"Ostern ist das Plädoyer Gottes für das Leben."

 

Kath. Pfarreiengemeinschaft Mitterfels-Haselbach: Predigt von P. Dominik Daschner OPRAEM in der Osternacht

Seit Wochen nun schon sucht die Weltöffentlichkeit vergeblich nach dem malaysischen Flugzeug MH 370, das auf so rätselhafte Weise spurlos verschwunden ist. Rund 25 Länder beteiligen sich mittlerweile an der großangelegten Suche. Alles wird dabei aufgeboten, um wenigstens die Trümmer des Flugzeugs zu finden: Satellitenbilder werden ausgewertet, Radar-aufzeichnungen analysiert, Geheimdienste tauschen ihre Erkenntnisse aus. Suchflugzeuge überfliegen das in Frage kommende Gebiet, Schiffe durchkämmen den Ozean, U-Boote mit neuester Sonartechnik versuchen ein Funk¬signal des Flugschreibers zu orten – alles bislang ergebnislos. Aber solange kein sichtbarer Beweis gefunden ist, will man sich nicht zufriedengeben mit der eigentlich unausweichlichen Tatsache, dass das Flugzeug abgestürzt ist und die 239 Menschen an Bord tot sind. Dieses Beispiel zeigt wieder einmal: Der Mensch kann und will sich mit dem Tod nicht einfach abfinden.

Im Tierreich ist das anders. Wenn zum Beispiel aus einer Antilopenherde ein Tier gerissen worden ist, dann bleibt der Rest der auseinandergesprengten Herde nur kurz stehen und schüttelt sich durch. Der Tod des einen Herdenmitglieds ist abgehakt, und das Leben geht weiter. Beim Menschen ist das deutlich anders. Wir können angesichts des Todes nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.

Da kann man sich fragen: Woher hat der Mensch das? Warum ist das bei ihm so anders? Dafür gibt es eigentlich nur eine plausible Erklärung. Das muss dem Menschen als Ebenbild Gottes von Gott selbst so ins Herz gesenkt worden sein; von jenem Gott, der sich auch nicht abfindet mit dem Tod seiner Geschöpfe. Was wir an Ostern feiern, die Auferweckung seines Sohnes Jesus aus Tod und Grab macht genau das deutlich: Gott findet sich nicht ab mit dem Tod; er ist Anwalt des Lebens.

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"Auferstehung", Hermann Nitsch, Wien, 2002

Dieses Wesensmerkmal Gottes zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Heilsgeschichte. In den Lesungen der Osternacht hören wir jedes Jahr einen Durchgang durch die wichtigsten Stationen dieser Geschichte Gottes mit uns Menschen. Am Anfang steht dabei jeweils die Schöpfungserzählung der Bibel. Sie unterstreicht: Gott will Leben. Eine wunder-bare Fülle an Leben hat er hervorgebracht. Gott ist ein Freund des Lebens in seiner herrlichen Vielfalt. Und dieses Leben soll sich entfalten.

Dann die zweite Lesung: Als Abraham versucht, seinen Sohn Isaak Gott als Opfer darzubringen, verhindert Gott selbst durch seinen Engel dieses Menschenopfer. Diese Erzählung macht deutlich: Gott will vom Menschen keine Opfer, die Leben verhindern, es schmälern oder klein machen, und schon gar nicht, dass ein Mensch selbst zum Opfer wird.

Und dann hören wir jedes Jahr die Rettung des Volkes Israel am Schilfmeer bei seinem Exodus aus Ägypten, das Paradebeispiel des Alten Testaments für das rettende Eingreifen Gottes zugunsten seines Volkes. Er lässt das Leben der Seinen nicht zugrunde gehen. Mancher fragt bei dieser Lesung kritisch: Und was ist mit den armen Ägyptern, die da mit Ross und Reiter im Meer ersaufen? Sind das nicht seine Geschöpfe? Wie kann Gott so grausam sein und sie in den Tod schicken? Liebt er nicht alle Menschen gleich? - Doch, Gott liebt alle gleich. Aber – und vielleicht müssen wir das erst noch richtig lernen – er ist dennoch parteiisch. Nicht im Sinne von Willkür. Gott ist parteiisch, weil er Partei ergreift für die Schwachen. Er stellt sich auf die Seite derer, deren Leben bedrängt ist. Und das waren in dieser Situation eben die verfolgten, aus der Sklaverei geflohenen Israeliten. Die Ägypter waren in einer Position der Stärke, sie hatten es selbst in der Hand. Gott steht auf der Seite der Opfer. Auch diese Episode der Bibel zeigt also: Gott will nicht, dass Leben zugrunde geht. Er greift ein, wo Leben bedroht wird.

Aus dem gleichen Grund hat er seinem Volk Israel immer wieder Propheten geschickt, wenn sein Volk auf Abwege geraten ist, wie wir in den weiteren Lesungen der Osternacht hören. Durch seine Mahner, die Propheten, will Gott verhindern, dass die Seinen Wege einschlagen, die statt zum Leben, in Unheil und Tod führen. Gott lässt sein Volk nicht einfach ins Verderben laufen.

Alle Lesungen der Osternacht treffen sich in dieser einen Aussage: Gott ist ein Freund und ein Anwalt des Lebens. Er lässt unser Leben nicht zugrundegehen. So hatte es Gott am Ende der Sintflutgeschichte, die es jetzt sogar in die Kinos geschafft hat, bei sich selbst geschworen. Als die Gruppe um Noah nach der Flut wieder festes Land betritt, schwört Gott: „Ich will künftig nicht mehr alles Lebendige vernichten."

In dieser festen Überzeugung, dass Gott unser Leben nicht verderben lässt – auch im Tod nicht – hat Jesus gelebt und ist er ans Kreuz gegangen. Und er ist in dieser Überzeugung von Gott selbst bestätigt worden. Gott hat seinen Sohn nicht im Tod gelassen, sondern ihn auferweckt zu neuem Leben. Und das gilt nicht nur singulär für seinen Sohn Jesus, das gilt für alles Leben auf dieser Welt. Jesus Christus ist der „Erstgeborene der Toten"; das heißt: Was an ihm als Erstem geschehen ist, das wartet auf alle Geschöpfe.

Ostern, liebe Schwestern und Brüder, das ist die endgültige Bestätigung, dass Gott für uns nichts anderes will als Leben. Er ist der Anwalt des Lebens. Er stellt sich auf die Seite all derer, deren Leben eingeschränkt, bedroht, verwundet oder sonst irgendwie gefährdet ist. Ostern ist das Plädoyer Gottes für das Leben. Davon künden ja auch die zahllosen Osterbräuche, die alle um dieses Motiv kreisen: neues Leben – das Osterei, die Frühlingsblumen, das Lamm, der Osterhase und, und, und. Seit Ostern ist der Tod nur noch auf Bewährung frei, ist er nur noch für eine letzte Frist in dieser Welt. Das endgültige Urteil über ihn ist von Gott her schon gesprochen.

Wenn wir Ostern feiern, dann müssen auch wir in diese lebensbejahende Haltung Gottes einsteigen, müssen wir selber Anwälte des Lebens sein. Fast alle Ostergeschichten der Bibel en-den damit, dass die Entdecker des leeren Grabes oder wer dem Auferstandenen persönlich begegnet ist, als Boten zu anderen gesandt werden: Nun aber geht und sagt auch den anderen...! Sendung, diese Botschaft vom Leben weiterzutragen, ist das. Wenn wir Ostern feiern, wenn der Glaube an Auferstehung und neues Leben unser Herz erfasst hat, dann müssen wir selber zu Fürsprechern des Lebens werden. Dann dürfen wir uns nicht abfinden mit dem Tod in seinen vielfachen Ausprägungen.

Ob das sozial ist: in Form von Vorurteilen, Mobbing und Ausgrenzungen, wo Menschen abgeschrieben oder mundtot gemacht werden, ob im realen Umgang miteinander oder – immer häufiger und vehementer – virtuell im Internet; der soziale Tod also. Von Ostern geprägte Menschen arbeiten stattdessen daran, Mauern der Vorurteile abzubauen, festgefahrene Denk-muster aufzubrechen, einfach den Menschen dahinter zu sehen, so wie Jesus das immer getan hat.

Oder der Tod im persönlichen Empfinden, wo Menschen gefangen sind in Resignation und Depression, denen von klein auf eingeflüstert worden ist: „Das kannst du nicht! Du bist nichts, du taugst nichts" und die sich deshalb nichts zutrauen. Österliche Menschen kämpfen gegen solche negativen Einreden an, bemühen sich beharrlich, in den Betroffenen neuen Lebensmut, Freude am Dasein, Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten hervorzulocken.

Oder bei den Vorboten des Todes in Gestalt von Krankheit und Sterben, wo manche heute schnell der gezielten Tötung Schwerkranker das Wort reden – wie jüngst in Belgien entschie-den, sogar bei Kindern und Jugendlichen –, weil das so doch kein Leben mehr sei, statt Schwerkranke und Sterbende mit liebevoller Zuneigung menschlich zu begleiten, unterstützt von gezielter Schmerztherapie.

Als österliche Menschen dürfen wir uns nicht abfinden mit dem Tod, so wie das auch die Suchmaßnahmen nach dem Flug MH 370 nicht tun, müssen auch wir Anwälte des Lebens sein, müssen wir des¬halb Einspruch erheben überall dort, wo Menschen am Leben gehindert werden. „Ostern kann nicht nur heißen: Es gibt ein Leben nach dem Tod. Das klingt wie eine Vertröstung.", so schreibt der Theologe Jürgen Moltmann, „Ostern muss heißen: Das Leben hier wandelt sich." Von Ostern her denkende und lebende Menschen erheben deshalb die Stimme für das Leben, gegen alles, was Leben einschränkt, behindert oder ver¬hindert, was Leben unter sich begräbt, es unter dem Deckel halten will, so wie der Stein vor dem Grab Jesu. Österlich geprägte Menschen helfen mit, solche Steine wegzuwälzen, im Gedenken an den Stein über dem Grab Jesu. Auch der Stein dort musste weichen, er konnte das neue Leben der Auferstehung nicht unter Verschluss halten. Denn Gott will das Leben.


 

Danke

"Wer's glaubt, wird selig!" -so sagen wir manchmal, wenn wir eine Aussage als wenig glaubhaft kennzeichnen wollen. Man kann diesen skeptischen Ausruf aber auch als eine Feststellung hören. Wer dem glauben kann, was wir an Ostern feiern, wer glauben,kann, dass der Tod nicht das letzte Wort hat, der wird selig; dessen Leben wird sich ändern, wird froh und glücklich werden.

Dass wir' s glauben können, ist dabei nicht so sehr eine Sache des Kopfes, von unumstößlichen Beweisen, sondern eine Sache des Herzens, dass wir im Herzen ergriffen werden von dem Gott, der für uns nichts anderes will als Leben.

Dass dieser Glaube in unsere Herzen eindringt, dazu trägt viel die ergreifende Feier der Osterliturgie bei. Und darum möchte ich in unser aller Namen all denen danken, die auf ihre Weise dazu beigetragen haben.

 


 

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Auferstehung Detail aus dem „Ratsfenster", 1480, im Ulmer Münster © ft

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