Museen
Straßkirchner Adelsgräber in Landesausstellung
Die beiden Adelsgräber in der Landesausstellung in Regensburg. Fotos: Willi Goetz
Leihgaben des Gäubodenmuseums in Regensburg – Wertvolle archäologische Erkenntnisse
Straßkirchner Adelsgräber in der Landesausstellung: „100 Schätze aus 1 000 Jahren“ ist das Thema der Landesausstellung, die mit großem Erfolg ...
... im neuen Museum des Hauses der Bayerischen Geschichte in Regensburg präsentiert wird. Die Ausstellung beginnt mit einer Leihgabe des Gäubodenmuseums Straubing, den Inventaren der Gräber 364 und 365 aus Straßkirchen, die wegen der reichen Beigaben insbesondere des Grabes 365 schon bald mit den Prädikaten „Adels- oder Fürstengräber“ ausgezeichnet wurden.
Entdeckt hat man die Gräber bei den archäologischen Ausgrabungen in den Jahren 1988 bis 1993 auf dem Nachbargrundstück des ehemaligen Fußballplatzes in der Ortsmitte, die beachtliche Ergebnisse für die Ortsgeschichte erbrachten. Die beiden Gräber konnten auf den Beginn des 6. Jahrhunderts datiert werden, womit das Thema der Landesausstellung eigentlich auf „100 Schätze aus mehr als 1 000 Jahren“ zu korrigieren wäre.
Grabungsleiter Otto Karl hatte im Januar 1993 aus gesundheitlichen Gründen die Ausgrabungen in Straßkirchen offiziell eingestellt. Schon seit Längerem wusste er durch Bodenverfärbungen von zwei sich überschneidenden Gräbern, die sich etwa 50 Meter abseits vom Hauptgräberfeld befanden und die wegen ihrer Lage und Größe besonders interessant zu werden versprachen. Im kommenden Jahr wollte er sie in Ruhe bearbeiten. Trotz schlechter Witterungsbedingungen hielt das Landesamt für Denkmalpflege aus Sicherheitsgründen eine umgehende Bergung für notwendig. Bald stellte sich heraus, dass es sich um einen sensationellen Fund mit landesgeschichtlicher Bedeutung handelte, der schnell ein breites Medienecho auslöste.
Die Bedeutung der beiden Gräber wird auch im Katalog zur Landesausstellung deutlich: Mit über sechs Seiten werden sie wesentlich umfangreicher als alle anderen Objekte vorgestellt. Der Katalogtext, auf den im Folgenden Bezug genommen wird, stammt von Dr. Hans Geisler, der als wissenschaftlicher Betreuer die Straßkirchner Bajuwaren-Ausgrabungen begleitet.
Die etwa 1 500 Jahre alten Gebeine bezeichnet er als „…heute von unschätzbarem Wert…“. Der Mann (Grab 364) war wie die Frau (Grab 365) um die 22 Jahre alt, hatte eine Größe von etwa 173 Zentimetern und ein Gewicht von ungefähr 73 Kilogramm. Seine Muskulatur war stark ausgeprägt und verweist auf intensive körperliche Betätigung, sei es bei Arbeiten oder waffentechnischen Übungen. Die offensichtlich sehr schlanke Frau wog bei einer Größe von ungefähr 164 Zentimetern etwa 51 Kilogramm. Ihre Oberarmmuskulatur war ebenfalls stark beansprucht. Mann und Frau waren Rechtshänder, was entsprechende Muskelansätze an den Knochen belegen.
Sie verweisen bei beiden auch auf eine häufig hockende Stellung. Zahnanalysen ermöglichen die Feststellung von Ernährungsgewohnheiten, die Dr. Geisler mit „ …überwiegend auf pflanzlicher Basis mit einem ausreichenden Anteil an tierischem Eiweiß …“ beschreibt.
Sogar die Stillzeiten im frühen Kindesalter der Bestatteten konnten anhand einer Isotopenuntersuchung der Zähne nachgewiesen werden. Schwierig ist die Frage nach der Todesursache der beiden offensichtlich früh und kurz nacheinander Verstorbenen, die wegen Ähnlichkeiten im Skelett als Geschwister interpretiert werden. Da keine schweren Verletzungen Hinweise liefern und Pest ausgeschlossen werden konnte, bleiben wahrscheinlich Infektionskrankheiten von Tuberkulose bis Grippe als Möglichkeiten.
Bisherige Präsentation der Beigaben aus dem reichen Frauengrab Nr. 365 aus Straßkirchen im Gäubodenmuseum: 1/2 Rüsselbecher, 3 Besteckmesser mit Goldbeschlägen, 4 Messer mit Resten des Beingriffs, 5 Bügelfibelpaar, 6 Scheibenfibelpaar.
Nachdem sich bei den Ausgrabungen auf dem bajuwarischen Reihengräberfeld Straßkirchens mit über 400 Bestattungen eine Beraubung der Inventare von über 80 Prozent herausgestellt hatte, herrschte große Freude über die Entdeckung von zwei offensichtlich unberaubten Gräbern. Neben der abgesetzten Lage verwiesen auch die Grabtiefe von etwa drei Metern und die aufwendigen Grabeinbauten aus Holz auf die besondere Stellung der Bestatteten.
Vom Schild des Mannes, der wie die „Franziska“, eine Wurfaxt, auf der Abdeckung abgelegt worden war, haben sich wie üblich nur der Griff, die sogenannte Schildfessel und der Schildbuckel erhalten. Teilvergoldete Gürtelbeschläge aus Silber und vor allem ein mit Kreisaugen verzierter Kamm aus Horn beweisen den sozialen Rang. Nur die Freien konnten die Haare lang tragen und bedurften deswegen eines Kammes, die Unfreien waren die „Gescherten“.
Ein Paar Bügelfibeln und ein Paar Scheibenfibeln, eine Art von Broschen im Frauengrab, sind aus Gold gefertigt und mit Einlagen aus Granat, Glas und Muschel versehen. Von einem Besteckmesser haben sich Reste des Griffes, die Klinge und Goldbeschläge erhalten. Als eventueller Hinweis auf die Tätigkeit der Verstorbenen fand sich ein klingenartiges Eisengerät, das als Werkzeug zur Fell- oder Lederbearbeitung gedeutet werden kann. Mit Abstand das Wertvollste aber sind die beiden inzwischen perfekt restaurierten Glasgefäße, die wegen ihrer Verzierungen als „Rüsselbecher“ bezeichnet werden. Als mögliche Herkunftsorte der Beigaben im Frauengrab nennt Dr. Geisler Burgund, den Mittelmeerraum und das östliche Mitteleuropa, was auf beachtliche Handelsbeziehungen verweist.
Die Tragik des Geschehens, dass ein junges, hoffnungsvolles Geschwisterpaar aus der Oberschicht kurz nacheinander von seinen Angehörigen bestattet werden muss, berührt auch noch nach 1 500 Jahren. Die Entdeckung und wissenschaftliche Auswertung der Gräber ist allerdings ein Glücksfall für die Ortsgeschichte Straßkirchens. Wer das junge Paar in der Landesausstellung in Regensburg besuchen möchte, hat dazu noch bis zum 8. März 2020 Gelegenheit.
Quelle: Dr. Hans Geisler, Katalog zur Landesausstellung „100 Schätze aus 1 000 Jahren“, 2019, Seite 30 bis 36.
Willi Goetz/BOG Zeitung vom 31.10.2019 (Übernahme mit Genehmigung des Autors)
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