Bayerische Geschichte
Zum 225. Geburtstag: Der "unsterbliche Fraunhofer"
„1787 März ... 7. Fraunhofer. Kind Joseph geboren gestern Abend zwischen 8 und 9 Uhr. Vater: der ehrbare Franz Xaver Fraunhofer, Bürger und Glaser dahier. Mutter: Maria Anna geborene Frölich, dessen Gattin von hier. Pate der vornehme und kunstreiche Herr Bernhard Scheck, Mitglied des äußeren Rates dahier. Getauft hat Adam Schmidpauer, Kooperator.“ So lautet der Eintrag in der Taufmatrikel der Stadtpfarrkirche St. Jakob zu Straubing, der die Geburt des bisher bedeutendsten Sohnes Straubings anzeigt. Väterlicherseits führten die Wurzeln Fraunhofers zu einer oberbayerischen Wirtsfamilie in Miesbach, von wo der Großvater Fraunhofers nach Straubing gezogen war. Die Vorfahren der Mutter waren bereits in Deggendorf und Straubing Glasermeister.
Abb. links: Joseph von Fraunhofer, Gemälde im Historischen Rathaussaal (nach einem Bild eines unbekannten Künstlers in der Akademie der Bayerischen Wissenschaften München). - Abb. rechts: Geburtshaus Fraunhofers, Fraunhoferstraße 3, um 1890 (Stadtarchiv Straubing)
Mit elf Jahren war Joseph bereits Vollwaise; seine Vormünder sandten ihn, nachdem er sich für eine Drechslerlehre als zu schwach erwiesen hatte, zum Münchner „Spiegelmacher und Ziraten Glasschleifer“ Philipp Anton Weichselsberger in die Lehre: „Er hat zu diesen Methier eine große Freude, ist geschickt und wird auch brav sein.“ Als im Juli 1801 das Haus seines Lehrherrn einstürzte, konnte Fraunhofer im Beisein des Kurfürsten Max IV. Joseph und des Geheimen Rats Joseph von Utzschneider gerettet werden. Utzschneider fand Gefallen an dem Glaserlehrling. Fraunhofer, dem sein strenger Lehrherr sogar den Besuch der Sonn- und Feiertagsschule verboten hatte, bildete sich mit Unterstützung Utzschneiders seIbst fort. Ein GeIdgeschenk des Kurfürsten nützte er nicht nur zum Erwerb einer Linsenschleifmachine, sondern auch zur Abkürzung der Lehrzeit. Utzschneider hatte inzwischen zusammen mit dem Mechaniker Georg Reichenbach und dem Uhrmacher Joseph Liebherr eine Werkstätte für optische Geräte gegründet. In Zusammenhang mit den Napoleonischen Kriegen und der Neuordnung des bayerischen Staates war das Bedürfnis einer modernen Landvermessung entstanden – so wurde 1801 auf Initiative Utzschneiders das „Topogragraphische Bureau“ begründet. Die von Napoleon verhängte Kontinentalsperre verhinderte jedoch den Import hochwertiger Vermessungsgeräte sowie optischen Glases aus England, das bisher in diesem Gebiet führend war. So mussten eigene Lösungen gefunden werden, kam es dank der geplanten Landesvermessung auch zur „Geburtsstunde der optisch-feinmechanischen Industrie in Bayern“. Utzschneider nahm Fraunhofer 1806 als Optiker und Glasschleifer in sein „Mathematisch-Mechanisches Institut“ auf. Bereits drei Jahre später leitete der erst 22-jährige Fraunhofer die zum Institut gehörende Glashütte in Benediktbeuern, revolutionierte und standardisierte nicht nur das Schleifen, Polieren und Zentrieren der Linsen mit neuen Maschinen und Messverfahren, sondern forschte auch nach der „idealen Rezeptur“ für Linsenglas.
Joseph von Fraunhofer (Mitte) demonstriert das Spektroskop, rechts von ihm Georg von Reichenbach, links Joseph von Utzschneider. (Gemälde von Rudolf Wimmer)
Fraunhofer verband hierbei wissenschaftliche Grundlagenforschung mit praktisch-technischer Anwendung, begründete somit in Bayern die moderne anwendungsorientierte Forschung. Das Unternehmen wurde in kurzer Zeit zum Marktführer für Fernrohre, Mikroskope, Lupen, Vermessungsgeräte in Europa. Als wohl berühmtestes Werk entstand das Riesenfernrohr für die Sternwarte des russischen Zaren in Dorpat.
Eine revolutionäre Entdeckung
„Ich wollte suchen, ob im Farbenbilde von Sonnenlicht ein ähnlicher heller Streif zu sehen sei wie im Farbenbilde vom Lampenlichte, und fand anstatt desselben mit dem Fernrohre fast unzählig viele starke und schwache vertikale Linien, die aber dunkler sind als der übrige Theil des Farbenbildes; einige scheinen fast ganz schwarz zu sein.“ So einfach und unscheinbar klingt Fraunhofers revolutionäre Beobachtung, die der Keim war „zu einer Experimentier-Methode, die uns in die Geheimnisse im innersten Kleinsten der Welt und in den Tiefen des Alls eindringen ließ, die Spektralanalyse“. Mit Hilfe der im Sonnenlicht entdeckten Linien, die auch nach ihm benannt wurden, konnte Fraunhofer nicht nur die Brechungsindizes von Gläsern genauer berechnen und dadurch hochwertigere Fernrohre schaffen. Er hatte auch den Grundstein gelegt zu einem äußerst wichtigen Gebiet der Physik, der Spektroskopie, die ein Element nach der nur ihm eigenen Linienkombination im Licht untersuchen kann . Fraunhofer sind letztlich Erkenntnisse über die Sonnenatmosphäre und über Fixsterne, Abertausende von Lichtjahren entfernt, genauso zu verdanken wie das Wissen über den inneren Aufbau eines Atoms. Ebenfalls bahnbrechend waren Fraunhofers Untersuchungen zur Lichtbeugung. Es gelang ihm, die Wellenlänge des Lichts verschiedener Farben mit erstaunlicher Genauigkeit zu messen. Seine Forschungen verhalfen, zusammen mit den Veröffentlichungen des französischen Physikers Augustin Fresnel, der Wellentheorie des Lichts endgültig zum Durchbruch. 1819 verlegte Utzschneider aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten die Werkstätte - bis auf die Glasschmelze - von Benediktbeuern nach München.
Die dargestellten Farben auf den Sondermarken von 1987 (zum 200. Geburtstag) und 2012 (zum 225. Geburtstag Fraunhofers) symbolisieren das Sonnenspektrum mit den Fraunhoferlinien.
Auch Fraunhofer, der inzwischen Utzschneiders Teilhaber geworden war, kehrte nac h München zurück und beteiligte sich hier verstärkt am akademischen Leben. Ende Juli 1823 erhielt er eine Stelle als besoldeter Professor und Konservator der mathematisch-physikalischen Staatssammlungen . Der ständige Umgang mit giftigen Chemikalien griff Fraunhofers von Kindheit an schwache Gesundheit an, zudem erkältete er sich auf einer Floßfahrt nach einer Bergwanderung. Am 7. Juni 1826 vormittags um 10.15 Uhr starb Fraunhofer nach langem Leiden an „Lungen- und Nervenschwindsucht“, wie die Sterbematrikel der Pfarrei unserer Lieben Frau in München vermeldete.
Seinen frühen Tod betrauerte der Sprachforscher Andreas Schmeller, wie Fraunhofer Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, in seinem Tagebuch mit einem bewegenden Nachruf: „Fraunhofer, der schon einmal aus einem Grabe erstandene, um die Himmel und die Quellen des Lichtes näher als ein Sterblicher vor ihm, zu schauen, zum zweiten Male und ach für ewig begraben. Er war ausgelöscht am 7.t.“
Auszeichnungen und Würdigungen
Fraunhofer gilt „als Begründer der wissenschaftlichen Methodik im Bereich Optik und Feinmechanik, als Schöpfer der deutschen Präzisionsoptik und zugleich als erfolgreicher Unternehmer“. Er bereitete auch den Boden mit für Errungenschaften, die heute selbstverständlicher Alltag sind, zum Beispiel auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnik, für Datenübertragung durch Glasfasern, für optische CDs, die mit Hilfe von Laserlicht beschrieben und gelesen werden. Licht ist zu einem unersetzlichen Instrument in Wissenschaft, Industrie und Medizin, in der Messtechnik und in der Mikroelektronik geworden. Fraunhofers Bedeutung, seine Genialität waren bereits zu Lebzeiten er- und bekannt worden. Person und Leistungen Fraunhofers genossen nationales und internationales Ansehen. So wurde er 1817 Korrespondierendes und 1821 „außerordentliches besuchendes“ Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften - auch wenn sich einige Kollegen zunächst an der mangelnden Schulbildung Fraunhofers störten.
Fraunhofer Refraktor: geliefert nach Berlin und Dorpat - Brennweite: 4300 mm - Öffnung: 240 mm - Blende: f/18 - Mit diesem Teleskop entdeckte Johann Gottfried Galle 1846 den Planten Neptun. Zur dieser Zeit gehörten diese beiden Teleskope zu den weltweit besten. Das Berliner Exemplar ist heute im Deutschen Museum in München zu besichtigen. (Foto: J. S. Schlimmer 1995)
1822 bekam er die Ehrendoktorwürde der Universität Erlangen. König Ludwig I. verlieh ihm 1825 für seine Verdienste auf dem Gebiet der Optik und Mechanik das Ritterkreuz des Zivilverdienstordens der Bayerischen Krone und erhob ihn damit in den Adelsstand. Bedeutende Wissenschaftler wie der Mathematiker Carl Friedrich Gauss oder der Astronom John Frederic Herschel und hohe Politiker wie Staatsminister Graf Max Joseph von Montgelas oder König Max I. Joseph besuchten Fraunhofer in seiner abgelegenen Benediktbeuerner Glashütte: „Sie alle wollten den Mann sehen, der die optische Wissenschaft, die optische Industrie eben begründete.“
Noch ein paar Tage vor seinem Tod erhielt Fraunhofer die Ernennung zum Ritter des königlichen Dänischen Dannebrog-Ordens. Die Nachrufe, die zu seinem Tod erschienen, sprachen vom „europaberühmten“, ja „weltberühmten“, vom „unsterblichen Fraunhofer“. München stiftete die Grabstätte im südlichen Friedhof als Monument „für immer“. Das Grabmal mit der Büste Fraunhofers, die der Bildhauer Ludwig von Schwanthaler nach der Totenmaske geschaffen hatte, und mit der poetisch-prägnanten Inschrift „Approximavit sidera“ („Er brachte uns die Sterne näher“) wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und durch einen modernen Erinnerungsstein ersetzt. König Ludwig I. war ein besonderer Verehrer Fraunhofers. Im Juli 1826 ließ er bei der Grundsteinlegung des Königsbaus der Münchner Residenz neben der Bauurkunde und Klenzes Plänen auch zwei Glasprismen aus Fraunhofers Werkstatt einmauern – ein außergewöhnliches Zeichen seiner Wertschätzung.
Stadtväter benannten 1827 die Fraunhoferstraße
Die Straubinger Stadtväter benannten bereits 1827 den „Rindermarkt“ in „Fraunhoferstraße“ um und ließen am Geburtshaus Fraunhofers (Haus-Nr. 3) eine in frühklassizistischem Stil gestaltete Büste und zwei Gedenktafeln anbringen. In München wurde 1829 eine neu erbaute Straße, ganz in der Nähe des optischen Instituts, der Werkstätte Fraunhofers in der Müllerstraße, nach ihm benannt. 1846 wurde er durch eine Büste, geschaffen von Michael Haller, in der Ruhmeshalle auf der Theresienwiese geehrt. Am 16. Mai 1868 enthüllte man das vom inzwischen verstorbenen König Max II. initiierte Fraunhofer-Denkmal in der Maximilianstraße, entworfen von Johann Halbig, gegossen von Ferdinand von Miller. Das Fraunhofer-Denkmal in Straubing am Herzogsschloss, geschaffen von Hermann Hahn, wurde 1910 eingeweiht.
Bis heute heben fast alle Veröffentlichungen nicht nur Fraunhofers Leistungen auf dem Gebiete der Optik, Mathematik, Physik hervor, sondern auch das Ungewöhnliche an seinem Lebensweg, von einer ungebildeten armen Waise zu einer herausragenden Geistesgröße, zu einem der „ganz Großen“ zu werden; Fraunhofer, „Autodidakt und Genie“, wurde eine enorme Willenskraft zugeschrieben. Bereits Zeitgenossen hatten zudem von einem „Engelsgemüte“ Fraunhofers gesprochen. Die Integrität Fraunhofers und sein freundliches Wesen, das er trotz aller Erfolge und Ehren behielt, wurden stets gerühmt. Auch bei der Verleihung des Bayerischen Zivilverdienstordens war „die empfehlende Bescheidenheit dieses vortrefflichen Mannes“ betont worden.
Zur Erinnerung an diesen berühmten Straubinger ist im Januar 2012 eine Briefmarke erschienen, die am 19. März offiziell in Straubing vorgestellt wird. Die Stadt Straubing wird im Herbst 2012 ein Fraunhofer-Kulturprogramm mit Vorträgen, Führungen, Exkursionen und Präsentationen anbieten.
Autorin: Dr. Dorit-Maria Krenn, in: SR-Tagblatt vom 6. März 2012, Seite 29
>>> Beitrag des BR.de/Wissen [... hier]
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