. . . und im ehemaligen Landgericht
Mitterfels. Waldbad-Erinnerung aus dem Jahre 1952: Eine Wiederbelebung
Im alten Bad-Häusl (v. l.): Schmidt Wolfgang, Groß Karl, Keller Rudi, Hohle Manfred, Schwinghammer Franz und Lange Götz (Fotos: Archiv Schwinghammer)
Mitterfelser Waldbad im Perlbachtal
Vor dem 2. Weltkrieg besaß Mitterfels bereits ein Schwimmbad dank der Aktivitäten eines Mitterfelser Ehrenbürgers namens Obermeier und eines Bürgermeisters namens Schmatz. Und diese Tatsache stellte eine Besonderheit dar. Denn weder Straubing noch Bogen durfte sich einer so interessanten Einrichtung erfreuen. Vor dieser Mitterfelser „Bad-Ära" begab man sich mit dem Fahrrad zu den Moorweihern um Wiesenfelden, um in einem stehenden Gewässer plantschen oder sogar schwimmen zu können.
So, nun zu der Zeit, die ich als sechsunddreißiger Jahrgang selbst erleben durfte. Es war in den vierziger Jahren. Ich brachte mir mit exakt viereinhalb Jahren in unserem Mitterfelser Waldbad selbst das Schwimmen bei, also ohne jede Aufsicht oder Anleitung - wie andere Gleichaltrige auch. Dabei ging ich im stets trüben und meist recht frischen Badwasser folgendermaßen vor.
Die Wasserfärbung ließ eine Sicht von vielleicht 30 cm Tiefe zu. Dann war Feierabend, weil das Bad aus unserem Perlbach, der sich Menach nennt, gespeist wurde. Dieser unser Bach trübte sich nach jedem Regen sehr schnell ein. Man konnte aber die Wasserzufuhr nicht unterbinden, weil sonst das Schwimmbecken nach und nach eine Absenkung des Wasserspiegels hätte erdulden müssen, da es im wahrsten Sinne des Wortes hinten und vorne leckte, obwohl es alljährlich zu Saisonbeginn immer wieder eifrig ausgebessert wurde.
Ich versenkte also einen Granitstein mit einem Durchmesser von etwa 20 cm im Kinderbad bis zum Bauch im Wasser stehend in Richtung Holzsteg, der Nichtschwimmer von Schwimmern trennte, und tauchte diesen immer wieder hoch. Durch dieses Tauchen brachte ich mir Brustschwimmbewegungen bei. Dabei wagte ich mich Tag für Tag immer weiter samt Stein ins Tiefere und erlernte so den Bruststil, dessen Bewegungsablauf zufällig genau stimmte, wie sich im späteren Leben herausstellen sollte.
Badfest 1952: Auf beiden unteren Fotos Franz Schwinghammer beim Sprung vom Brett.
Nach Kriegsende bekamen wir einen Erich Scheppan als Bademeister, der bald eine Wasserwacht-Ortsgruppe gründete, der die schwimminteressierte Mitterfelser Jugend und auch ich mit dreizehn Lebensjahren beitraten. Die besonders Schwimmfähigen wurden bald über Fahrtenschwimmer, Leistungsschwimmer zu Rettungsschwimmern ausgebildet, die da unter anderen Schwinghammer Bert, Groß Karl, Schwinghammer Franz, Jakob Hans, Lange Götz hießen.
Eines schönen Sonntagnachmittags überraschte uns der Ernst des Lebens. Ich zählte damals sechzehn Lenze, der Groß Karl war ein Jahr jünger als ich. Der Bademeister war nicht zu finden, als ein aufgeregtes Mädchen sich bei uns, also bei der Wasserwacht, meldete und uns in Tränen aufgelöst mitteilte, dass ihre Freundin, die Epileptikerin sei, etwa seit zehn Minuten fehle.
Wir stellten uns am östlichen Badrand jeweils mit einem Meter Abstand nebeneinander auf und tauchten sofort systematisch das wie immer trübe Bad ab. Wir köpfelten auf den Badboden und tauchten zur westlichen Badwand, wobei wir an der tiefsten Stelle begonnen hatten. Ausgerechnet vorne bei der ersten Einstiegstreppe, also an einer Stelle, an der ein Erwachsener gerade schon stehen konnte, spürte ich einen leblosen Körper unter meinen Füssen. Das war sie! Ich brachte sie an die Wasseroberfläche. Dabei musste ich leider erfahren, dass ihr lebloser, schwerer, nasser, glitschiger Körper für meine Kraftausstattung ein Problem darstellte, bis ein sehr kräftiger, junger Mann zugriff und sie aus sicherem Stand an Land heben konnte.
Wir legten sie am Badrand auf eine Decke. Sie atmete nicht. Die etwa siebzehnjährige, sehr korpulente Verunglückte wies eine blau-grünliche Körperfarbe auf. Ihre weit geöffneten Augen blickten ins Leere. Wir brachten sie in Bauchlage. Der Groß Karl richtete ihren Kopf seitlich, öffnete ihren Mund, fasste mit einem Tuch ihre Zunge, so dass sie sich nicht verschlucken konnte. Ich begann neben ihr auf Bauchhöhe knieend mit der Wiederbelebung. Dabei drückte ich mit beiden Händen sanft auf ihre Schulterblätter und ließ immer in kurzen Zeitabständen nach. Zum Zeitpunkt der vielleicht zwanzigsten Druckbewegung bemerkte ich über uns neugierige Gesichter von Erwachsenen, vornehmlich Damenköpfe dicht an dicht gedrängt. Ich forderte diese Masse Mensch auf zurückzutreten, wegzugehen, weil wir schließlich Sauerstoff für unsere Arme brauchten, mit dem Erfolg, dass zwar die fast auf uns Draufstehenden zurückwichen, aber dafür die Hinteren deren Platz sogleich einnahmen. Wir zwei Bodenakrobaten sahen alsbald, während wir verzweifelt weiter werkelten, den Himmel wieder nur mehr als kleines Loch über uns.
Und siehe da, etwa nach meinem vierzigsten „Brustkorbzusammendrückerer" vernahmen wir ein kaum hörbares Röcheln. Noch ein paar sanfte „Drückerer" und sie bewegte einen Arm, begann selbst zu atmen. Mich überkam ein Gefühl wie zu Weihnachten und Ostern auf einem Haufen beieinander.
Ein mir nicht bekannter junger Mann half uns dann weiter. Ich nehme an, er war Straubinger. Er tätschelte ihre Wangen und sprach sie mit Inge an. Wir trugen sie dann an eine andere Stelle der Liegewiese, um der sensationshungrigen Meute zu entgehen und wickelten sie in mehrere Decken, weil sie wegen Unterkühlung fürchterlich zitterte. Ein Amerikaner lud sie samt Decken in sein „flossenbewehrtes" Cabrio und brachte sie ins Straubinger Krankenhaus.
Von Inge hörten wir nie mehr etwas. Aber von der Wassserwachtdirektion kam eines Tages ein Belobigungsschreiben. Uns hatte nämlich der Vorsitzende der Wasserwacht für Niederbayern/Oberpfalz beobachtet. Aus diesem Schreiben ging unter anderem hervor, dass die Wiederbelebung zwar von Erfolg gekrönt, aber nach der alten Methode durchgeführt worden war. Tatsächlich stimmte das so. Wir „arbeiteten" in der Aufregung im monatelang geübten Stil.
Quelle: Franz Schwinghammer, in: Mitterfelser Magazin 9/2003, Seite 101
Ansichtskarte "Mitterfels Waldschwimmbad" um 1950 - Aufn. und Verlag Foto-Eiglsperger, Mitterfels - Sammlung Christl Jakob, Mitterfels
Trotz des kalten Perlbachwassers war das frühere Waldschwimmbad von Einheimischen und Gästen, v. a. von Straubingern, gut besucht.
>>> Weitere Ansichtskarten vom alten Waldbad in der Publikation "Ein Ausflug nach Mitterfels - Historische und aktuelle Postkarten" (erhältlich bei der Gemeindeverwaltung)
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