. . . und im ehemaligen Landgericht
Erinnerungen eines Landarztes
Viele Mitterfelser und auswärtige Patienten werden sich noch gut an Dr. Josef Müller erinnern. 1908 in Regensburg geboren, hatte Dr. Müller in München studiert (unter anderem zwei Semester bei Prof. Sauerbruch), in der Lungenheilstätte Donaustauf und im Krankenhaus Zwiesel praktiziert, ehe er 1937 in Mitterfels die Nachfolge von Dr. Pfeifer antrat. Praxis und Wohnung befanden sich im „Beamtenwohnhaus des ehemaligen Rentamtes” (Burgstraße 19), das er 1950/51 vom Staat erwarb.
Dr. Müller begann in einer schwierigen Zeit als „Landarzt”. Weit und breit war er der einzige Arzt. So musste er oft weite Strecken mit der Kutsche oder zu Fuß zurücklegen, um bei Geburten oder Notfällen, bei Unfällen auf der Straße oder in bäuerlichen Betrieben helfen zu können. Erst nach dem Krieg stand ihm ein Fahrzeug zur Verfügung.
Er erlebte Tragisches, sah viel Not, verlor aber trotzdem nicht das Gespür für erheiternde, überraschende, komische Situationen.
Als er 1981 in den Ruhestand trat, begann er, einige seiner „Netten Erinnerungen” aufzuschreiben. Dr. Josef Müller starb 1984.
Studienjahre in München, darunter 2 Semester Chirurgie bei Prof. Sauerbruch
Nach 44jähriger Tätigkeit in meiner Arztpraxis habe ich - nun im Ruhestand - viel Zeit, über all die zurückliegenden Jahre nachzudenken. Die Beschwernisse und auch Ärger, den ich hatte, will ich sicher nicht zu Papier bringen. Gott sei Dank vergisst man auch Unangenehmes schneller als Erfreuliches und Heiteres. So will ich versuchen, einige Episoden, die ich während meiner ärztlichen Praxis erlebte, zu erzählen. Vielleicht werden Freunde und Bekannte beim Lesen schmunzeln - was ich ja letzten Endes hiermit erreichen möchte.
Dr. Müller mit seiner Lieblingskatze, die er zuweilen bei Regen im Garten mit dem Schirm bei ihren „Geschäften” begleitete.
Von einer alten Patientin bekam ich zum neuen Jahr einen Glückwunschbrief, worin sie sagte: „Zum neuen Jahr opfer i Dir die Hl. Kommunion auf und dann wünsch i Dir über kurz oder lang die ewige Glückseligkeit!”
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Ein Patient kam immer außerhalb der Sprechstunde. Er läutete an der Hausglocke, und wenn meine Frau öffnete, sagte er jedesmal: „Grüß Gott, Frau Doktor, is da Müller da?”
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Ich wurde eines Tages zu einem Kranken mit Harnverhaltung gerufen. Als ich zu ihm ans Bett trat, meinte er: „Herr Doktor, ich kann meine Notzucht nicht verrichten!” (Er meinte natürlich seine „Notdurft”.)
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Ein ungefähr 30-jähriger Mann wollte einen Schwerbehinderten-Ausweis beantragen. Auf meine verwunderte Frage warum und wieso, er sei doch gesund, meinte er: „Ja, i bin aber scho in der 5. Klass aus der Schul kemma.”
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Praxis drinnen: Schreibarbeit musste sein
In einem sehr schneereichen Winter sprang in einer Hohlgasse plötzlich ein Schulbub mir vor das Auto. Ich stieg aus und fragte ihn erschrocken, ob ihm was fehle. Er war wohl bleich im Gesicht, aber schon wieder auf den Beinen. Da meinte er auf meine besorgte Frage: „Na, mia fait nix, aber in d’Hosn hab i gsoicht!”
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Bei einer Geburt - es war kurz nach dem Krieg, wo man kaum einen richtigen, guten Bohnenkaffee bekam - saßen die Hebamme und ich schon die ganze Nacht, bis endlich früh um 6 Uhr das Kind kam. Als der Neugeborene den ersten Schrei tat, kam die Mutter der Wöchnerin glückstrahlend herein und meinte, jetzt hätten wir uns aber einen guten Bohnenkaffee verdient. Sie braute auch einen - es roch schon verlockend gut. Als die Bäuerin dann beim Ofen von einem Regal eine Tasse nahm, sah ich gerade, dass sie aus dieser Tasse ihr Gebiss nahm, das Wasser ausgoss und - mir den Kaffee eingoss. Da war mir aber der Appetit auf den Kaffee vergangen. Ich begnügte mich mit dem Duft und bei einem günstigen Augenblick goss ich mit dem Getränk die Blumen am Fenster.
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Eines Tages kam ich mit diesem Preiskommissar auf der Straße zusammen. Wir kamen ins Gespräch und er jammerte mir vor, dass er kaum noch Motoröl für sein Kraftrad bekomme - er wäre schon mit abgelassenem Öl zufrieden, welches Autofahrer oft wegschütten. Da ich selber solches in der Garage stehen hatte, sagte ich ihm dieses zu - er könne es nachmittags abholen.
Nun muss ich noch vorausschicken, dass ich an diesem Tag vormittags einen halben Zentner Mehl ohne Marken bekommen hatte. Unser Hausmädchen war in dieser Angelegenheit recht ängstlich und sie fürchtete immer, dass da mal was schief ginge und eine Hauskontrolle käme. Solche Gerüchte gingen im Dorf ja bereits um.
Als nachmittags der Preiskommissar läutete, das Hausmädchen die Tür öffnete, und der Kommissar sagte: „Ich komm wegen dem Öl”, schlug das Mädchen die Haustür zu und kam ganz aufgeregt zurück, rannte mit dem Mehl in eine Kammer und sagte entsetzt: „Da steht schon einer draußen, der kommt wegen dem Möhl.” Ich klärte das Missverständnis auf, denn mir war sofort klar, es handelte sich nur um den Gleichklang von dem Öl und dem Mehl.
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Ein Mann brachte seine Frau mit starken Blutungen. Diagnose: Abgang. Die Frau musste sofort ausgekratzt werden. Meine Frau machte die Narkose, der Mann wollte dabei sein. Er versicherte, er könne das alles mitansehen, er sei ausgebildeter Sanitäter im Krieg gewesen. Seine Frau zählte in der Narkose schon unregelmäßig 22 - 25 - 20, da sah meine Frau gerade, wie blass der Mann daneben wurde und langsam in die Knie ging. Sie stützte ihn gerade noch, aber in der nächsten Sekunde lag er am Boden. Da wir mit seiner Frau voll zu tun hatten, ließen wir ihn ruhig am Boden liegen. Und bis er wieder zu sich kam, war alles vorüber und seine Frau auch wieder bei Bewusstsein.
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Ein Mann kam mit einer Schulterluxation zu mir. Er musste auf den Untersuchungsstuhl gelegt werden. Meine Frau machte die Narkose. Da gab der Mann schon recht eindeutige Töne nach unten von sich. Aber gleich mussten wir feststellen, dass es nicht nur Töne waren. Der Mann, infolge der Narkose seiner nicht mehr Herr, ließ ALLES - auch das Wasser - voll in die Hose. Der Arm war bereits wieder eingerichtet und der Mann erwachte aus der Narkose. Nun wurde es ihm auch noch schlecht und so gab er das Letzte von sich, aber diesmal nach oben. Meine Frau hielt dem Armen die Spuckschale hin, aber das meiste ging in hohem Bogen darüber hinweg auf den Boden. Diese vielen Gerüche gingen nun auch mir auf den Magen. Ich bekam einen Brechreiz und musste hinaus. Meine Frau rief das Hausmädchen um Hilfe. Als sie aber das Sprechzimmer betrat, hielt sie nur noch die Hand vor den Mund, drehte sich um und lief zum Klo. So stand meine Frau alleine im Sprechzimmer mit dem Mann und der ganzen Bescherung. Sie geleitete den Mann hinaus zum Auto, wo die Angehörigen warteten. Dann nahm sie Putzeimer und Lappen und machte alles wieder sauber.
Meine Frau war aber im 7. Monat schwanger. Ist das was??
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Ein junger Patient klagte sein Leiden: Er müsse zweimal am Tag aufs „Häusl” - was man dagegen tun könne. Ich sagte nur, er solle froh sein, wenn das so gut bei ihm funktioniere - wohl dem, der kann!
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Im Krankenhaus besuchte ich einen von mir eingewiesenen Patienten. Er erzählte mir, dass er nach der Operation an starken Blähungen litt und diese selbstverständlich nicht zurückhielt. Sein Zimmergenosse war ein Preuße und der sagte nach einer Weile: „Na, Ihre Flöte jeht aber jut.” Das gefiel dem Ur-Bayer.
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Bei einem Patienten, zu dem ich gerufen wurde, stellte ich einen tiefliegenden Abszess am Gesäß fest, welcher jedoch zum Aufschneiden noch nicht reif genug war. Ich erklärte dies dem Mann und sagte, dass ich eine Abszess-Salbe auflegen und erst am nächsten Tag opertiv vorgehen werde. Diese Entscheidung gefiel dem Patienten aber gar nicht. Er war ernstlich böse auf mich und sagte, ich bräuchte dann auch morgen gar nicht kommen. Diese Einstellung gefiel wiederum mir nicht und ich ignorierte sie auch. Als ich am anderen Tag wieder hinfuhr, ins Haus trat und vor der Kammertür des Patienten stand, war diese versperrt. Ich klopfte und bat um Einlass, hörte aber nur ein böses Gemurmel. Nun gab ich der Tür einen Stoß und schon war ich drinnen. Ich hob die Bettdecke zur Seite, zückte mein Skalpell und schnitt tief in den Abszess, der nun auch reif war und bluteitrig ausfloss. Nach dem Verbinden ging ich wieder wortlos aus dem Haus.
Nach zwei Tagen kam dieser Mann in meine Sprechstunde, hatte ein Körbchen schönster Steinpilze für mich mitgebracht und sagte: „Gell, Doktor, Du bist mir nimma siere (das heißt böse), weil i so grob war.” Böse war ich ihm ja sowieso nicht, aber es hat mich ehrlich gefreut, diese Einsicht.
Praxis draußen: Gips wird entfernt.
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Bei einem befreundeten Ehepaar, wo ich mit meiner Frau hin und wieder zu einer Flasche Wein eingeladen war, fiel mir auf, dass die Flaschen auf dem Etikett mit FA oder FU beschriftet waren. Als der Gastgeber eine Flasche, auf der FA stand, wieder wegtrug, fragte ich ihn, was das zu bedeuten habe. „Ja, weißt Du - sagte er - FU bedeutet ‘für uns’ und FA eben ‘für andere’. FU trinken wir mit unseren Freunden und Weinkennern und FA bekommen halt die anderen.”
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Eine Lehrerin erzählte, dass der Bub eines kleinen Brauereibetriebes eingeschult wurde. Am 3. Tag des Unterrichts stand er plötzlich auf, ging zur Tür und sagte: „Jetzt geh i hoam, jetzt dirscht’s mi - as Bier dahoam is besser als des Wasser do in da Schui.”
Quelle: Dr. Josef Müller, in: Mitterfelser Magazin 5/1999, Seite 119, und Mitterfelser Magazin 6/2000, Seite 132
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