„Viele Bewohner blühen bei uns erst richtig auf"

St Hildegard0Leiterin Karin Aumer in der kleinen Wohnung von Jochen und Elisabeth. (Fotos: erö)

Haselbach. Wohn­ge­mein­schaft Sankt Hil­de­gard bie­tet Men­schen mit Be­hin­de­rung ei­ne Hei­mat

Straubing-Bogen. Wer noch den alten Pfarrhof in Haselbach kennt, kann heute nur staunen: Aus dem alten Haus, das zu verfallen drohte, ist das Wohnheim Sankt Hildegard für Menschen mit Behinderung geworden. Und dort lässt es sich richtig gut leben.
Karin Aumer leitet seit der Gründung 1990 diese segensreiche Einrichtung der Katholischen Jugendfürsorge (KJF) Regensburg und sorgt mit ihrem Team für Freundlichkeit und Harmonie in den fünf Wohngruppen. 23 Frauen und Männer im Alter zwischen 19 und 68 Jahren haben hier eine Heimat gefunden. Weil der Bedarf an Wohnraum groß ist, wurde 1992 ein moderner Anbau errichtet, inzwischen gehören zwei weitere zu der Einrichtung. Die Bewohner kommen alle aus dem Landkreis Straubing-Bogen und arbeiten überwiegend in der KJF-Werkstätte Bruder Konrad in Mitterfels.

St Hildegard1Jochen zeigt, wie umfangreich der Ferienplan ist.

Jeder Bewohner hat seine Rückzugsmöglichkeiten

Der Altbau mit seinen schönen Türen, dem gewaltigen Kachelofen im Wohnzimmer und einem langen Flur mit Kreuzgewölbe strahlt eine gemütliche Wärme aus. Und der 1992 eingeweihte Neubau entspricht allen Anforderungen einer modernen Wohnung. „Wir sind kein Internat“, betont Karin Aumer. „Unsere Bewohner sind hier daheim, das ganze Jahr über.“ Auch im Alter. Die Wohngruppen sind mit Einzelzimmern, einer gemeinsamen Küche und einem gemütlichen Wohnzimmer mit Fernseher ausgestattet. Jeder Bewohner hat genügend Rückzugsmöglichkeiten, kann aber auch jederzeit den Kontakt mit den anderen suchen. Damit das Zusammenleben auch klappt, wird erst mal „zur Probe gewohnt“. Die Bewohner sind, so weit möglich, für alles selbst verantwortlich: Es muss eingekauft, gekocht, geputzt und gewaschen werden, das Haushaltsgeld wird von der Gruppe selbst verwaltet. Der Tagesablauf ist genau geregelt vom Aufstehen und Frühstücken, von der Arbeit in der Werkstätte bis zum abendlichen Kochen.

St Hildegard3Hier wird ein Abendessen zubereitet.

Jeder hat ein Amt, wie in jeder Wohngemeinschaft. Das ist für manchen Bewohner ganz schön anstrengend. Doch jeder leistet seinen Beitrag nach seinen Möglichkeiten und wird, wenn nötig, unterstützt. Hauswirtschaftskräfte helfen dabei, die Häuser in Ordnung und sauber zu halten. Gruppenübergreifend sind die Freizeitangebote: Fußballspielen und Schwimmen, Kegeln, Spazierengehen, Ausflüge machen und gemeinsame Spiele stehen auf dem Plan. Jochen ist Mitglied bei der Feuerwehr und geht gern zum Stammtisch bei der Gunda Häuslbetz. Auch Gruppentreffen und Treffen mit den anderen Einrichtungen der KJF in Straubing, Bogen oder Niederachdorf finden statt. Geburtstage werden natürlich immer groß gefeiert. Am Wochenende kann man gemeinsam ins Kino gehen, ein Konzert besuchen und an Dorffesten teilnehmen. In den Ferien werden Ausflüge gemacht oder auch mal Verwandtenbesuche. Und natürlich wird auch aufs Volksfest gegangen. Seit 2003 gibt es auch ein Redaktionsteam, das mit anderen Wohngruppen einmal im Jahr die Hauszeitung „Hilde“ herausgibt.

Keine Berührungsängste mit den Dorfbewohnern

St Hildegard2Im Sommer sitzen die Bewohner gern im großen Garten.

Die sozialen Kontakte sind sehr wichtig für die Bewohner, betont Karin Aumer. „Viele blühen bei uns erst so richtig auf.“ Mit den Dorfbewohnern gibt es keine Berührungsängste. Man trifft sich beim Kirchgang oder am Stammtisch im Gasthaus Häuslbetz, bei kirchlichen Festen oder richtet eine Maiandacht aus. „Man kennt sich, alle fühlen sich als Haselbacher“, sagt Karin Aumer. Auch das Wohnheim lädt zu Festen ein. Dann wird das Haus zu einem fröhlichen Ort der Begegnung. Natürlich werden auch Freundschaften geschlossen, auch zwischen Männern und Frauen. Jochen ist mit Elisabeth befreundet und wohnt mit ihr zusammen. Beide haben eine gemütliche Wohnung mit einer kleinen Teeküche. Sie können aber auch die Gemeinschaftsräume benutzen. Der Verdienst und Werkstattlohn der Bewohner, die einer Arbeit nachgehen können, kommt auf das eigene Konto und wird verwaltet. Einen kleinen Anteil müssen sie allerdings an den Bezirk Niederbayern abgeben.

Quelle: Elisabeth Röhn/BOG Zeitung vom 25. August 2017

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