Geschichte
Mühlen an der Menach (04): Frommried, eine der ältesten Mühlen
Die Mühle in Frommried vor dem Abriss 2005. Der Wohntrakt schaute nach Osten und Süden.
. . . bis 2005 noch das gesamte Innenleben einer Mühle vorhanden
„Es klappert die Mühle am rauschenden Bach, klipp klapp...” So besingt ein fast vergessenes Lied das Leben in einer Mühle. Für die eineinhalb Dutzend Mühlen, teilweise mit Sägewerken, an der Menach gehört dieser romantische Text heute der Vergangenheit an. In Frommried war bis zum Jahre 2005 noch das gesamte Innenleben einer Mühle vorhanden. Alle Geräte und Maschinen, vom nicht mehr existierenden Wasserrad abgesehen, befanden sich seit Jahrzehnten (genau seit 1960) in einem Dornröschenschlaf. Als 2005 die Mühle abgerissen werden sollte, hat der "Förderverein zur Erhaltung der Burgruine Haibach und Heimatpflege" das gesamte "Innenleben" der Mühle abgebaut und anschließend bei verschiedenen Leuten eingelagert. Es besteht nun Hoffnung, dass der Förderverein die Mühle wieder aufbauen und zu neuem Leben erwecken kann. [... dazu mehr in einem eigenen Bericht.] In diesem Bericht hier wird versucht, das Leben in einer Mühle, die Arbeit eines Müllers und den Mahlvorgang wieder in Erinnerung zu rufen.
Die Mühle im Überblick
Ähnlich wie auf der Zeichnung oben sah die Frommrieder Mühle auf der Westseite des Hauses aus. Zwei oberschlächtige Wasserräder trieben hier Mühle und Säge. Die Wasserräder waren zum Schutz vor der Witterung von einem Gehäuse umgeben. Im Winter mussten sie eisfrei gehalten werden.
Eine Welle leitete die Drehbewegung auf ein Kammrad im Inneren (Abb. rechts). Zahnräder übertrugen sie dann weiter auf Transmissionsräder.
Ausschnitt aus dem Räderwerk in Frommried
Dieses Rad hat hölzerne „Zähne”, Kampen genannt. Bei ungleichmäßigem Lauf hat dieses Rad „ausgezahnt”, d. h. die Zähne brachen ab, der Mühlbetrieb kam zum Stillstand. Bei Kerzenlicht mussten die abgebrochenen Kampen ausgeschlagen und durch neue ersetzt werden. Diese Arbeit dauerte einen halben Tag oder die halbe Nacht. Die Kampen aus Buchenholz fertigte ein Zimmermann aus dem Nachbarort Leimbühlholz in Handarbeit. Später wurden maschinell gefertigte Kampen auf Vorrat gehalten.
Foto links: Lief der Riemen wie eine Fahrradkette, so hatte auch die angetriebene Maschine die gleiche Laufrichtung. War eine entgegengesetzte Laufrichtung erforderlich, so wurde der Treibriemen „über Kreuz”, in 8er-Form, geführt.
Foto rechts: Ein Teilstück der Transmissionsstange. Die Radgröße ist auf die Drehgeschwindigkeit der zu bewegenden Maschine abgestimmt.
Ein kleines Biotop markiert die Stelle, wo einst das Wasserrad klapperte und absolut umweltfreundlich Energie erzeugte.
Kaum noch zu erkennen ist das Bett des Mühlbaches in Frommried.
Was bedeutet der Name Frommried?
Der Name hat nichts mit der gottesfürchtigen Gesinnung „fromm” zu tun, wie mancher auf den ersten Blick annehmen könnte. Bei der Erforschung der Ortsnamen helfen einerseits nur früheste Schreibweisen, andererseits aber auch die althochdeutschen und mittelhochdeutschen Wortbedeutungen weiter. So auch hier.
Der Name setzt sich aus zwei Teilen zusammen. „Ried” bedeutet Rodung. Für den ersten Wortteil gibt es zwei Erklärungen:
1. Geht man davon aus, dass der Ort vor der Jahrtausendwende entstand, worüber es allerdings keine schriftlichen Beweise gibt, dann ist der erste Wortteil ein Personenname. Rodungen wurden nämlich gewöhnlich nach dem Mann benannt, der die Rodung unter Mithilfe der ganzen Familie oder Sippe durchführte. Ein Frumold (nützlicher Herr, tüchtiger Herrscher) ist dann der Namensgeber für den Ort. Für diesen Namen gibt es drei Kurzformen - wie Hans für Johann bei uns - und zwar frum, from und fram. Heutige Familiennamen wie Frammesberger und Frommelsberger erinnern noch an diesen Namen. Anzumerken wäre in diesem Zusammenhang auch, dass der verstorbene Bundeskanzler Willy Brandt vor seiner Namensänderung den Familiennamen Frahm trug. Dass der Name gar nicht so selten war, zeigt auch der Ortsname Frammelsberg bei Schwarzach.
2. Nimmt man aber an, dass der Ort erst im 12. Jahrhundert - etwa auf Weisung des Klosters Oberalteich - durch Rodung entstand, so steckt im ersten Wortteil das mittelhochdeutsche Wort „frum”; dies bedeutet: tüchtig, brav, gut, tapfer, vornehm, ehrbar; es bedeutet aber auch: nützlich. Somit hieße der Ort: Nützliche Rodung.
Urkundenausschnitt von 1301 mit Erwähnung der Mühle (3. Zeile) - Bay HStA. Kurbayern Äuß. Archiv 4745 (1)
Die zuerst genannte Namensdeutung hat den höheren Wahrscheinlichkeitsgrad, wenn man die früheste schriftliche Nennung „Vramriude” in einer Urkunde des Klosters Oberalteich aus der Zeit um 1190 betrachtet. Auch die zweite schriftliche Nennung im sog. Herzogsurbar (Steuerliste für den Herzog) aus dem Jahr 1301 deutet mit „Framried” auf die Gründung durch eine Person. Somit erklärt sich der Ortsname als Rodung des Fram oder Frumold.
Von größtem Interesse für unsere Abhandlung ist der Hinweis in dieser Steuerliste von 1301, daß sich hier eine Mühle befand.
Die Frommrieder Mühle um 1910 aus östlicher Richtung. Interessant sind die Bruchsteine auf dem Schindeldach und die Mühlsteine am linken Bildrand. (Foto: Privatbesitz M. Jäger)
Die letzte Müllerin erzählt
Ich, Maria Jäger, wurde am 13. Mai 1922 als Wirtstochter (Familienname Kernbichl) in Roßhaupten geboren. Von frühester Kindheit an war ich mit der Landwirtschaft vertraut. Die Müllerin von Frommried, Cäcilie Kinskofer, war meine Tante. Die Müllersleute in Frommried waren kinderlos, und so haben sie einen „Buben” angenommen, der einmal die Mühle übernehmen sollte. Doch dieser vorgesehene Erbe kehrte aus dem 2. Weltkrieg nicht mehr zurück. So holten die Müllersleute, um Mühle und Sägewerk weiterführen zu können, den Franz Jäger aus Gossersdorf. Er war mit einem Lungensteckschuss und zwei fehlenden Rippen aus dem Krieg heimgekehrt. Er war recht fleißig und führte Säge und Mühle gewissenhaft; er war ein gelernter Müller und hatte in seinen jungen Jahren in der Mühle in Wolferszell gelernt und gearbeitet.
Mich holte die Tante 1947 nach Frommried, als der Müller schwer erkrankte. Hier lernte ich den Franz Jäger kennen. Wir fanden Gefallen aneinander und so heirateten wir am 28. September 1948 in Haselbach. Wir passten zusammen und so brachten wir es auf fünf Kinder, drei Söhne und zwei Töchter. Nach der Hochzeit machte mich die Tante zur Alleinerbin ihres gesamten Besitzes; das waren neben Sägewerk und Mühle 10 Tagwerk Wald und 25 Tagwerk Acker- und Wiesenland. 1961 habe ich dann mit meinem Mann Gütergemeinschaft vereinbart. Ein solcher Besitz konnte von uns zwei natürlich nicht allein bewirtschaftet werden, und so hatten wir ständig einen Knecht, eine Magd und ein „Hausdeandl” (Hausgehilfin). Solange die Mühle in Betrieb war, half hier ein „Muibursch” (Mühlgehilfe) meinem Mann bei der Arbeit. In der Erntezeit sorgten „Dowearcha” (Tagelöhner) dafür, dass das Getreide möglichst rasch heimkam.
Als ich auf die Mühle kam, herrschte in unserem Land bittere Not, es war die schlimme Nachkriegszeit. Die Flüchtlingskinder rauften sich fast darum, nach der Schule unsere Kühe (vier bis sechs) hüten zu dürfen. Es ging ihnen nicht ums Geld, sondern um eine gute Brotzeit; und wenn sie dann noch ein Ei oder gar eine „Handvoll” Mehl mitbekamen, dann war das daheim fast ein Feiertag. Heute noch sagt manche ehemalige Flüchtlingsfrau: „Maria, wenn Du uns nicht geholfen hättest, wir wären glatt verhungert.”
Die Arbeit in der Säge war sehr anstrengend. Die Bäume, die zu Brettern geschnitten werden sollten, mussten mit einem Seilzug auf die Höhe des Sägegatters hochgezogen werden. Viele Bauern haben die Schneidearbeit in der Säge selbst getan, um die Lohnkosten zu sparen. In der Mühle herrschte den ganzen Tag Betrieb. Wenn ich in die Mahlbücher schaue, dann weiß ich oft selbst nicht mehr, wie wir das damals schafften. Bis zu zehn Fuhrwerke kamen manchmal an einem Tag. Sie kamen bis von Gossersdorf, Elisabethszell und Mitterfels. Die „kleinen Bauern” brachten das Getreide mit dem Schubkarren, ebenso die „Eherer” (Ährenleser).
I = Bach; II = Entwässerungsgraben, in den das überschüssige Wasser aus dem Mühlbach vor dem Mühlrad abgeleitet wurde, indem eine Schütze geöffnet wurde; III = Mühlbach; IIIIII = Sägewerk
Frau Jäger spricht noch unverfälschte Mundart; sie erzählt: „En Kirdamoda, des is da no a Feiadog gwen, da iss oimoi hou heaganga. Da is da Muibo gramt woan. Olle Bauan, die bo uns hammand moin loussn, han do kemma. Des hod se a nejda ois Ehr ogrechad, dasa da mitdoa hod deafd. Da waar fei oana diregt beleidigt gwen, wenn eahm ned eigsagt woarn waar. Do is so lusde heaganga, das a da Gnecht, ea hejd da frei khot, dabliem is und mid de andan midgoawad hod. Füa so vui Leid do is exdra bacha woan. Unsa Bachofa is entahoi von Weg stanna, wou ejtz an Hans sei Haus stehd. Zun Essn hods do a Schweinas mit Gnehl und a Lingal gem und Kejche und Bia, wos oana vodrogn hod. En Dog davoa is do da Muibo umgleut woan. Do is na da Grimm Nigl vo Hoslbo, dea s Fischrecht bis 50 m voa da Mui ghod hod, kemma und hod seine Fisch aussa. De schenan Forejna han owa indan Muiral gwen; do hod s Wossa a so a Gruam auskscheubt khod, und do han de groußn Forejna drin gwen. De hammand se Buama von Doaf aussado. - Mei, is des schee gwen, wenn d Leid a so zamkhoiffa und zamkhoidn hammand.”
Die Erzählung in Schriftsprache: Am Kirchweihmontag, damals noch ein Feiertag, herrschte hier Hochbetrieb. Da wurde der Mühlbach geräumt (vom Schlamm und Bewuchs befreit). Alle Bauern, die bei uns mahlen ließen, kamen. Jeder hat es als Ehre betrachtet, hierbei mithelfen zu dürfen. Als Beleidigung hätte es einer angesehen, wäre er hierzu nicht verständigt worden. Es war so lustig, dass der Knecht, obwohl er an diesem Tag arbeitsfrei hatte, dablieb, um mit den anderen mitzuarbeiten. Für die vielen Leute musste eigens Brot gebacken werden. Unser Backofen stand jenseits des Weges, wo jetzt das Haus von Sohn Hans steht. Als Essen gab es Schweinebraten mit Knödel und Saure Lunge und Krapfen und Bier, soviel einer vertragen konnte. Tags zuvor wurde der Mühlbach umgeleitet. Da kam der Grimm Nikolaus von Haselbach, der bis 50 m vor der Mühle das Fischrecht besaß, um seine Fische einzufangen. Die größeren Forellen schwammen aber unter dem Mühlrad; dort hatte das Wasser eine Vertiefung ausgewaschen, und da befanden sich die großen Forellen. Diese holten sich die Buben aus dem Dorf. Ja, das war schön, wenn die Leute so zusammenhalfen und zusammenhielten.
Das Mühlrecht ist nie aufgelöst worden; deshalb könnte die Mühle ohne weiteres wieder in Betrieb genommen werden; aber keiner der Söhne ist Müller geworden. Die Zeit für die kleinen Mühlen ist einfach vorbei. Der Bach ist auf einer Länge von ca. 1,5 km in unserem Privatbesitz. Der Mühlbach hatte eine Länge von etwa 850 m. Dieser Mühlbach trieb zwei Wasserräder, das eine für die Mühle, das andere für die Säge. Für beide Räder gleichzeitig reichte das Wasser nicht. Deshalb wurde für das Sägewerk ein Dieselmotor angeschafft. Dieser musste mit einer Kurbel von zwei Männern in Gang gesetzt werden; und weil das nicht immer ging, so wurde das Wasserrad zusätzlich vorgeschaltet, um diesen schweren Motor „anlassen” zu können. Dieser Motor war auch aus einem zweiten Grund notwendig. Am Oberlauf hat die Menach noch sehr wenig Wasser und sie musste hier die Obermühle und die Recksberger Mühle treiben. Für diese beiden Mühlen reichte aber die normale Wasserführung im Bach nicht. Deshalb stauten die Müller dieser Mühlen, wenn sie mahlen wollten, den Bach an. Als Folge davon fiel das Bachbett „unterhalb” trocken. Die Mühle in Frommried hatte also kein Wasser. Um den Wasserausfall in solchen Fällen zu überbrücken, musste der Motor einspringen.
Eine harte und gefährliche Arbeit gab es bei Frost, wenn das Mühlrad eingefroren war. Mit Hammer und Pickel wurde das Eis abgeschlagen. Dazu waren zwei Männer notwendig, einer stand „unten” und leuchtete, während der andere das Eis entfernte. Dieser Arbeitsplatz war deshalb finster, weil das Mühlrad oben und seitwärts mit Brettern abgedeckt war. Im Winter wurde auf diese Abdeckung noch Stroh geschüttet, um das „Abfrieren” des Mühlrades zu erschweren.
Zweimal haben wir mit dem Mühlbach einen großen Schrecken erlebt. Einmal, ich war noch nicht lange auf der Mühle, da stieg eine Kuh beim Hüten auf die Abdeckung des Mühlrades; die Kuh brach durch die Bretter und stürzte neben dem Wasserrad in die Tiefe. Es gab keine Möglichkeit, das Tier heraufzuziehen. Eine sehr verständige Magd brachte es fertig, dass die Kuh unter der seitlichen Bretterverkleidung durchschlüpfte und ins Freie gelangte. Ein andermal erschraken wir, als in Haibach die Flurbereinigung durchgeführt wurde. Da ging bei uns plötzlich das Licht aus. Das Mühlrad trieb nämlich auch einen Dynamo, der unser Haus mit Strom versorgte (110 V Gleichstrom). Niemand fand eine Erklärung, bis der Blick auf das kleine Rinnsal im Mühlbach fiel, das dann auch noch verschwand. Da hatten doch Arbeiter, ohne uns zu informieren, einfach den Mühlbach bei der Abzweigung von der Menach zugeschüttet und so den Stillstand aller Maschinen verursacht. Dieser Dynamo lief ununterbrochen, und so brannten im Haus ständig einige Lampen, auch im Schlafzimmer. Von anderen Müllern sagte man, dass sie mitten in der Nacht aufwachten, wenn das Wasserrad stehen blieb, so sehr waren sie an das ständige Geklapper des Mühlrades gewohnt. Bei uns war das ganz anders - meint die letzte Müllerin von Frommried - bei uns ging in dem Fall das Licht im Schlafzimmer aus, und wir wurden wach.
Foto links: Frau Jäger: "Als ich auf die Mühle kam, wurde nicht mehr mit dem Mühlstein gemahlen; er war aber noch in Betrieb, er diente dazu, die Kleie fein zu mahlen." - Foto rechts: Der Dynamo versorgte das Haus mit dem Strom. Aus den Löchern im Boden kam der Transmissionsriemen, der den Dynamo in Bewegung hielt. Im Vordergrund ein ausgedientes Transmissionsrad.
Während des Krieges und in den ersten Nachkriegsjahren musste jeder Müller ein Mahlbuch führen. In Frommried sind noch 4 dieser Bücher vorhanden. Sie geben dem interessierten Leser nachdenkliche Einblicke in das Leben der damaligen Zeit.
Jeder Bauer hatte seine „Mahlkarte”. Aus dieser ging hervor, welche Menge Getreide er mahlen lassen durfte. Bei jeder Fahrt in die Mühle wurde genau aufgeschrieben, welche Weizen- oder Roggenmenge angeliefert wurde und welche Mehlmenge er dafür in Empfang nehmen konnte.
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