Umweltthemen
Einblicke in die Waldgeschichte
Wie sah der Wald vor 10.000 Jahren aus? Mittels der Analyse von Pollen kann dies nun rekonstruiert werden. (Foto: Birgit Mühlbauer)
Pollenanalyse im Nationalpark zeigt Baumzusammensetzung seit über 10.000 Jahren
Riedlhütte. Wie hat sich der Wald in den vergangenen Jahrtausenden entwickelt? Diese Frage können Forscher des Nationalparks Bayerischer Wald nun beantworten. Zu verdanken ist dies der Analyse von Pollen, die bei Bohrproben im Bereich des Rachels gesammelt wurden. „Das interessanteste Ergebnis ist, dass die menschlichen Eingriffe so stark waren, dass sich stellenweise ursprüngliche Tannen- und Buchenwälder zu Fichtenwäldern entwickelt haben“, erklärt Nationalpark-Sachgebietsleiter Marco Heurich. „Diese Entwicklung startete schon gegen 1000 nach Christus, was massive Holzkohlereste aus dieser Epoche belegen.“
Wissenschaftler des Nationalparks sowie der Universität Bern und der Karlsuniversität Prag trieben im Rachelsee, im Alten Rachelsee und im Stangenfilz Bohrungen in den Untergrund. Die Standorte präsentieren sowohl jetzige Bergmischwälder als auch die Fichtenwälder der Hochlagen. Datiert wurden die gesammelten Pflanzenpollen mithilfe der Radiocarbonmethode, die auf dem natürlichen Zerfall radioaktiver Kohlenstoffatome basiert. Ebenso wurden mikroskopische Kohlereste und Industrieruß analysiert.
Die Ergebnisse im Einzelnen: Zwischen 9500 und 8500 vor Christus, also bereits nach der letzten Eiszeit, gibt es im Bayerischen Wald zunächst Wälder, die hauptsächlich aus Kiefern und Birken bestehen. Diese beiden Arten werden danach über einen Zeitraum von 1000 Jahren von Fichten, Eichen, Linden, Ulmen und Eschen verdrängt. Ab 6500 vor Christus gibt es auch Buchen. Nochmal 2000 Jahre später beginnt das Klima feuchter und milder zu werden, was Buchen und später auch Tannen stark begünstigt.
Ab 2000 vor Christus ist schließlich ein menschlicher Einfluss nachweisbar – durch Hanf- und Getreide-Pollen sowie Belege für die Schaffung von Grasland. Im Wald ist die Tanne weiter auf Expansionskurs. Erst kurz vor Christi Geburt geht deren Anteil zurück, dafür kommen wieder vermehrt Birken und Kiefern vor, auch dank menschlicher Aktivitäten wie der Waldweide. Die ersten 800 Jahre nach Christi Geburt, während der Zeit der Völkerwanderungen, verschwinden menschliche Spuren wieder, woraufhin sich der Wald erholt.
Im Frühmittelalter, also zwischen 800 und 1000 nach Christus, nehmen Menschen wieder mehr Einfluss auf die Umwelt im Bayerischen Wald. Der Offenlandanteil dürfte bei etwa 20 Prozent liegen. Das begünstigt den Wuchs von Wacholder und Fichte, benachteiligt jedoch die Tanne. In den kommenden 600 Jahren wird der Wald immer lichter, Weideflächen dringen sogar in die Hochlagen vor. Die Analysen zeigen einen sprunghaften Anstieg von Kohleresten, wohl aufgrund der stärkeren Produktion von Holzkohle. Deswegen befinden sich auch Buche und Tanne auf dem Rückzug.
Zwischen 1800 und 1900 wird gerade im Bereich des Stangenfilzes eine intensive Waldweide betrieben, die dazu führt, dass sich das Moor nicht mehr weiterentwickeln kann. Am Rachelsee hingegen erholen sich die Wälder im selben Zeitraum, sogar der Tannenanteil steigt. Dafür lagern sich nun verstärkt industrielle Rußpartikel ab. Das Maximum dieser Entwicklung wird in den 1970er und 1980er Jahren erreicht.
„Die Arbeit trägt zu einem besseren Verständnis der Waldentwicklung und Walddynamik im Nationalpark bei“, freut sich Nationalparkleiter Franz Leibl. „Sie zeigt uns, dass unsere Wälder über längere Zeiträume hinweg betrachtet keine statischen, sondern hoch dynamische Ökosysteme sind.“
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