Britischen Museum aufbewahrten umfangreichen Keilschrifttafeln der Assyrer hatte er sich ein großes Ziel gesetzt. Tausende von Inschriften, brieflichen Nachrichten und Gesetzestexten warteten auf eine Übertragung in eine lesbare und praktikable Form zur Auswertung, denn die stets wechselnden, bald senkrecht, bald quer laufenden, aneinander gehängten Zeichen von Keilen und Pfeilspitzen sind für den gewöhnlichen Leser keineswegs leicht aufzulösen. Eine weitere Schwierigkeit ist, dass die Keilschrift zum Teil eine Begriffsschrift ist, die Bildzeichen anstelle von Lautzeichen anwendet, ähnlich wie das Chinesische. Gewisse Stellungen von Keilen können nicht nur bestimmte Silben ausdrücken, sondern auch einige umfassendere Vorstellungen. Die mühsame Arbeit einer solchen Umschrift ist unbedingte Voraussetzung für eine nähere Beschäftigung mit den Texten. Mit umso mehr Schwierigkeiten ist ein Übertragen der Inschriften verbunden, wenn es sich um so komplizierte Gegenstände wie astronomische Tabellen und Tafeln handelt.
Doch vornehmlich um solche Texte ging es P. Straßmaier. Sein wissenschaftliches Ansehen gründete sich gerade auf den Erfolg, mit dem er die Keilschrifttexte kopierte und umsetzte. Mit seltener Geschicklichkeit und Genauigkeit übertrug er eigenhändig die Keilschriftzeichen und bereitete sie für den Steindruck vor. Eine besonders glückliche Hand bewies er bei der Auflösung und Zergliederung der angehäuften Pfeilspitzzeichen in einzelne Wörter, Namen und Daten. Gar viel hängt bei diesem Kopieren von der richtigen Abtrennung der einzelnen Bilderzeichen ab. P. Straßmaier entwickelte gerade hierfür ein ausgeprägtes Gespür und kombinatorischen Scharfsinn. Die in der Gymnasialzeit geübte Schönschrift kam ihm dabei besonders zu Hilfe. "Seine Kopien sind die besten, die jemals gemacht wurden", urteilte ein Fachmann, Dr. Wallis Budge, der Direktor der ägyptischen und assyrischen Altertümer im Britischen Museum.
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Seit 1875 suchte P. Straßmaier täglich den Benützerraum im Britischen Museum auf. Er kam pünktlich um 10 Uhr vormittags, arbeitete dort jeden Tag ohne Mittagessen bis um 4 Uhr nachmittags, und dies jahrzehntelang mit staunenswerter Ausdauer. Schließlich muss er die Hälfte der Sammlungen, die sich zu seiner Zeit im Museum befanden, abgeschrieben haben. Niemals verbesserte er eine Abschrift, wenn er sich verschrieben hatte, sondern fing ein neues Blatt an. Kein Text war ihm zu lang oder zu schwierig zum Kopieren, so groß war seine Erfahrung und Übung. Immer bereit und darum bemüht, jedem Anfänger im Benützersaal zu helfen, widmete er gerade den jungen Ausländern sehr viel Zeit, die nur zu dankbar waren; der Zeitaufwand von ihm war beträchtlich. Er kopierte Texte für sie, verglich ihre Kopien und übersetzte schwierige Stellen, ganz ohne Rücksicht auf seine Arbeit, Zeit oder Planung. Andererseits waren ihm der Heuchler, der Scharlatan und der faule Student ein Abscheu. Wenn ein solcher versuchte, sein Wissen auszunützen, gab es für den jungen Mann ein jähes und unsanftes Erwachen. In der Regel war er jedoch recht zugänglich, freundlich und nachsichtig gegenüber Fehlern und Versehen von denen, die ernsthaft arbeiteten.
In der Museumsleitung und Verwaltung fand der Gelehrte mit seiner profunden Kenntnis der orientalischen Sprachen größtes Entgegenkommen und Unterstützung, als er um die Erlaubnis zum Studium der babylonischen und assyrischen Keilschrifttafeln nachsuchte. Sein Ziel war ursprünglich, eine Geschichte der semitischen Sprachen zu schreiben, denn das gültige Werk von Renan war unzureichend und berücksichtigte die Keilschrifttexte überhaupt nicht. Dr. Birch, der Leiter der orientalischen Antiquensammlung im Britischen Museum, stellte ihm sogar einen Arbeitstisch in seinem eigenen Dienstzimmer zur Verfügung und veranlasste auch, dass man ihm die benötigten Tontafeln aus dem Magazin brachte, wann immer er es wünschte. Sogar Sir Henry Rawlinson (1810-1895), der berühmte englische Entdecker der Dareios-Inschrift am Felsen von Bisutun (Behistun) und Erforscher des Altpersischen, bemühte sich um ihn und verschaffte ihm gute Arbeitsbedingungen.
Zwei oder drei Jahre verwendete P. Straßmaier auf das Kopieren von Tontafeln, die aus der Bibliothek von Ninive stammten. Darauf übertrug er einen Satz von alten babylonischen Verträgen und Wirtschaftstafeln, allgemein bekannt als die "Bowler-Sammlung". Dazwischen gab er eine Textauswahl zu Studienzwecken heraus, für die er vonseiten vieler Schüler großen Dank erntete, zumal es bis dahin kein Lehrbuch gegeben hatte. Noch immer hielt P. Straßmaier an seinem Vorhaben fest, eine Geschichte der semitischen Sprachen zu verfassen, und begann deshalb damit, alle Keilschrifttafeln im Britischen Museum zu kopieren, die während der Regierungszeiten der Könige Nabopolassar, Nabuchodonosor und Nabonidus entstanden. Insgesamt übertrug er fast die Hälfte der ca. 60000 Tontafeln, die sich zu seiner Zeit im Britischen Museum befanden.
Seine nächste große Arbeit war das "Wörterverzeichnis", ein umfangreiches Werk, das er wiederum in Schönschrift zum Lithographieren vorbereitete. Es enthält viele tausend assyrische und babylonische Wörter mit Auszügen aus den Keilschrifttexten und mit erklärenden Hinweisen - eine Fundgrube für das Studium des Assyrischen.
Die Assyrer waren nicht nur gewissenhafte Astronomen, sie waren auch der Astrologie sehr zugetan. Eine Geburt, ein Todesfall, jedes denkwürdige Ereignis wurde mit Pfeilspitzzeichen auf einem kleinen Lehm-Ziegelstein festgehalten. Zahlreiche gebrannte Tontafeln mit solchen Beobachtungen von Sternen und Planeten besitzt das Britische Museum in der sogenannten "Spartali-Sammlung". P. Straßmaier ging davon aus, dass sich mit der richtigen Zusammenstellung und Auswertung dieser astronomischen Texte und Berechnungen eine unschätzbare Serie von Aufzeichnungen für Eklipsen, Konjunktionen, Durchgängen usw. aufstellen lassen müsse. Für die Kenntnis der chaldäischen Astronomie und insbesondere für die Chronologie der Alten Geschichte erhoffte er sich dabei weitere Aufschlüsse. Da P. Straßmaier wusste, dass dies nur mit Hilfe eines in astronomischen Berechnungen besonders erfahrenen Gelehrten möglich sei, suchte er nach einem Mitarbeiter, den er in seinem Mitbruder P. Josef Epping in Holland fand.
Schon bei den Vorarbeiten zu seinem alphabetischen Verzeichnis der assyrischen und babylonischen Wörter, wozu er insbesondere die astronomischen Tafeln herangezogen hatte, gelangte P. Straßmaier immer mehr zu der Überzeugung, dass sich die bisherigen Vermutungen über das astronomische Wissen der Chaldäer nur auf dem Wege mathematischer Berechnung bestätigen lassen. So breitete er P. Epping seine Überlegungen aus und gewann ihn für die mühsame Arbeit, eine mathematische Nachberechnung der Kalender-Tafeln und Beobachtungslisten zu versuchen . Im Septemberheft 1881 der "Stimmen aus Maria Laach" traten die beiden Forscher zum ersten Mal in einem gemeinsamen Artikel mit diesem Problem an die Öffentlichkeit. P. Straßmaier beleuchtete das Thema von der historisch-philologisehen Seite, stellte das Untersuchungsmaterial vor, das bis dahin vorlag, und hob die Schwierigkeiten bei der Bearbeitung heraus. P. Epping erzählte in amüsanter Weise, mit welchen Methoden er die Fragen anging und zunächst auf einer der Tafeln die Differenzliste der Neumonde enträtselte; wie er dann wochen- und monatelang herumrechnete, bis er den Planeten dilbad und guttu auf die Spur kam; wie ihn die als guttu = Jupiter angesetzte Konjektur herumirren ließ, bis er sie schließlich als Mars entlarven konnte; wie schließlich eine noch genauere Umschrift der Tafel das errechnete Ergebnis bestätigte, sich sakku als Saturn, te-ut als Jupiter entpuppte, und wie eine zusätzlich herangezogene Tafel mit den Werten der ersten Tafel vollständig übereinstimmte.
Dies war eine bahnbrechende Entdeckung für die babylonische Astronomie und Chronologie, wenngleich P. Epping sie nur als bescheidenen Anfang und als Ansatz für weitere mühevolle Untersuchungen einschätzte. P. Straßmaier zog sich wieder nach London zurück, um die Schätze des Britischen Museums auszubeuten, während P. Epping in Holland weiterarbeitete, wo ihn P. Straßmaier von London aus brieflich mit Materialien versorgte.
Nach acht Jahren intensiver Arbeit legten sie gemeinsam 1889 die Schrift "Astronomisches aus Babylon oder das Wissen der Chaldäer über den gestirnten Himmel" vor. Die Entzifferungsversuche der früheren gemeinsamen Arbeit sind hier weitergeführt. Aus den chaldäischen Mond- und Planeten-Ephemeriden erarbeiteten sie das astronomische System der alten Babyionier. Der Astronom P. Epping legte jedoch den Kopien von P. Straßmaier das System der modernen Astronomie zugrunde. Unglücklicherweise setzte er falsche Formeln an, da er das Hexagesimalsystem, das die Babylonier bei ihren Berechnungen anwendeten, nicht verstand. Das gemeinsam publizierte Werk wurde scharf kritisiert. Falsch waren die Formeln von P. Epping, weniger die Lesungen, die P. Straßmaier beigesteuert hatte. Natürlich konnten bei einer so komplizierten sprachlichen und rechnerischen Materie, die ohne jegliche Vorarbeiten zu lösen war, am Anfang Fehler und Misserfolge nicht ausbleiben. Doch das Werk wurde nach dem Tod von P. Epping von dem Jesuitengelehrten F. X. Kugler weitergeführt, zu dessen Arbeiten wiederum P. Straßmaier die Grundlagen aus dem Britischen Museum geliefert hatte.
Die produktivste Zeitspanne P. Straßmaiers umfasst die Jahre von 1879 bis 1897. Zu seinen Arbeiten zählen Publikationen zu vielen Themen, Aufsätze in Zeitschriften genauso wie seine Editionen von Inschriften. Die Ausgabe der Babylonischen Texte, die als letztes Werk von ihm zwischen 1887 und 1897 in Leipzig in zwölf Nummern bzw. sechs Bänden erschienen, gilt als sein bester wissenschaftlicher Beitrag. Die späteren Editionen von Keilschrifttexten folgen bereits in großen zeitlichen Abständen. Die Publizierung der Inschriften des Darius fällt in die Jahre 1892 bis 1897. Und mit diesem Jahr endet auch weitgehend seine große Herausgebertätigkeit. Nennenswert sind noch drei Artikel, die P. Straßmaier in der englischsprachigen Zeitschrift "The Month" veröffentlichte: "Über die assyrischen und babylonischen Götter" (1879); "Die geheimen Gesellschaften Chinas" (1884) und "Jüngst entdeckte Keilinschriften in Oberägypten" (1892). Eine ausgezeichnete, allgemein verständlich geschriebene Zusammenfassung seines gemeinsam mit P. Epping verfassten Aufsatzes "Assyrische Astronomie" erschien von seinem Mitbruder P. Cortie ebendort 1892. Daneben stammen zahlreiche Aufsätze in der erst 1886 gegründeten "Zeitschrift für Assyriologie" aus seiner Feder.
Durch diese grundlegenden Quelleneditionen, Vorarbeiten für jede weitere Forschung, war P. Straßmaier bald unter den Fachgelehrten als "einer der bedeutendsten Assyriologen Europas" anerkannt. Geschätzt war er unter den Orientalisten besonders als "Herausgeber bedeutender Sammlungen und Arbeiten". Bei einer Gelegenheit erhoben sich alle Kongressteilnehmer, um ihn bei seinem Eintritt in die Halle stehend zu begrüßen. Aus den letzten Lebensjahren des Wissenschaftlers stammen Berichte über einige merkwürdige Täfelchen, die die Berliner Akademie um einen hohen Preis angekauft hatte. Da man sein fachmännisches Urteil darüber hören wollte, schickte man ihm sogar die Tafeln zum Studium nach London. Schließlich musste Straßmaier einige für unecht erklären.
Seinen eigentlichen Plan, eine Geschichte der semitischen Sprachen zu verfassen, konnte er leider nicht mehr verwirklichen, obwohl keiner dazu befähigter gewesen wäre als er. Kannte er doch die Keilschrifttexte am besten. "Ich fragte ihn einmal", schreibt D. W. Budge, Direktor der ägyptischen und assyrischen Antiquensammlungen des Britischen Museums, "warum er mit seinem Buch nicht vorankomme". Darauf antwortete er nur: "Wie soll ich die Geschichte dieser Sprache schreiben, wenn immer noch 60000 Keilschrifttafeln unkopiert und unübersetzt sind?" Mit dem großen Assyriologen George Smith teilt er sich den Ruhm und das Verdienst um eine saubere und genaue Übertragung der babylonischen Inschriften. Und doch hätte sich P. Straßmaier zuschreiben können, die Hälfte aller Sammlungen an Keilschrifttexten des Britischen Museums übertragen zu haben. "Texte und Tatsachen waren der Inhalt seines Lebens, und sie beanspruchten sein Leben. Worte und Meinungen ohne gesicherte Tatsachen waren ihm zuwider."
Abgesehen von dem Wert dieser Studien für die Wissenschaft der Assyriologie als solcher betrachtete der Theologe P. Straßmaier seine philologischen und astronomischen Arbeiten vorrangig als Beitrag zur Erklärung des Alten Testaments und der vergleichenden Religionswissenschaft. Mit Hilfe der genannten chronologischen Forschungen, die von den chaldäischen Mondtafeln ausgegangen waren, ließen sich manche Daten und Tatsachen in der Chronologie und Geschichte des Alten Testaments sichern. Daneben boten die philologischen und astronomischen Untersuchungen wichtige Ansätze zum Verständnis der Zahlensprache und Ausdrucksformen in der Heiligen Schrift. Mit einer weit zurückreichenden und gesicherten Chronologie der Assyrer glaubte damals die alttestamentliche Exegese, der darwinistischen Geschichtsauffassung begegnen zu können, die im Gegensatz zur Lehre von der einmaligen, göttlichen Schöpfung der Lebewesen stand. Die Beschäftigung der Theologen - darunter vor allem der von P. Straßmaier unterstützte Jesuit P. Franz X. Kugler - mit diesen Gegenständen wurde sogar noch intensiver, als der Berliner Assyrologe Friedrich Delitzsch 1902/03in Wort und Schrift die Berichte der Bibel über die Schöpfung und die Anfänge der Menschheit als mythologische Entlehnungen aus der altassyrischen Literatur hinstellte.
Gegen Ende des Jahrhunderts hatte der Gelehrte den Höhepunkt seines Schaffens erreicht. Schon die immer größer werdenden Abstände seiner Ausgaben in den letzten Jahren ließen gesundheitliche Störungen vermuten und erkennen. Ende des Jahres 1897 musste er für fast ein ganzes Jahr seine Studien aufgeben und sich in eine spezialärztliche Behandlung begeben. In Deutschland, das er 1884 zum letzten Mal besucht hatte, um seinem verehrten Lehrer und dem nachmaligen Abt von Metten, P. Utto Lang, die Grabrede zu halten, unterzog er sich einer schweren Operation, die ihm immerhin das Leben erhielt und ihm noch über 20 Jahre nützlicher Arbeit schenkte. Doch er war nicht mehr der Alte. Erst kurz vor seinem Tode wurde offenbar, dass seine Operationswunde nie ganz verheilt war. Zwar pflegte er noch eine ausgedehnte Korrespondenz mit Wissenschaftlern und Privatpersonen in der ganzen Welt, kopierte auch hie und da noch Inschriften, aber an größere literarische Verpflichtungen oder umfangreichere Pläne war nicht mehr zu denken. Sein Interesse, neue Sprachen kennenzulernen, erlahmte nie. An einem Neuen Testament, einem Katechismus oder einem Gebetbuch in einem außergewöhnlichen indischen Dialekt fand er immer seine besondere Freude und ein besonderes Vergnügen, wenn er die Sprachfamilie, die Grammatik und die sprachlichen Eigentümlichkeiten ausmachen konnte.
In den langen Jahren seines Londoner Aufenthaltes seit 1877, nur durch die Zusammenarbeit mit P. Epping in Holland für knapp zwei Jahre unterbrochen, war er sicher nicht nur ob seiner großen Sprachkenntnisse ein geschätzter Beichtvater, wenn nicht sogar der begehrteste in der Kirche in der Farm Street, oft auch im Kolleg der Jesuiten selbst. Seine große Gelehrsamkeit brachte es natürlich auch mit sich, dass er für viele Aufgaben in der kirchlichen Verwaltung herangezogen wurde. Er gehörte zum erzbischöflichen Gremium für theologische Zensurfragen und führte den Vorsitz bei der Klärung von kasuistischen Streitfällen. Außerdem wurde er oft in Sachen des kanonischen Rechts und kirchlicher Privilegien bemüht.
Die Jahre während des Ersten Weltkrieges in London lasteten auf dem kranken Mann besonders schwer. Er schwieg zu den ganzen Vorgängen. Unmöglich war es, von ihm eine Äußerung dazu zu bekommen, auch wenn er hart bedrängt wurde. "Bei ihm als Bayer der alten Schule", den Bismarcks Kulturkampf in die Emigration nach England getrieben hatte, "sind seine Gefühle gegenüber der preußischen Regierung und ihre Methoden, die er hasste , nicht sonderlich schwer zu erraten", schreibt dazu sein englischer Mitbruder P. John H. Pollen und fährt fort: "Meine Meinung, die ich mir nach verschiedenen vertraulichen Gesprächen mit ihm bilden konnte, ist die, dass er nach Ausbruch des Krieges nur den Fanatismus einer bestimmten Richtung unserer Presse und unserer Politiker schmerzlich empfand, der sich in rauen Maßnahmen ausdrückte und sich gegen den Unschuldigen richtete, gegen die englischen Ehefrauen und Kinder von deutschen Ansässigen." Einmal fürchtete er, er könnte repatriiert werden, doch wurde dies in seinem Fall nicht näher verfolgt. Er fiel in der Tat unter gewisse Restriktionen, doch ließen diese einen größeren Spielraum, als er ihn nützen wollte und konnte.
In den letzten Lebensjahren verschlechterte sich sein Gesundheitszustand zusehends. Seine Arbeitsstunden wurden kürzer und weniger. Im Februar 1919 brach er in seinem Arbeitszimmer zusammen. Man fand ihn bewusstlos auf dem Boden. Damals entdeckte man auch, dass seine Operationswunde von 1897 niemals ganz abgeheilt war. Ein erneuter chirurgischer Eingriff wäre vonnöten gewesen, aber er hätte ihn nicht mehr überstanden. Nach einiger Zeit erholte er sich wenigstens so weit wieder, dass er die hl. Messe lesen konnte. Seit 21. Dezember 1919 war er auf die besondere Fürsorge seiner Mitbrüder angewiesen. Er selbst bat aus eigenem Antrieb nie um etwas. Quietissimus ille, qui nihil petit. Dieser sein Satz: "Der lebt am ehesten in Ruhe, der kein Verlangen kennt." weist ihn als den Asketen aus, der er sein ganzes Leben als Jesuit war. Am Sonntagmorgen, den 11. Januar 1920, starb er infolge von Krebs, Wassersucht und Herzschwäche. Die Gebete seiner geistlichen Mitbrüder begleiteten ihn in die Ewigkeit. Am 14. Januar wurde er in Anwesenheit von vielen Freunden, darunter auch der Bischof von Nottingham, in Kensal Green, fern seiner Heimat, zu Grabe getragen.
P. Johann Nepomuk Straßmaier war ein sehr beliebter Mann. Seine äußere Erscheinung ist leicht zu beschreiben: klein, untersetzt und gedrungen, ein rundes Gesicht mit einem steten Lächeln und einer Nase, die man nicht leicht vergessen kann. So ging auch der Spruch um: Lange bevor P. Straßmaier aus der Sakristei heraustritt, kündigt er sich durch seine Nase an. Bei Fehlern konnte man mit seiner Großzügigkeit rechnen. Er war offen, arbeitsfreudig und sorgfältig, ein idealer Student und liebenswerter Gefährte, ein Mensch ohne Feinde, Vorbild eines wahren Priesters und Ordensmannes. Was er in seinem Leben war, hat ein englischer Mitarbeiter ausgesprochen: "Als großer Mensch und großer Wissenschaftler hinterließ er einen tiefen Eindruck. "
Quellen und wichtigste Literatur:
Archiv des Klosters Metten (mit Foto); Archiv der Oberdeutschen Provinz SJ München; English Province of the Society of Jesus (Department of Historiography and Archives), London; The Times, 13. Januar 1920, London; The Tablet, 17. Januar 1920, London; The Month, Vol. 135, London 1920; Der Bayerische Wald 1907, S. 134; B. Zittel, Vier große Altmettener - vier große Jesuiten, in: Alt- und Jung-Metten, Metten 1937/38,2, S. 48 -51; Real-Encyclopädie der Classischen Altertumswissenschaft (Assur, Babyion u. fI.).
Die bedeutendsten Werke von P. J. N. Straßmaier SJ:
- Alphabetisches Verzeichnis der assyrischen und akkadischen Wörter, Leipzig 1882 -1886;
- Wörterverzeichnis zu den assyrischen und babylonischen Inschriften im Museum zu Liverpool, 1886;
- Inschriften von Nabonidus, 1886 -1889;
- Inschriften von Nabuchodonosor, 1889;
- Inschriften von Kyrus, 1890;
- Inschriften von Kambyses, 1890;
- Inschriften von Darius, 1892 -1897;
- Babylonische Texte, 6 Bde., Leipzig 1887 -1897. Dazu größere Aufsätze (in Auswahl) in The Month: Über die assyrischen und babylonischen Götter, 1879;
- Die geheimen Gesellschaften Chinas, 1884;
- Jüngst entdeckte Keilinschriften in Oberägypten, 1892, in: Zeitschrift für Assyriologie (teilweise zusammen mit P. Epping): Nr. 4 (1889), Nr. 5 (1890), Nr. 6 (1891), Nr. 7 (1892), Nr. 8 (1893); in Mitteilungen aus der deutschen Provinz SJ (zusammen mit P. Epping), Bd. V-VIII; in Stimmen aus Maria Laach, 1881 (Vol. 21) zusammen mit P. Epping: Zur Entzifferung der astronomischen Tafeln der Chaldäer, und ebendort Ergänzungsheft Nr. 44 (1889) zusammen mit P. Epping: Astronomisches aus Babyion.
Die wichtigsten Arbeiten aus den letzten Jahren:
- Babylonische Mondrechnung, 1900;
- Babylonische Zeitrechnung, 1910.
Der Verfasser, Oberstudienrat Alfons Huber (geb. 1944), ist als Heimatpfleger der Stadt Straubing und I. Vorstand des Historischen Vereins für Straubing und Umgebung tätig. [Beim Druck der Chronik 1988]
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- MM 11/2005. Betriebe im Wandel
- MM 11/2005. Eine wirklich junge Straße mit einem Altersdurchschnitt der Bewohner von 28 Jahren
- MM 11/2005. Flurnamen erzählen vom Weidewesen früherer Zeiten
- MM 11/2005. Franz X. Baier machte 1952 aus der Burg Falkenfels eine Gastwirtschaft mit Fremdenzimmern
- MM 11/2005. Erzählungen
- MM 11/2005. Die schrecklichen Erlebnisse des Homberger Jakl aus Mitterwachsenberg
- Mitterfelser Magazin 30/2024 - eine Publikation des AK Heimatgeschichte Mitterfels
- Schwarzach. 33 Jahre KIS - Jahresprogramm
- Renovierung von St. Thomas, Herrnfehlburg
- Nationalpark BW. Die Borkenkäfer-Bilanz für 2024
- Vortrag über „Das Neue Schloss“ Steinach bei der Jahresversammlung des AK Heimatgeschichte Mitterfels
- Waldleben ...
- Mitterfels. Lesung von Herbert Becker in der Hien-Sölde
- Spende für die KLJB Mitterfels von Frauengruppe
- Haselbach/Mitterfels. Spende für drei Kindergärten
- Mitterfelser Magazin. Jubiläumsausgabe 2024
- Filmteam zu Gast in Mitterfels