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Verschlungene Pfade der Heimat
Edda Fendl an ihrem Arbeitsplatz. Computer und Drucker gehören mittlerweile zur Grundausstattung. Fotos: mai
Edda Fendl schreibt seit fast einem Vierteljahrhundert über die Falkenfelser Geschichte
Von Tobias Maier Archivare, Pfarrer, Dorfbewohner, Gleichgesinnte, Nachlässe, Alben, Fotos, Bücher, Hefte, Verzeichnisse, Grundsteuerkataster, Häuser, Anwesen, Kirchen, Friedhöfe oder Grabsteine – das alles und mehr sind wertvolle Informanten für die Heimatforscherin Edda Fendl aus Mitterfels. Dabei führt eins zum anderen, das Hundertste zum Tausendsten, mit einer Antwort, einem Hinweis, einem Bezugspunkt stellen sich neue Fragen, bahnen sich neue Wege und ergeben sich neue forschungsrelevante Herausforderungen. „Es fließt alles dahin und ist miteinander verschlungen“, sagt Fendl. 1939 in Berlin geboren, muss die dreijährige Edda mit ihrer Mutter und den beiden Geschwistern vor dem näherrückenden Krieg fliehen. Der Vater ist an der Front. Es verschlägt sie zunächst nach Straubing, dann in die Heimat des Vaters nach Falkenfels. Fendl erinnert sich: „Der ganze Ort war voller Flüchtlinge und voller Angst.“ Als der Vater auf „Bombenurlaub“ war, hat er für den Kompanieführer eine Wohnung gesucht. Dieser wurde jedoch andernorts gebraucht und die eigene Unterkunft war gefunden.
Kinder der Freiheit
In Fendls Falkenfelser Kindheit gab es inmitten der Kriegswirren auch Positives: „Wir hatten eine unendliche Freiheit.“ Oft frei von der elterlichen Aufsicht und frei zu tun, was sie wollten, bis Einbruch der Nacht. „Es war immer eine ganze Schar Kinder, die rumgezogen ist.“ 1945 wurde sie in Falkenfels eingeschult: „Das war meine Einwurzelung.“ Der halbstündige Schulweg wurde gemeinsam absolviert: „Da haben wir miteinander geratscht. Und manchmal auch gerauft.“ Früh schon wusste Fendl, dass sie Lehrerin werden wollte. Doch die Türen zum Gymnasium blieben zunächst verschlossen. Der Weg war zu weit, die Verkehrsanbindung kurz nach dem Krieg zu schlecht. Ihr Traum drohte zu platzen. Bis sich Fendls Firmpatin, die Frau eines in München lebenden Onkels, dazu bereiterklärte, sie bei sich aufzunehmen. „Ich habe sie lange genug bearbeitet“, sagt Fendl mit einem melancholischen Lächeln. Mit elf Jahren kam Fendl nach München und ins Gymnasium, wieder war sie fern ihrer Heimat, hatte Sehnsucht nach dem Ort der frühen Freiheit. Wieder war sie entwurzelt. „Das Heimweh habe ich im Alltag aber oft vergessen oder es wurde verdrängt, beispielsweise von der Angst vor Schulaufgaben.“
Gewissermaßen Fendls gesammelte Werke mit der Erstausgabe des Mitterfelser Magazins (rechts unten), für das sie einen Beitrag zum Klöppeln beisteuerte.
Abschluss als Beginn
Schon in ihrer Abschlussarbeit für das Lehramtsstudium an der pädagogischen Hochschule in Pasing kehrte Fendl wieder zu ihren Wurzeln zurück. Denn Fendl hat sie zur Geschichte von Falkenfels verfasst: „Damals habe ich im Archiv gearbeitet, aber auch schon viel Feldforschung betrieben. So habe ich einige im Dorf kennengelernt.“ Es war Fendls Start in die Heimatforschung, wenngleich sie ihre Forschungen erst wieder nach ihrer Pensionierung 1995 aufnahm. Just 1995 feierte Mitterfels sein 800-jähriges Bestehen, unter anderem mit der Erstausgabe des Mitterfelser Magazins. Im Seniorenkreis ihrer Mutter hatte Fendl Fahrdienste geleistet und aus den Geschichten, die sie dabei gehört hat, entstanden die ersten Beiträge. Ihr Mut zu Veröffentlichungen wuchs und ab der zweiten Ausgabe des Mitterfelser Magazins wandte sich Fendl verstärkt Falkenfelser Themen zu. Nachdem Fendl 2007 eine schwere Krankheit überstanden hatte, nahm sie als Dank an die Muttergottes von Sossau für ihre Genesung ihre erste Monografie in Angriff. Mittlerweile hat sie sechs Ganzschriften verfasst. Grundsätzlich ist die Freude am Entdecken Fendls Triebfeder: „Es ist einfach schön, immer wieder Neues herauszufinden und es mit anderen zu teilen.“ Private Forschung nur für den Eigenbedarf könne sie sich nicht vorstellen.
An Material zum Sichten fehlt es Edda Fendl nicht.
Erste Steuer aufs Bier
Die Heimat wird zum Wimmelbuch. An einer Kirche in Ascha hat Fendl die Bezeichnung „Aufschlageinnehmersgattin“ gelesen. Der Begriff kam ihr seltsam vor. Sie begann zu recherchieren: „Der Aufschlag war eine Steuer, und die erste Konsumsteuer in Bayern war die Biersteuer.“ Dies nahm Fendl zum Anlass, ihrem Vater, der vor seinem Kriegseinsatz Bierbrauer war, ein Denkmal zu setzen. Es kam zu einer Veröffentlichung in einer Berliner Zeitschrift für Brauereiwesen. 1980 kaufte sich Fendl ein Haus in Mitterfels. Hier ist sie inzwischen heimisch geworden, hat Wurzeln geschlagen: „Ich habe hier alles, was ich brauche, vor allem die Menschen.“ Fendl betont wiederholt den Zusammenhalt in der Nachbarschaft. Die Menschen wissen: Das Stöbern und Suchen ist ihr Metier. In einem Nachlass, der ihr zur Durchsicht anvertraut wurde, hat sie ein unveröffentlichtes Originalgedicht der Emerenz Meier gefunden und dem Museum in Waldkirchen zur Verfügung gestellt.
Genug zu tun
Von verschiedenen Seiten erhält Fendl Anregungen, wie vom Familienforscherstammtisch in Steinach. Auch deshalb sagt sie: „Arbeit ist genug da.“ Aktuell plant sie eine Geschichte über Falkenfelser Auswanderer in die USA. Die verwurzelte Entdeckerin begibt sich auf die Pfade der Entwurzelung, auch oder gerade, weil es nicht ihre sind.
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