Brauchtum
Rauhnächte: Brauchtum früher ...
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... "Inszenierung von Brauchtum" heute
Das gewaltige winterliche Naturgeschehen, mühselige Lebensbedingungen, das geheimnisvolle Walten der Naturkräfte schufen jene Voraussetzungen, die zur Entstehung ...
... von düsteren Sagen und Geschichten von Druden, Hexen, bösen Geistern und Gestalten führten - von Brauchtum auch, wie es sich in den Los- und Rauhnächten manifestierte. Dieses Brauchtum reichte in der Hauptsache nur herauf bis zur Jahrhundertwende des 19. Jahrhunderts.
Was heute an "Rauhnacht-Veranstaltungen" auflebt - meist aus touristischen Motiven, oft als Sammelssurium unterschiedlichster Gestalten und zusammengeholt aus anderen Brauchtumsregionen, kann man auch bei bester journalistischer Vermarktung nicht als Brauchtum bezeichnen, weil es die Lebensumstände dafür gar nicht mehr gibt. Ohne sie deswegen zu verteufeln, sollte man sie als "Inszenierung früheren Brauchtums" bezeichnen. Und wie beim Theater sollte als Kriterium die Qualität und die Distanz zu bloßem Klamauk gelten. Viele „neuen" Perchten oder Rauwuggerl tragen Horrormasken, die mit Schaumlatex, Acryl und Kunstblut gestaltet sind wie Zombies aus einem Psychothriller. Das ist dann wirklich nur noch abstoßender Faschingsklamauk.
Zur Information über das gewachsene winterliche Brauchtum, an Weihnachten und an den Los- und Rauhnächten früher ziehen wir Erwin Neumaier († 1959) heran, der manches selbst noch erleben konnte. (Red.)
Inszenierung von früherem Brauchtum
Andreasnacht und Thomasnacht
Am Eingang des Advents steht die Andreasnacht (30. November), an seinem Ausgang, kurz vor Weihnachten, die Thomasnacht (21. Dezember), beide als Losnächte bekannt, die mit ihren absonderlichen Bräuchen die Wetter- und Liebesschicksale der Zukunft enthüllen sollen. Vom Abendläuten bis zum Hahnenkrähen am nächsten Morgen sind in den Losnächten die bösen Geister los, der Bann ist von ihnen genommen. Die erste Winternacht hat sich über Wald und Gebirge gelegt, es ist die Andreasnacht. Sie ist die weissagende Nacht für die jungen Leute, besonders für wissbegierige junge Mädchen. Der heilige Andreas hat das Vertrauen derselben und so eilt ein Mädchen ängstlich und scheu in der Abendstunde zum Nachbarhaus, klopft sachte ans Fenster und fragt:
"I klopf o, i klopf o,
heiliger Andrell, kriag i an Mo?"
Gespannt "lust" es, das Ohr am Fenster, aufgeregt pumpert sein Herz, und wenn drinnen in der Stube gerade jemand ein "Ja" sagt, kennt seine Freude keine Grenze und schnell huscht es heimwärts. Ein "Nein" aber macht es tieftraurig und auch den Schrei eines kleinen Kindes will es nicht vernehmen. Neugierig, wie Mädchen nun einmal sind, wollen sie in dieser Nacht auch auf andere Weise noch von ihrer Zukunft erfahren. Darum gehen sie hinaus in die frostige Andreasnacht und schütteln ein Zwetschgenbäumchen. Dabei hoffen sie auf ein bellendes Hündchen. Wenn dann irgendwo ein Hund anschlägt, wissen sie, woher ihr Liebster kommen wird. Oder sie werfen einen Schuh nacheinander in die vier Winde. Aus der Richtung, aus der anschließend das erste Hundegebell kommt, kann sie auch ihren Liebsten erwarten.
[Über Advent und das Brauchtum am Barbaratag wird an anderer Stelle berichtet.]
Luziernacht - eine Drudennacht
"An Luzier geht der Tag irr" (13. Dezember), das soll heißen, der Tag wird nicht kürzer und nicht länger. Die Luziernacht ist eine Drudennacht, eine unheimliche Nacht. Da erscheint nachts die Drud, hockt sich auf die Schläfer und drückt sie, dass ihnen fast der Atem wegbleibt und sie schreckerfüllt erwachen. Ein Drudenfuß auf die Türschwelle gemalt, bannt die Drud. Da kommt aber auch am Abend die noch mehr gefürchtete "Luz". Mit einer Maske angetan und in ein weißes Leintuch gehüllt, trägt sie eine Schwinge und hat eine Sichel in der Hand, mit der sie unfolgsamen Kindern den Bauch aufzuschneiden droht. Mit ihrem Korb tritt sie in die Stube, wetzt die Sichel und fuchtelt mit ihr in der Luft herum. Singend entfernt sich die Luz:
"Schwingerl voll Darm, Schwingerl voll Darm."
Doch nicht mehr allzu viele glauben an die Luz und ihre Schrecken, daher tönt es ihr gar nicht selten entgegen:
"Luzier, Luzier, dei Hemat steht vür,
geh aussa, stecks einö, na tanz ma mit dir!"
Die heilige Luzia war in Wirklichkeit eine ob ihrer Tugend glänzende frühchristliche Jungfrau und Märtyrerin. Von ihr erzählt die Legende, dass sie sich den Nachstellungen eines heidnischen Jünglings nur dadurch entziehen konnte, dass sie sich selbst verstümmelte. Zuweilen war die Luz von der "Habergoaß" begleitet. Zwei Burschen befestigten an sich eine etwa einen Meter lange Stange, die über sie hinausragte und oben einen geschnitzten Tierkopf mit zwei Hörnern trug. Körper und Stange waren in grobes Leinen oder in einen Pelz gehüllt. Nur der furchterregende Kopf war frei. Diese Schreckfigur, die auch bei manch anderen Gelegenheiten der winterlichen Rockenstube eine Rolle spielte, zeigte sich meist zuerst drohend am Fenster, trat dann in die mäuschenstill gewordene Stube, wo sie sich mit hässlichem Gemecker verneigte und dann in der Dunkelheit verschwand. Oft aber raste die Habergoaß wie eine Furie in der Stube herum und kreischend flüchteten die Mädchen vor ihren Glotzaugen. Wenn aber gar die Burschen die Stange mit dem Kopf beweglich machten und damit auf und abfuhren, war dieser Anblick schon geeignet, selbst die tapfersten Gemüter gruseln zu machen.
"Der Thama mit'm Hamma"
Die Nacht vor Thomas (21. Dezember) ist eine der wichtigsten und eigenartigsten Losnächte. Er ist recht volkstümlich, der "Thama mit'm Hamma". Er erinnert deutlich an den hammerschwingenden, wetterbeherrschenden Gott der Germanen Donar, der mit seinem Hammer an die Wolken schlug und damit den Donner erzeugte. Zuweilen erschien in mancher Waldgegend der Thamerl mit einem schweren Hammer vor der Stubentür, pumperte heftig an dieselbe und drohte den Kindern den Kopf einzuschlagen. Die Thomasnacht ist, ähnlich der Andreasnacht, besonders für die jungen Mädchen bedeutsam. So ein Mägdlein will im Traum den künftigen Geliebten schauen. Es darf sich heute um Mitternacht nur im Bett aufknien und sprechen:
"Strohsack, i druck di,
heiliger Thomas, i bitt di,
lass mir erscheinen
mit dem ich mich werde
auf ewig vereinen!"
Mit Strohsacktreten, Bleigießen, Pantoffelwerfen versuchte man einen Blick in die Zukunft zu tun. Sehr beliebt war besonders das Pantoffelwerfen. Zeigt der zur Türe geworfene Pantoffel mit der Spitze zu dieser, muss im kommenden Jahr eines aus der Familie aus dem Haus. Es muss sterben oder in die Fremde gehen.
Der Thomastag bringt im Niederbayerischen das allgemeine Schlachten und Verwursten des "Weihnachters" mit sich und diese Tatsache hat zu einem recht eigenartigen Volksbrauch geführt. Eine Mannsperson besudelte ein Bein mit Schweineblut und steckte es durch die nur zu einem Spalt geöffnete Stubentür. Dieser "bluatige Thamerl" machte auf uns jedes Jahr immer tiefen Eindruck und es dauerte lange, bis eines von uns wieder zu sprechen wagte.
Die Klöpfler
Ein eigenes Volk sind die Klöpfler. Ihre tiefe Vermummung diente dem Abwehrzauber gegen eine feindliche Geisterwelt, die sich besonders lange in den tiefen undurchdringlichen Wäldern hielt. Wunderlich maskiert, meist mit einer Larve vor dem Gesicht und einem langen Stecken mit Zinken in der Hand, klopfen die verkleideten Buben oder Mädchen die Türen und Fenster ab, besonders dann, wenn sie wissen, dass im Hause gerade "a Rockaroas" ist, die Stube also voll jungem Volk steckt, oder am Thomasabend nach dem Saustich oder in der Rauhnacht vor Dreikönig. Die Hausmutter steckt den Klöpflern Küchlein und Krapfen an die Gabeln und legt in die bereitgehaltene Schüssel Würste und Fleisch, wohl wissend, dass sie mit diesem kleinen Opfer die unterirdischen Flurgeister günstig zu stimmen weiß. Nun wird die nächstjährige Ernte gut sein. Dieser uralte Brauch ist beileibe keine Bettelei, sondern die Klöpfler sahen sich nach altem Herkommen wohlberechtigt, die meist schon bereitgestellten Gaben in Empfang zu nehmen. Mit einem Spruch fordern die Klöpfler Einlass:
"Hallo, hallo, klopfa,
Deandla muaß ma schopfa,
hör i allaweil was kracha,
i glaub, dö tean scho Küachel bacha.
Bäuerin, laß die dabarma
und gib mir an warma!
Krapfö raus, Krapfö raus,
oder i klopf dir a Loch ins Haus!"
In der Stube begrüßen die vermummten Gestalten die Anwesenden zunächst mit "Vetter" und "Basei" und dann mit dem Reim:
"Gesegneten Abend! Wir treten ein.
Wir möchten gern a Glaserl Wein,
a Glaserl Wein is no net gnua,
a Trum vom G'selcht'n g'hört dazua.
A Trum vom G'selcht'n Is net gnua,
a Stückerl Geld g'hört aa dazua.
Vergeits euch Gott für eure Gab',
Gott soll's euch g'senga in Haus und Hab'!"
Schon ist die Bäuerin in die Kammer gegangen, um das Gewünschte zu bringen, da sprechen die Klöpfler:
"D' Schlüsseln hör ma klinga,
d' Krapfö werns glei bringa,
mir zwö, dir zwö,
nacha könn' ma wieder geh!"
Das goldene Rössl
Nach der Thomasnacht zählten wir Kinder nicht nur die Tage, sondern sogar die Stunden bis zum Helligen Abend. Das Haus durchzog ein merkwürdiger feiner Duft, da mussten die himmlischen Heerscharen gebacken haben, während wir mit dem Schlitten die steile Dorfstraße hinunter sausten. Es war die Zeit, wo das "goldene Rössl" über die verschneiten Berge trabte, das anstelle des Christkinds bei den Waldbauernkindern "einlegte". Wie beim Nikolaus hatten die Kinder Schüsseln und Teller vor die Fenster gestellt und waren zufrieden mit Bärenzucker, Kletzen, Süßholz und Lebzelten, dazu kamen welsche Nüsse (Walnüsse), Äpfel und dürre, süße Zwetschgen. Oft ging die Mutter mit einer Schüssel abends vor das Haus, um mit einer Hand voll Federn den Wind zu beruhigen und mit geweihtem Salz die armen Seelen zu stärken. Dann kam sie mit der gefüllten Schüssel wieder herein. "Grad is's goldene Rössl dag'wes'n", meinte sie, "schad, dass ös net g'sehng habts. Müaßts nächst's Jahr besser aufpass'n!" Und so sehr sich die Kinder auch im nächsten Jahr anstrengten, das "gold'ne Heißerl" ließ sich nicht sehen. Lange hat es gedauert, bis das Christkind selbst bescherte, und ich weiß noch gut, in meinem Heimatdorf standen in meinen Knabenjahren nur wenige Christbäume, die man an den Fingern einer Hand abzählen konnte. Sehr bescheiden war unser Kripperl daheim. Wir zimmerten mit der Laubsäge einen kleinen Stall und unsere Figuren da hinein waren etwas roh geraten. Aber auf weichem Moospolsterl lag das wächserne Jesulein doch recht wohlig warm. Daneben brannte ein einziges Kerzlein. Wer aber eine wunderschöne Krippe sehen wollte, musste hinauf zur Kirche gehen, da umrahmten farbige Glaskugeln den Stall zu Bethlehem.
Weihnachtliches Brauchtum
Der Mettengang war für die größeren Kinder das Höchste. Da schossen die Burschen das Christkind an, die Orgel jubilierte und das Lied der Heiligen Nacht klang hinaus in den nur wenige Meter entfernten Hochwald. Abends hatte es zum Essen nur "Hirgstsuppe" gegeben, nun aber erwarteten uns die dampfenden Mettenwürste. Am Heiligen Abend prasselte im Ofen der "Mettenbinken", besonders knorriges Buchenholz, schon im Sommer für diesen Zweck bereitgestellt. Der Waldler wusste allerdings nicht, dass er einen uralten heidnischen Brauch übt, wenn er den "Mettenstock" ins Feuer steckt. Wenn die Germanen das Fest der Wintersonnenwende, das Julfest, verbunden mit Abwehrzauber und Lärmkult feierten, dann geschah dies zu Ehren des wieder sieghaft werdenden Lichtgottes. Von dem großen Julfeuer im Freien hatten sich unsere Altvordern das Herdfeuer geholt. Damit dieses geheiligte Feuer nicht ausging, legte man den Julklotz in die Herdflamme. Die Naturvölker, aufs engste mit den Vorgängen und Erscheinungen der Natur verbunden, glaubten den kürzesten Tag des Jahres bedroht von den finsteren Kräften der Dämonen; nun aber siegt das Licht. Es gilt nun den gutgesinnten Gewalten zu huldigen und feindliche Mächte abzuwehren. Auf diesen Kampf des Lichtes gegen die Finsternis weisen viele Einzelheiten unseres Brauchtums hin. So haben sich merkwürdigerweise gerade für die Mettennacht, die für uns Christen voll stillen Zaubers ist und durch die Menschwerdung des Gottessohnes zu einem Hochfest unseres Glaubens wurde, im Brauchtum geräuschvolle Sitten herausgebildet, die immer wieder auf diesen Kampf der guten gegen die bösen Mächte hindeuten.
Man verschließt in der Mettennacht aufs sorgfältigste Haus und Hof, man gibt dem Vieh im Stall Geweihtes zur Abwehr der bösen Geister, um eine Räucherpfanne mit Weihrauch sitzend, halten die Hausgenossen ihre Füße in den Rauch, um sich zu sichern gegen alles Unheil. Auch die ungezählten, oft recht düsteren Sagen, die mit der Mettennacht zusammenhängen, erinnern deutlich daran, dass diese Stunden bedroht waren vom Teufel, von Hexen und Druden, dem wilden Gejaid, von hässlichem Getier und dem wilden Freischützen. In der Mettennacht, mit der die zwölf Rauhnächte aufstiegen, konnte der Bauer um Mitternacht die Pferde und Ochsen reden hören, die Hexen irrten durch die Nacht, mussten aber vom ersten Glockenton der Christmette an bis zu deren Ende ihr schändliches Tun und Treiben einstellen. Da erzählt die Sage von einem kleinen Schemelchen aus neunerlei Holz, auf das man sich in der Christmette kniete, damit man die Hexen erkennen konnte. Vielfältig sind diese gruseligen Geschichten, die so ganz und gar nicht zur schönsten und heiligsten aller Nächte passen. Im Niederbayerischen war es um die Jahrhundertwende noch vielfach üblich, nach der Heimkehr von der Mette auch für die im letzten Jahr verstorbenen Hausgenossen die Mettenwürste bereit zu stellen in der Meinung, der Tote werde schon kommen und sich daran laben. Allein - es ist noch kein Verstorbener zurückgekehrt, und so bekam die Würste am Weihnachtstag stets ein Armer, der dafür für die Heimgegangenen beten musste. Die Mettenwürste stärkten die Mettenleute, wenn sie nach oft mühseligem Stapfen durch den Schnee nach Hause kamen. Im Bayerischen Wald hat man früher während der ganzen Adventszeit streng gefastet, namentlich am Heiligen Abend, der an manchen Orten der "fastende Weihnachtstag" hieß. In der Christnacht fragt der Bauer nach der Zukunft seiner Felder, er hört Verborgenes aus der Brunnenröhre rauschen. Eine helle Christnacht verspricht blühende Felder und goldenes Korn, die dunkle macht ihm Sorgen. In den Wurzelstock der Obstbäume gräbt er eine Schaufel voll Herdglut ein, das gibt den richtigen Sommersegen. Und ihn konnte der Garten des armen Waldlers wahrhaftig brauchen. Die Bäuerin wirft eine Hand voll Salz in den Brunnen, auf dass er auch im neuen Jahr nicht versiege, und der anschleichende Fuchs bekommt seinen Laib Brot: "Fuchs, da hast was zum Fress'n, lass mir meine Henna dafür!" Die Hofdirn isst im nächtlichen Schneetreiben ein Stück Brot, und wenn sie dabei in den "Hausbrunn" blickt, sieht sie sich als Braut. In der Kirchberger Pfarrei ist es gewesen, da hat eine saumselige Bäuerin ausgerechnet während der Christmette noch Krapfen gebacken. Da klopfte es ans Fenster und zwei glühende Augen leuchteten in die Kuchl. Es war der Leibhaftige, der die Bäuerin anfuhr:
"Alte Frett'n, geh in d' Mettn, back deine Krapfö nach der Mett'n!"
Zu Tode erschrocken, zog die Bäuerin die Schmalzpfanne vom Feuer.
Auch ums Sterben ging es in dieser Nacht. Wenn beim Essen ein Löffel aus der Hand fällt, klingt es genau wie ein Totenglöckel. Oft ist um Mitternacht ein heftiges Rauschen und Trippeln über Straßen und Wegen. Alle, die im kommenden Jahr sterben müssen, kann man sehen, wenn man genau in der Mitte eines Kreuzweges steht.
Christkindlsinger
Schon vierzehn Tage vor Weihnachten sind die Christkindlsinger unterwegs, um mit ihren uralten Hirten- und Krippenliedern eine hochwillkommene Abwechslung in den winterlichen Alltag zu bringen. Meist arme Kinder, aber auch Burschen oder Mädchen ziehen von Haus zu Haus, um sich von den Leuten Kletzenbrot, Äpfel, Nüsse und allerlei Leckereien zu ersingen. Auch Geld haben sie nie verschmäht. Sehr häufig kamen sie aus dem benachbarten Böhmerwald, in dem Volkslied und Volksspruch eine besonders liebevolle Heimstatt hatten.
Silvesternacht ist Losnacht
Die Silvesternacht gilt nach uraltem Vaterbrauch als Losnacht. Da wird geböllert und geschossen, dass Berg und Wald donnern. Es gilt wieder die Unholde zu vertreiben und zugleich schießt man das neue Jahr an. Drinnen aber im Hause, am prasselnden Herdfeuer, versuchte der Waldler einen Blick in die verschleierte Zukunft zu tun. Die rätselhaften Figuren des Bleigusses, das Pantoffelwerfen, der Zauber mit den Schalen von Äpfeln und Zwiebeln und allerhand Symbolen des häuslichen Glücks sollen ihm die Zukunft entschleiern. Schon Tage vor Neujahr zogen die Dorfmusikanten, meist aber solche aus dem Böhmischen, durch die verschneiten Dörfer und bliesen mit lustigen Stücken das neue Jahr ein. Stundenlang liefen wir mit diesen fröhlichen Bläsern, und ihr Spiel - oft in den wunderlichsten instrumentalen Zusammensetzungen - dünkte uns unbeschreiblich schön. Am Neujahrsmorgen war jeder bestrebt, dem andern mit dem Glückwunsch zuvorzukommen, ihm das neue Jahr "abzugewinnen".
Die eigentliche Rauhnacht
Die volkstümlichste und zugleich letzte winterliche Losnacht ist die Nacht vor dem Fest der Heiligen Drei Könige. Sie gilt als die eigentliche Rauhnacht oder Rauhernacht. Am Nachmittag des Vorabends wird in der Kirche das hochgeschätzte Dreikönigswasser gemeinsam mit Kreide und Weihrauch geweiht und wem es gelingt, zuerst das segenspendende Wasser aus dem Schaff zu schöpfen, der bringt die kräftigste und beste "Weich" nach Hause. Daheim werden am Abend Weihrauchkörner auf eine Pfanne mit Herdglut gestreut und damit vom Keller bis zum Speicher die Räume ausgeräuchert. Der "Räuker" war von zwei Personen begleitet. Die eine spritzt mit einem Zweiglein vom Segenbaum den "Weichbrunn" aus, die andere schreibt mit der geweihten Kreide den Dreikönigsegen an Türen und Kästen: 19 K M B 62. Das Vieh bekommt nach der Fütterung geweihtes Brot, Kraut, Salz und Wasser. An manchen Orten setzt sich der Hausvater mit seiner Familie und dem Gesinde um ein Räucherbecken. Sie "räuken" sich die entblößten Füße und Hände und beten dazu ein "Vaterunser". So wurden die Glieder gestärkt für die Wanderung durchs Leben.
Josef Fruth: Haussegen der Rauhnacht
Sternsinger
Auch diese letzte Losnacht ist bedroht von allen Mächten der Finsternis, aber mit den geweihten Gaben kann man sie bändigen und unschädlich machen. So vermischen sich an diesem geheimnisvollen Abend uraltes Brauchtum mit den Segnungen des christlichen Glaubens zu einem Geschehen voll tiefer Frömmigkeit. In dieser Nacht, aber auch schon Tage vorher, ziehen die "Rauhanudl" oder Sternsinger, als Heilige Drei Könige verkleidet von Hof zu Hof und singen ihre vielfach so schönen und sinnvollen Dreikönigslieder. Die meist armen Burschen oder Mädchen tragen hin und wieder einen Stern auf einer Stange mit, den sie beim Singen feierlich drehen. Ein seltsamer Zauber liegt über diesem Singen:
"Am Himmö, da zoagt sö a helliachter Stern,
die heiligen drei König, die suachan den Herrn.
Sie suachan dös Kindl in Windeln und Stroh
und die heiligen drei König san froh".
Und wenn sich die Hausmutter etwas Zeit ließ mit der Herausgabe ihrer goldgelben Küachln, dann konnte es schon geschehen, dass die Gäste aus dem Morgenlande etwas unköniglich wurden und sangen:
"Spa'schnitzer, Spa'spreizer, mach die Kuchltür auf,
steht d' Köchin am Feuer, gibt d' Küachln heraus.
Geh, gib uns an weiß'n, den könn ma leicht beiß'n,
geh, gib uns den Küachl recht bald, auf der Gred is dös Singa all's z'kalt!"
Mit diesem Sternsingen klingt das an Bräuchen so reiche Geschehen um Weihnachten aus. Es geht schon langsam "hinaus zua". "An Neujahr wächst der Tag um einen Hahnenschrei, auf HI. Dreikönig um einen Hirschensprung, zu Lichtmess um a ganze Stund", sagt der Volksmund.
Was ist nun von allen diesen Bräuchen geblieben? Es ist nicht mehr viel, was sich durch die so ereignisreichen letzten Jahrzehnte in unsere geräuschvolle Zeit gerettet hat. Verklungen ist die Poesie der Spinn-und Rockenstuben, und was man im Winter an Besinnlichem nötig hat, liefern Radio und Fernsehen auch in die bescheidenste Hütte der Waldler. Lärmende Geschäftigkeit und allzu äußerliche Erscheinungen des allgemeinen Wohlstandes haben das alte Brauchtum um Weihnacht seines Zaubers vielfach entkleidet. Um so erfreulicher sind deshalb die Bestrebungen von Sing-, Spiel-und Jugendgruppen aller Art, von Kirche, Schule und Vereinen, an Brauchtum das zu pflegen, was wert ist, dass es erhalten bleibt, und alles das, was unecht und schlecht ist, auszumerzen.
Quelle: Ferdinand Neumaier, in: Waldlerische Weihnacht, Verlag Morsak Grafenau
Ferdinand Neumaier (* 1900 in Kirchberg bei Regen - † 1959 in Landshut), Rektor, Komponist der "Waldlermesse" und von etwa 90 Liedern, Verfasser des Liederbuchs "Sing mar a weng", widmete sich auch schriftstellerisch der Erforschung heimatlichen Brauchtums.
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