"Verbündet - verfeindet - verschwägert": Bayerisch-Oberösterreichische Landesausstellung

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Bayerisch-Oberösterreichische Landesausstellung: 27. April bis 4. November 2012 in Burghausen – Braunau/Ranshofen - Mattighofen

  • mit einem Auszug der Eröffnungsrede des Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofers am 25.04.12
  • und einem Beitrag des SR-Tagblatts

 

 

Burghausen

Als Österreich noch bei Bayern war…


Sklavenhandel und christliche Mission, Ackerbau und Kaiserkrönung, Rittertum und Fernhandel prägten das Herzogtum Bayern, das im frühen Mittelalter vom Lech bis nach Wien reichte. Die Donau war die bestimmende Raumachse des Landes. Die Burg zu Burghausen, eine der längsten Burgen der Welt, bildet den Rahmen für die Inszenierung einer spannenden Epoche in der gemeinsamen bayerisch-österreichischen Geschichte.

handschrift_nibelungenliedDie Zeitreise beginnt im 8. Jahrhundert, als im Herzogtum Bayern – ausgehend von den alten Zentren an Donau und Inn – neue Räume erschlossen wurden. Vor allem die noch jungen Klöster wie Kremsmünster oder Niederaltaich taten sich hier hervor. Auch in der „Marchia Orientalis“, der „Östlichen Mark“, siedelten die Bayern und trieben Handel mit den Slawen.

Abb. links: Das Nibelungenlied ist ein mittelalterliches Heldenepos. Es entstand zu Beginn des 13. Jahrhunderts und wurde in der damaligen Volkssprache Mittelhochdeutsch geschrieben. (Bayer. Hauptstaatsarchiv, München)

Die Zeitreise endet im 14. Jahrhundert, als die Herzogtümer Bayern und Österreich herrschaftlich getrennte Wege gingen. Die Landesausstellung geht alten Konflikten nach, vor allem aber historischen Gemeinsamkeiten, die bis heute Bayern und Österreich verbinden.

Warum schenkte der bayerische Herzog Tassilo dem Kloster Kremsmünster einen kostbaren Kelch? Was ist in der „Taufurkunde“ Österreichs von 996 zu lesen? Wie klingen die Lieder des Burggrafen von Regensburg? Wie hört sich eine Zauberharfe an? Wie war es, als die Nibelungen die Donau abwärts zogen? Bei der Beantwortung dieser und vieler weiterer Fragen helfen prachtvolle Kunstschätze ebenso wie Aktivstationen. Hier können Sie nachvollziehen, wie schwer es sich im Mittelalter pflügte und welche Körperbeherrschung die Bedienung eines Baukrans erforderte.

 

Braunau

Kriege, Kunst und Frömmigkeit


Während in Burghausen die gemeinsame Geschichte von Oberösterreich und Bayern bis ins Hochmittelalter beleuchtet wird, setzt der Teil der Landesausstellung in Ranshofen Ende des 17. Jahrhunderts an.

Trotz Kriegen, Angst und Schrecken entfalteten sich im Barock Kunst und Kultur – mit dem Ziel, den jeweiligen Herrscher zu glorifizieren. Architektur, Malerei, Musik, Oper und Ballett standen im Dienste der absolutistischen Herrscher. Kostbare Originale und spannend arrangierte Inszenierungen lassen die Besucherinnen und Besucher das Lebensgefühl des Barock nachvollziehen.

codex millenarius minorFrömmigkeit wiederum war für alle Stände ein wichtiger Teil barocker Lebensform. Die Teilnahme an kirchlichen Prozessionen, der tägliche Besuch der Messe, Wallfahrten oder Mitgliedschaft bei bestimmten Bruderschaften gehörten zum Ritual fürstlichen Lebens. Zeugen dieser Zeit sind unter anderem die originale Kaisermonstranz von Karl VI. Votivgaben an die beiden prominenten Wallfahrtsorte Altötting und Mariazell sowie Mirakelbücher, die von Not und Hoffnung aller Bevölkerungsschichten künden.

Abb. rechts: Codex Millenarius Minor: Die Klöster standen in regem Kontakt miteinander, etwa beim Austausch von Handschriften, und schufen damit Verbindungen zwischen dem alten und dem neuen Siedlungsland. Die Handschriften waren oft Gemeinschaftswerke mehrerer Klöster im bayerisch-österreichischen Raum.

Die Jagd war eine der beliebtesten Vergnügungen bei Hof. Kostbare Jagdwaffen, Portraits im Jagdkostüm und beeindruckende Trophäen zeugen von der Prachtentfaltung bei Hof.

Barocke Lebensfreude drückte sich aber auch in opulent gedeckten Tafeln mit edlem Porzellan und Silberbesteck aus. Das original „Mundzeug“ von Maria Theresia etwa gibt Zeugnis davon, wie die Kaiserin zu speisen pflegte.

Persönlicher Ehrgeiz der Herrscher, machtpolitische Spiele oder der Kampf um den „rechten“ Glauben, kriegerische Auseinandersetzungen, wechselnde Allianzen und politische Intrigen – sie bildeten oft die Schattenseiten des Lebens damals. Die Auswirkungen bekamen meist die einfachen Leute zu spüren. So zum Beispiel wurden in der Sendlinger Mordweihnacht (1705) mehr als tausend bayerische Rebellen niedergemetzelt. In der Landesausstellung gezeigt werden noch die grausamen Waffen von damals: Sense, gespickter Dreschflegel, Saufeder, Säge oder Morgenstern – um nur einige zu nennen.

 

Mattighofen

Kongress und Kindersegen


Sie betreten die altehrwürdigen Gemäuer und tauchen ein in eine Zeit der Umstürze und Konflikte. Begleitet von zwei Zeitzeugen erleben Sie die Koalitionskriege gegen Napoleon, das Werden des Königreiches Bayern und des Kaiserreiches Österreich, den Tiroler Volksaufstand, die russische Katastrophe, die Befreiungskriege von 1813 und den Wiener Kongress. Erlaubt ist Ihnen auch ein Blick hinter die Kulissen in das Privatleben der beiden Herrscherfamilien.

Fernab der Öffentlichkeit gab es eine Reihe von Vergnügungen, mit denen sich Kinder und Erwachsene aus gutem Hause die Zeit vertreiben konnten. Vergnügungen, die unsere Besucher kennenlernen, ausprobieren und mitmachen sollen: Zum Beispiel das Paume-Spiel - ein Vorgänger von Tennis -, das Bölzelschießen, das Jeu de Passes - eine Art Vorläufer von Minigolf - oder Schaukel und Federball.

Ebenso entstanden damals, ganz im Geiste der Aufklärung, prachtvolle Gärten, die erstmals für jeden zugänglich waren. Sie wurden im sogenannten „Englischen Stil“ angelegt: möglichst naturnahe, um dem Auge des Betrachters größtmögliche Freude zu bereiten.

Die Herrschenden lustwandelten nicht nur in ihren Gärten. Franz I. war wie seine Vorfahrin, Maria Theresia, ein begeisterter Gärtner und Hobby-Botaniker, dessen Initiative wir umfassende pflanzenkundliche Werke verdanken.

Doch auch in Mattighofen sollen die Schattenseiten und Entbehrungen im Leben der damaligen Zeit nicht verschwiegen werden: Viele davon, wie die Kindersterblichkeit oder die mangelnde Schulpflicht, betrafen breite Schichten der Bevölkerung. Und so erlaubt die grenzüberschreitende Landesausstellung auch einen Blick an die Wochenbetten, in die Kinder- und in die Klassenzimmer der damaligen Zeit.


 

Auszug aus der Eröffnungsrede des Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofers am 25.04.12 (zum Geschichtsbewusstsein)

[...]

ZUKUNFT BRAUCHT HERKUNFT

„Ihr seid da, wo wir hin wollen“, diesen Satz höre ich oft. Im Ausland werde ich häufig gefragt: „Was ist Euer Erfolgsrezept?“ Ich antworte: Die Voraussetzung für unseren Erfolg ist unsere starke Identität! Bayern ist zukunftsstark, weil es traditionsstark ist! Deshalb gehen die Menschen angstfrei und mit Neugier auf andere Kulturen zu, deshalb herrscht ein positives Klima für Neues und eine besondere Kraft zur Zukunft.

Zwei Entwicklungen prägen unser Leben in der Gegenwart: zum einen in räumlicher Hinsicht die Globalisierung, die wachsende Bedeutung der weltweiten Verflechtung. Und zum andern die rasante Veränderung in der zeitlichen Dimension, die globale Beschleunigung. Auf beide Entwicklungen ist die selbstbewusste, regional verwurzelte Identität die richtige Antwort. Heimat heißt Verortung und Kontinuität. Die Menschen in Bayern und Österreich wissen: Die Weltgesellschaft des 21. Jahrhunderts wird keine Einheitsgesellschaft. Die eigene Identität und der Dialog mit anderen brauchen beides: das Wissen um den Unterschied und das Wissen um das Gemeinsame.

Vielfalt ist menschlich – Konformismus, Gleichmacherei und Nivellierung sind unmenschlich. Nur wer den Wert seiner eigenen Kultur kennt, ist zu Toleranz fähig und kann die Welt auch mit den Augen des Anderen sehen. Eine starke Identität ist auch die beste Prävention gegen aggressive Abgrenzung und nationalistische Überhöhung.

Bayerische Geschichte hat Konjunktur gerade in Zeiten der Globalisierung! Die Menschen in Bayern wollen mehr über ihre Vergangenheit erfahren – das zeigen die Erfolge der bisherigen Landesausstellungen. Allein die letztjährige Ausstellung zu unserem „Kini“ Ludwig II. hat an die 600.000 Besucher angelockt!

Viele Bürgerinnen und Bürger in Bayern engagieren sich in lokalen Geschichtswerkstätten und Heimatvereinen. Sie machen sich stark für ihr Dorfmuseum, für Gedenkstätten und ihre eigene Erinnerungskultur. Die Menschen in Bayern wollen wissen: Wie haben meine Vorfahren früher gelebt? Welche Schwierigkeiten haben die Generationen vor uns gemeistert, welche Hürden haben sie überwunden?

Die Menschen in Bayern spüren, was die Historiker wissen: Zukunft braucht Herkunft!

Sehr geehrte Damen und Herren,

der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker hat einmal gesagt: „Geschichte kann Heimat sein.“ Das erkennen die Menschen in Bayern. Unsere Vergangenheit ist für uns ein sicherer Anker in der Gegenwart. Die Rückbesinnung auf unsere kulturellen Wurzeln gibt uns Kraft und Selbstvertrauen. Gerade in Zeiten der Globalisierung gilt: Wer weiß, wo er herkommt, ist selbstbewusster, gelassener und kann kraftvoller in die Zukunft aufbrechen.

Das Wissen um das „Gestern“ verleiht uns Kreativität und Gestaltungskraft für das „Morgen“. Wir in Bayern schöpfen aus der Geschichte unser Selbstverständnis, unseren Mut und unsere Inspiration. Man mag sehr akademisch über Begriffe wie „Leitkultur“ streiten. Aber ich bin überzeugt: Unsere Kultur ist unser größtes Kapital. Aus der Quelle unseres kulturellen Reichtums gewinnen wir Zinsen – und gleichzeitig steigern wir seinen Wert für jeden Einzelnen!

Erst vor zwei Tagen haben wir den symbolischen Grundstein für ein neues Museum für Bayerische Geschichte in Regensburg gelegt. Dieses Museum ist einzigartig – es ist eine Liebeserklärung an unsere Heimat. Das Museum für Bayerische Geschichte ist offen für alle Menschen, die in Bayern leben, die Bayern lieben - und für alle, die Bayern kennenlernen wollen. Das Museum für Bayerische Geschichte wird ein Leuchtturm – und wir werden insgesamt unsere Kultur- und Museumslandschaft stärken. Das Museum ist Teil in einem umfassenden Kulturkonzept. Wir wollen allen unseren bayerischen Regionen helfen, ihre kulturellen Stärken noch besser zur Entfaltung zu bringen.

Wir sind stolz auf unsere regionale und kulturelle Vielfalt! Der Respekt vor anderen Kulturen beginnt beim Stolz auf die eigene Kultur. Weltoffenheit und Heimatliebe, Toleranz und Verantwortung für die Gemeinschaft gehören bei uns zusammen. Wir haben unsere Heimat im Herzen und Europa im Blick!


 

 

Die Bayerisch-Oberösterreichische Landesausstellung "Verbündet - verfeindet - verschwägert"

Quelle: Christian Muggenthaler in: SR-Tagblatt vom 28. April 2012, Seite 76

bauernkalender im mrz 1368-1405Es war einmal eine Zeit, da gab es noch kein München und kein Wien – und doch schon ein Bayern. Und was für eines. Der ungefähre Umfang dieses ursprünglichen, seit dem frühen Mittelalter vor sich hin wachsenden Territorialgebildes lässt sich anhand von Orten, die auf -ing enden, relativ gut abschätzen. Es ist jenes Gebiet, in dem man heute noch bairisch in seinen regionalen Sonderformen spricht: Tirol, die Steiermark, Kärnten, Ober- und Niederösterreich. All diese heute österreichischen Landesteile gehörten lang zu Bayern. Ein Raum mit viel "Naherholungscharakter", wie Richard Loibl, Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte, bei einer ersten Präsentation der Schau "Verbündet – Verfeindet – Verschwägert" in Burghausen sagte. Die diesjährige Bayerische Landesausstellung haben Loibl und seine Mitarbeiter zusammen mit Kollegen aus Österreich gleich zu einer zweistaatlichen bayerisch-oberösterreichischen Ausstellungsreihe in Burghausen, Ranshofen und Mattighofen gemacht. Der erste Teil in Burghausen bietet einen weitreichenden, aber nicht üppigen, sondern klar überschaubaren Blick zurück ins Mittelalter: als Österreich noch bei Bayern war.

Abb. links: Bauernkalender im März 1368 - 1405

tassilokelchschreibmayr-3In Burghausen, der Zweitresidenz der niederbayerische Wittelsbacher, dort, wo sie ihren Staatsschatz und nicht selten auch ihre Gemahlinnen deponiert hatten, kann man jetzt bis zum 4. November einen klar strukturierten Rückblick auf die Welt des Mittelalters unternehmen. Eingerahmt wird die Zeit in der Ausstellung von zwei großen bayerische Herrschergestalten des Mittelalters: dem Agilolfinger Tassilo III., der als sehr selbstbewusster Herzog begann, bis Ludwig I., der als exkommunizierter Kaiser endete. Beiden wurden so viele Legenden gestrickt, dass die Ausstellung darauf mit betonter Sachlichkeit reagiert.

Abb. rechts: Als Tassilokelch bezeichnet man einen im Stift Kremsmünster aufbewahrten Kelch, der um 780 von dem bayrischen Herzog Tassilo und seiner Gemahlin Luitpirga gestiftet wurde, möglicherweise anlässlich der Gründung Kremsmünsters 777.

Was die Schau von Beginn an prägt, ist nicht etwa ein Protzen mit Üppigkeit, sondern das Zeigen wesentlicher Fundstücke, anhand derer man sich klar orientieren kann und die viel erzählen von den Zügen der Zeit, wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und alltagsgeschichtlichen. Das moderate Bestücken der Schau ist sicher auch den relativ engen Räumen geschuldet, in denen hier und da auch Gedränge zu vermuten sein dürfte. Luft und Raum geben dafür aber die didaktischen Räume, in denen man Alltagsgeschichte am eigenen Leib nachspüren kann: Wie hart das Geschäft des Pflügens oder Mehlmalens oder des buchstäblichen Schuftens in einer Tretmühle vor sich geht. Denn Getreide und Kraut sind es, von denen sich der gemeine Mann ernährte.

Donau, Inn und Salzach waren die wichtigsten Wirtschaftsverbindungen jener Zeit, die Isar beispielsweise noch viel zu wild und unschiffbar. Die wichtigen Orte hießen Freising, Salzburg, Passau, und der Zentralort Tassilos III. war Regensburg: So gesehen die erste Hauptstadt des Herzogtums, weil wenigstens in Bruchstücken aus der Römerzeit erhalten. Tassilo war offenbar ein sehr selbstbewusster und sich von den einflussreichen Franken emanzipierender Herr, war zudem der Gründer diverser Klöster, die dann wieder für den inneren Landesausbau wichtig wurden. Manch Erinnerungsstück an Tassilo gibt es an in Burghausen zu sehen. Der auch gezeigte Tassilokelch ist allerdings eine der wenigen Repliken der Ausstellung: Das Original ist in Kremsmünster geblieben. Dafür kann man beispielsweise in das Verbrüderungsbuch von St. Peter zu Salzburg schauen, eine ganz wichtige Quelle für alle Frühmittelalter-Landesgeschichtler, in der eine Namensreihe der in Bayern führenden Männer und Frauen aus der Familie der Agilolfinger aufgelistet ist, von Theoto und Folchaid bis Otilo. Mit Tassilo III. hört die Sippe der Agilolfinger dann zu regieren auf. Er war den Franken schließlich zu selbstständig geworden; und weil das Mittelalter ein auch recht bildhaftes war, äußerte sich seine Entmachtung durch eine Entmannung – und dann ging's ab ins Kloster.

Zugleich aber profitierten die Franken unter Karl dem Großen von Tassilos Territorialerweiterung in Richtung Alpen und die Absicherung seines Landes gegenüber den Stämmen des Ostens, vor allem den Awaren und den karantanischen Slawen. Die Einrichtung von so genannten Grenzmarken wie Kärnten, Steiermark, Ostmark zur dauerhaften Absicherung der bajuwarischen Besiedlung waren die Folge. Der Landesausbau fand aber nicht nur nach außen, also an den Grenzen statt, sondern auch und vor allem nach innen: Rodung und Binnenbesiedlung waren Schwerpunkte des Landesausbaus. Dafür waren erstrangig die Klöster zuständig. Und auch in den Rodungsorte waren Härte und Hunger die Dauerfeinde der Hoffnung, es möge eines Tages besser werden. Eine der Erklärungstafeln – auch sie beschränken sich auf das gerade Notwendige zu ausreichender Orientierung im Geschichtsverlauf – beschreiben den Dreischritt der Binnenbesiedlung: Tod, Not, Brot. Ortsnamen mit Endungen wie -reuth oder -holzen bezeugen heute noch derlei Rodungsinseln. Und die Klöster waren immer mittendrin. Einer der schönsten Säle der Ausstellung zeigen die reiche Klosterlandschaft des mittelalterlichen Bayerns, mit Fotos und wiederum immer nur ein paar, aber dafür um so bestaunenswerteren Preziosen aus den Akteien: Prachtbibeln, Krummstäbe, Ornamentales. Man muss nicht religiös sein, um dort Andacht zu spüren.

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Von links: Reliquienkreuz - Abtsstab des heiligen Godehard, Abt der Benediktinerabtei Niederaltaich und Bischof von Hildesheim - Goldschatz (Bayer. Hauptstaatsarchiv, München)

Religiosität und Jenseitsdenken gehörten wohl unverbrüchlich zu einer Zeit, in der ein Menschenleben "nicht viel wert war", wie Loibl sagte. Damals, als es eine monopolisierte Staatsgewalt, wie wir sie heute kennen, noch lange nicht gab, war die Fähigkeit zur Selbstverteidigung praktisch die einzige Lebensversicherung: Im Jahr 1000 gab es um die 1000 Burgen. Und dort war das Leben oft ähnlich mühselig wie das der Bauern drumherum. Spürbar arbeitet die Schau in Burghausen gegen alles Idyllisieren des Mittelalters, das nach wie vor durchaus en vogue ist. Stattdessen ist der Alltag von Burgherren und ihren Bauern zu erspüren; und wenn beispielsweise der Blick zurück auf den Donauhandel geht, wird beides benutzt: die konkrete Anschauung etwa von Sklavenfesseln als Beweis für ein ganz wichtiges Handelsgut jener Zeit, und die Phantasie, weil man über einen gläsernen Boden geht, unter dem Video-Donaufische blubbern. Und neben Heldischem, Helmen und Schwerten, sehen wir auch das Ende: Schädel und längst ausgestorbene Adelsfamilien. Natürlich sind es die Überreste jener höhergestellten Gesellschaftsschicht, die eine so umfassende Ausstellung prägen; deren Schmuckstücke, Gewänder, Bücher und Urkunden. 

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ostarrichi-urkundeAbb. links: Siegel der Goldenen Bulle mit dem Bildnis Karl IV (wiki/commons)

Abb. rechts: Die Ostarrîchi-Urkunde Ottos III. aus dem Jahre 996

In diesem Fundus dürfte sich jeder ein besonderes, persönliches Faszinosum finden im Rundgang durch die Jahrhunderte. Da ist beispielsweise der Hundeshagensche Codex des Nibelungenlied. Da ist die Goldene Bulle, eine für das Kaiserreich so wichtige Urkunde zur Verfassung, die unter anderem die Kurfürsten, also die Kaiserwähler festschrieb. Und da ist das privilegium maius, eine der berühmtesten Urkundenfälschungen der Vergangenheit. Sein ungefälschtes Gegenstück ist das privilegium minus von 1156, in dem Friedrich Barbarossa Bayern nach einem Streit zweier Familien um die Vorherrschaft Bayern teilte und das Ostreich ("Ostarrichi" oder "Austria") dem Babenberger Heinrich Jasomirgott als Herzogtum gab, mit allen Vorrechten wie die volle Gerichtsbarkeit und die Erblichkeit der Herzogswürde auch in weiblicher Linie. Dem Welfen Heinrich dem Löwen blieb Bayern, das aber an Landmasse verlor: Im weiteren Verlauf waren schon oder sind später auch Tirol, Kärnten und die Steiermark aus Bayern ausgeschieden und später in den habsburgischen Machtblock gekommen.

Und nicht lange nach dieser Trennung herrschte dann auch schon Krieg, der erste zwischen Bayern und Österreich: Ludwig der Bayer und Friedrich der Schöne stritten sich um alles mögliche und vor allem die Kaiserkrone, Beginn der langen Auseinandersetzungen, Kriege und Friedensphasen zwischen den Wittelsbachern und den Habsburgern: verbündet, verfeindet, verschwägert eben. Ludwig setzte sich in zwei Schlachten, 1313 bei Gammelsdorf und 1322 bei Mühldorf durch. Er regierte als Kaiser – und stritt sich seine ganze Regentschaft lang danach mit dem Papst herum. Der Krieg aber setzte schon einmal ein Vorzeichen vor die bewegte Geschichte zwischen den Bayern und den Österreichern, deren Verlauf während der Barockzeit im ehemaligen Augustiner-Chorherrenstift Ranshofen und während des 18. und 19. Jahrhunderts in Schloss Mattighofen gezeigt wird.

 

Bayerisch-Oberösterreichische Landesausstellung 2012 von 27. April bis 4. November, täglich von 9 bis 18 Uhr.

 

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