Giggal-Stiggal und Giggal-Maggal im Auswärts

 

Glosse von Sepp Obermeier

„Mei Liawa, eijtz glangts ma oba! Meine Stammtischbriada de sehngd me vier Wochan nimma!“, schimpfte mein Freund Quirin, nachdem er aus seinem Stammlokal auf eine „Halbe“ zu mir geflüchtet war. Das Kraut ausgeschüttet hatte ihm ein neuer Stammtisch-Bruder, der die Diskussionsrunde mit einer pedantischen Wiedergabe sämtlicher Fernsehserien und Talkshows, die er unter der Woche konsumiert hatte, beglückte. „O sancta simplicitas! O heilige Einfalt! Sic transit gloria Bavariae! A so gehts dahi mid da bayerischn Wirtshauskultur! Wirtin, zoin mächde --- af da Steij!“, hatte er protestiert und  bereits nach einer Viertelstunde grantelnd die vertraute Runde verlassen.  

In unserer Stube demonstrierte er dann sogleich, was er unter einem „scheena Schmaatz“, quasi unter der bayerwaldlerischen Gesprächskultur als Gegenentwurf zum inhaltsleeren „Fernseh-Talkshow-Kaas“ verstand.

Er erzählte mir, dass er sich bei einem Spaziergang „im Hoiz“, unbändig über eine Begegnung mit seinem Nachbarn, einem gesundheitlich stark angeschlagenen Rentner, gefreut hatte. Der alte Waldler war eine originelle Erscheinung mit einem nostalgischen Skistock aus Bambusholz, samt einem riesigen Tiefschneeteller, solide befestigt mit breiten Lederriemen. „Ja Hermann, sog amoi, warum hosdn Du bloß oan Stegga?“, fragte ihn der Quirin und spielte damit auf die für einen richtigen „Nordisch-Spaziergänger“ unvollständige Ausrüstung an.

Die Antwort ließ eine bayerwaldlerische Mentalität von nahezu philosophischer Weite zum Vorschein kommen: „Ja, des seijbe hammand me grod de fünf junga feschn Nordic-Walking-Weibaleid, de Stegga-Weiwa do hintn, aa gfragt. ------ Mia feijhts hoid no ned soweit weij enk --- hob es a bissl aufzwickt!“

Gefreut hatte sich der Ferstl Quirin aber auch über die mundartliche Kompetenz seiner vierzehnjährigen Tochter, die als einzige in der Handballmannschaft ihre Mitspielerinnen vor einer allzu leichtsinnigen Spielweise hatte bewahren können. „De Meistertitelverteidigung schaffma bloß, wenn ma dö Spiele ‚im Auswärts’ oizamm gwinnand!“, hatte der Trainer seine Spielerinnen auf den Saisonendspurt eingeschworen. Und weil alle folgerten, dass die Heimspiele auf alle Fälle leicht zu gewinnen wären, wurden sie von der Ferstl-Tochter sogleich aufgeklärt, dass der Trainer nicht von Auswärtsspielen geredet hatte, sondern vom Frühling, der im Dialekt als „der Auswärts“ bezeichnet wird.

Man merkte es dem Quirin förmlich an, dass er froh war, bei mir a „Oogspraach“ und eine Zufluchtsstätte gefunden zu haben, vor dem inhaltsleeren „Fernseh-Bleedschmaatz“ an seinem bis dato geliebten Stammtisch.

Und er zählte noch einige Beispiele auf, die belegten, dass Weltoffenheit und Verwurzeltsein im bayerwaldlerischen Kulturkreis sich mit einem Schuss Ironie durchaus verbinden lassen.

Als der Vater unseres Quirin seiner Enkelin ein Mountainbike kaufen wollte, war ihm justament im Fahrradgeschäft der englische Fachausdruck entfallen. Er konnte jedoch vor dem Verkäufer mit einer perfekten Umschreibung des Gelände-Drahtesels glänzen: „Ham Sie a so a moderns Rennradl, mid dem wou ma in Hoiz aa fahrn ko?“

Ja, und zu den heißgeliebten Pommes Frites bestellte er seinen Enkeln im Stammlokal stets „a amerikanisch Marmalad“. Die Bedienung hatte es längst akzeptiert, dass er sich mit dem Ketchup nicht anfreunden konnte.

Das animierte schließlich seine Enkel dazu, es ihrem Opa etliche Jahre später gleichzutun und  im amerikanischen Fast-Food-Restaurant „sechs kloane panierte Giggal-Stiggal“ statt  „sechs Chicken-McNuggets“ (kleine „Hähnchen“-Stücke) zu bestellen. Der Opa hat sich über ihr spitzbübisch-muttersprachliches Selbstbewusstsein gefreut, ihnen aber gleichzeitig hingerieben, dass ihm zu Volksfestzeiten Giggal-Maggal („Hähnchen“-Wertmarken) doch lieber sind als amerikanische Giggal-Stiggal. Als die beiden Schlawiner dann ihre vierjährige Schwester im Fast-Food-Tempel an die Verkaufstheke um „a kloans geijbs Krachal“ schickten, amüsierten sie sich über die Verstehensschwierigkeiten des norddeutschen Restaurantleiters, staunten jedoch nicht schlecht, als ausgerechnet eine tschechische Mitarbeiterin, mit einem Becher Fanta das bairische Sprachrätsel prompt auflöste.

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