„Schaffen wir das noch?“

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Susanne Liebl und Peter Holzner im Medikamentenlager: Dort ist alles millimetergenau eingeräumt, sodass eine Maschine immer gleich das passende Medikament findet. Foto: Sandra Hartl Vergrößern durch Anklicken!

Zwischen Leidenschaft und Schwierigkeiten: Apotheken haben mit steigenden Kosten und hohem bürokratischem Aufwand zu kämpfen. Zwei Inhaber wünschen sich Lösungen.

Straubing-Bogen. Das Telefon in der Apotheke Holzner in Bogen klingelt. „Haben Sie noch einen Termin für einen Corona-Test frei?“, fragt eine Frau am anderen Ende der Leitung. Während seine Kollegin den passenden Zeitpunkt mit der Patientin vereinbart, erklärt der Inhaber, Dr. Peter Holzner: „Corona-Tests sind nur eine der Aufgaben, die wir in den vergangenen Jahren dazubekommen haben.“ Dazu kommen unter anderem Impfen und Blutdruckmessen. Das Problem? Die Vergütung werde nicht mehr. Im Gegenteil.

„Wir haben steigende Kosten und sollen immer mehr Leistungen erbringen. Dafür haben wir nicht mehr Geld bekommen, ab Januar wird es sogar weniger“, erklärt Holzner. Denn der Betrag, den die Krankenkasse bekommt, steigt von 1,77 auf zwei Euro pro Medikament, was dazu führt, dass die Apothekenzuzahlung automatisch um diese 23 Cent sinkt. Weitere Kosten gehen etwa an den Hersteller und den Großhändler. „Da bleibt für uns nicht mehr viel.“

Dabei spiele sich bei jedem herausgegebenen Medikament vieles im Hintergrund ab. Der Kunde bekomme vom meisten gar nichts mit. „Wenn man die Nummer auf dem Rezept, das der Arzt ausgestellt hat, in unser System eingibt, wird man zunächst nach der Krankenkasse des Patienten gefragt“, sagt Holzner. Vorgeschlagen werde einem das Medikament des Herstellers, mit dem besagte Kasse unter Vertrag steht. Susanne Liebl, Inhaberin der Sankt-Georgs-Apotheke in Mitterfels, ergänzt: „Dabei ist es irrelevant, ob das für den Kunden das Beste ist, beziehungsweise genau das, was der Arzt verordnet hat.“ Darüber zeigt sich auch Holzner verärgert. „Wir arbeiten schließlich für den Kunden, nicht für die Krankenkasse.“

Haftung für Fehler anderer

Im Zweifelsfall müsse sich der Apotheker für ein anderes Medikament entscheiden, seine Bedenken geltend machen und diese auf dem Rezept vermerken. „Vergisst man das oder macht es nicht korrekt, bekommt man das Medikament nicht bezahlt“, sagt Liebl. Dieser Fall trete auch ein, wenn der Arzt etwa vergisst, das Rezept zu unterschreiben oder das Geburtsdatum des Patienten falsch vermerkt ist. „Das können wir aber überhaupt nicht überprüfen.“ Das werde nicht honoriert, ergänzt Holzner. „Wir haften mit unserem eigenen Kapital für die Fehler anderer.“

Oft sei es außerdem schwierig, dem Kunden zu vermitteln, dass zwei Medikamente, die völlig unterschiedlich aussehen, im Körper absolut identisch wirken. Die Medikamente, die dem Apotheker bei all diesen Überlegungen zur Verfügung stehen, seien zudem begrenzt, sagt Liebl. „Vieles ist derzeit einfach nicht lieferbar.“

Das nächste große Problem sieht Peter Holzner in dem riesigen bürokratischen Aufwand, den die sogenannte Präqualifikation zur Ausgabe von Hilfsmitteln, wie Windeln, Spritzen oder Krücken, mit sich bringt. Er zieht einen prall gefüllten Ordner aus dem Regal. „Da geht der Wahnsinn los“, seufzt er. Denn obwohl man entsprechend ausgebildet sei und Zertifikate besitze, müsse man alle fünf Jahre Unmengen an Angaben machen. „Gefragt wird nach der Betriebserlaubnis. Aber wenn ich die nicht hätte, hätte ich doch gar keine Apotheke“, sagt er. „Genauso ist es mit dem Handelsregistereintrag und der Betriebshaftpflichtversicherung.“ Man müsse außerdem den Verkaufsraum, einen Raum für diskrete Beratungen, eine eigene Werkstatt und das dazugehörige Werkzeug fotografisch dokumentieren. „Ein ganzer Tag reicht nicht, um diese Arbeit zu bewältigen.“

Aufwändige Rezepturen

Ein großer Aufwand stecke auch hinter der Herstellung von Rezepturen. Das sind Medikamente, die es so im Handel nicht gibt, sondern die eigens nach Anweisung des Arztes in der Apotheke hergestellt werden. „Wenn die einzelnen Bausteine kommen, werden die gründlich geprüft“, erklärt Holzner. Hält der Apotheker schließlich das Rezept des Kunden in den Händen, prüfe er es auf Plausibilität: Passen die einzelnen Bestandteile zusammen? Gibt es Wechselwirkungen oder physikalisch-chemische Reaktionen? Danach werde eine Anleitung geschrieben, die Mischung angerührt und alles genau protokolliert. Auch hier hafte wieder der Apotheker, auch, wenn der Arzt einen Fehler gemacht und etwa einen Baustein über- oder unterdosiert hat. „Für all diesen Aufwand bekommen wir nur acht Euro“, sagt Holzner. „Wir produzieren Qualität und das alles sorgt für Sicherheit, aber ein wenig mehr Anerkennung wäre schon schön.“

Liebl erzählt, dass man auch bei den Angestellten bemerke, dass ihnen diese Problematiken zusetzen. Viele hörten sogar auf, weshalb auch schon einige Apotheken im Landkreis Straubing-Bogen schließen mussten. In Bayern seien es ganze 15 Prozent weniger als auf dem Höchststand. Holzner erklärt, dass kleinere Apotheken häufig als unverkäuflich gelten, weshalb man für sie schwer einen Nachfolger finde. „Die Apotheken, die dann noch da sind, müssen natürlich den Mehraufwand bewältigen.“ Dazu komme, wie in so ziemlich allen Branchen, der akute Fachkräftemangel. „Wir wollen den Leuten ja helfen, aber es stellt sich die Frage: Schaffen wir das überhaupt noch?“

Entlastung und Vergütung

Deshalb wünschen sich die beiden Apotheker stellvertretend für die Branche Lösungen vonseiten der Politik. Um ihnen die Punkte, an denen der Schuh drückt, zu erläutern, hatte Susanne Liebl Anfang Oktober eine Gruppe von Politikern um MdB Alois Rainer in ihrer Apotheke willkommen geheißen (wir berichteten). „Eine Lösung wäre es, uns mit den bürokratischen Anforderungen zu entlasten“, findet Holzner. „Außerdem wäre es schön, wenn Aufgaben, die uns zusätzlich aufgebürdet werden, auch vergütet werden würden.“ Man wünsche sich einen Inflations- oder Kostenausgleich. „Dann würden auch nicht so viele Apotheker aufgeben. Schließlich haben wir uns aus gutem Grund für den Beruf entschieden und machen das aus Leidenschaft.“

Ein Familienbetrieb schließt

Es seien viele Gründe, die zur Schließung der Markt-Apotheke in Schwarzach geführt haben, sagt Inhaberin Bettina Pirzer. Welche das genau sind, darauf möchte sie nicht eingehen. Aber: „Es war ein langer Entscheidungsprozess, der sehr schwer war.“

Am 14. Mai 1976 hat die Apotheke in der Marktgemeinde ihre Pforten geöffnet. „Damals hat sie meine Mama, Doris Stoidner, geführt“, erzählt Pirzer. Sie selbst habe die Apotheke vor zehn Jahren übernommen. Am 24. Dezember ist der Familienbetrieb nun zum letzten Mal für die Kunden geöffnet. „Offiziell schließen wir zum 31. Dezember, aber so haben wir noch eine Woche Zeit für die Nachbearbeitung.“

Ihre Mitarbeiter bezeichnet Bettina Pirzer als „super eingespieltes Team“. Sie finde es schade, dass nicht alle zusammenbleiben können. „Wir werden dann woanders arbeiten, für uns geht es an anderer Stelle weiter.“  

Sandra Hartl/BOG Zeitung vom 22. November (mit Gen. der Lokalredaktion)

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