. . . und drum herum
Das Rätsel der Bogener-Bahnbrücken-Urkunde
Der von Bogen kommende Zug ist dabei, vom Damm zwischen Kinsach und Menach auf die Hauptbrücke zu fahren. Dieser Ort könnte das erwähnte „Widerlager links der Donau“ sein. - Vergrößern durch Anklicken!
Im „Widerlager links der Donau“ soll sich Zeitdokument von Max Färber befinden
Ob, wie und wann eine neue Bogener Eisenbahnbrücke gebaut wird, darüber debattieren derzeit die Fachleute. Wann die alte entstanden ist, ist bekannt: Nach eineinhalb Jahren Bauzeit ...
... rollte am 8. Dezember 1895 der offiziell erste Zug über die Donau. Im „Widerlager links der Donau“ soll sich, dem Straubinger Tagblatt aus dem Juli 1895 zufolge, eine Urkunde zur Bogener Geschichte befinden. Ob sie wohl noch immer dort ruht?
Blick ins Tagblatt von 1895: Vom 20. Juli wird übers Legen des Schlusssteins der Donaubrücke berichtet. Begonnen hatte man mit dem Bau im Juni 1894. Die Steinarbeiten waren beendet, die Eisenarbeiten liefen noch. Am Ende des Absatzes ist die Urkunde im Widerlager erwähnt. - Vergrößern durch Anklicken!
Schon lange kann man niemanden mehr fragen, der dabei gewesen ist. Und selbst, von welcher Örtlichkeit wirklich die Rede ist, scheint unklar, denn im Artikel von 1895 wird gesprochen von „21 Pfeilern und 4 Widerlagern“. Um auf diese Zahlen zu kommen, muss wohl die zweite Brücke, über die Kinsach, mitgezählt worden sein. Jenes Widerlager, bei dem auf der Bogener Donauseite die Hauptbrücke in den Eisenbahndamm übergeht, befindet sich bei der Menach.
Heute jedenfalls. Georg Fisch, der sich ums Bogener Stadtarchiv kümmert, weist darauf hin, dass die Donauzuflüsse anders verliefen, bevor der Kinsach-Menach-Ableiter, die heutige Kinsach, gebaut wurde. Allerdings ist auf der Uraufnahme von 1808 bis 1864 parallel zur Donau ebenfalls ein Flusslauf zu sehen: die ursprüngliche Menach, damals noch als Alteich bezeichnet.
Urkunde vermutlich vom späteren Marktchronisten
Die Urkunde kann noch immer im besagten „Widerlager links der Donau“ sein: Im Zweiten Weltkrieg wurde zwar das Mittelteil der Brücke gesprengt, andere Bauteile blieben jedoch intakt. – Von Max Färber sei die Urkunde über die Geschichte Bogens – „welche in Wort und Bild einer kommenden Zeit erhalten bleiben möge“ – verfasst worden, lässt unsere Zeitung die Leser 1895 wissen.
Der Name Max Färber ist heute noch bekannt. „Max Färber war ab 1921 der Bogener Marktchronist“, sagt Barbara Michal, die Leiterin des Kreismuseums Bogenberg, „er war gelähmt und konnte nicht anderweitig arbeiten.“ Seine Familie – Franz Xaver Färber – habe kurz vor 1900 in Bogen, im Haus Nummer 23, ein Café betrieben. „Das war beim Stadtplatz, ganz in der Nähe des Rathauses“, berichtet der ehemalige Kreisheimatpfleger Hans Neueder. – Die Chronik des Marktes Bogen, die im Stadtarchiv liegt, wurde Georg Fisch zufolge von verschiedenen Schreibern verfasst: „Max Färber berichtet auf etwa 20 Seiten über Ereignisse aus Bogen aus dem 19. Jahrhundert.“ Er habe einen spannenden, anekdotischen Erzählstil gepflegt; dass er 1895 die erwähnte Urkunde gefertigt hat, würde daher ins Bild passen.
„Ich sitze seit dem Jahre 1875 im Wagen“
Beleg dafür gibt es keinen. 1921 berichte Max Färber aber von sich selbst: „Ich sitze seit dem Jahre 1875 im Wagen, da ich seit dieser Zeit nicht mehr gehen kann. Das sind 46 Jahre.“ Es sei also sehr wahrscheinlich, dass die eingemauerte Urkunde aus der Feder des späteren Chronisten Max Färber stamme, so Fisch. Am 11. September 1922 hat Max Färbers Leben laut Sterberegister im Alter von 61 Jahren geendet. Eingetragen ist er als „unverheirateter Privatier“, der in der Hausnummer 21 wohnte.
In der Chronik schildere Färber auch Begebenheiten aus dem Leben der Familie Färber, berichtet Fisch. Ein Xaver Färber etwa sei nach Deutsch-Ostafrika ausgewandert und habe dort eine Kaffeeplantage besessen. – Barbara Michal vermutet, dass Dr. Sigfrid Färber, einst Geschäftsführer der heute als Tourismusverband Ostbayern bekannten Vereinigung, ebenfalls mit Max Färber verwandt war. Wie genau, kann dessen Sohn, der Hotelier Neli Färber, der das Orphée in Regensburg betreibt, aber nicht sagen. Die Großeltern hätten jedenfalls aus Bogen gestammt, berichtet Neli Färber. Und Dr. Sigfrid Färbers Grabtafel befindet sich wie die für Max Färber auf dem Bogenberg.
Hans Neueder, der eine Kopie der Bogener Chronik besitzt, hat Max Färbers Teil aktuell noch einmal durchgeblättert. Zum Bahnlinienbau selbst hat er nichts darin gefunden – allerdings die Schilderung eines einstigen Faschingsumzugs, der auf das damals noch in der Zukunft liegende Unterfangen einging.
Als die Bahnlinie noch ein Faschingsscherz war
Eine Eisenbahn habe in den Köpfen der Bogener schon lange herumgespukt, schreibt Max Färber in diesem Bericht, und in den 1880er Jahren „zur Zeit des Carnevals wurde von jungen Leuten des Marktes eine aus kleinen Wagen bestehende Bahn errichtet“, geschmückt mit bunten Bändern, bestückt mit Puppen, die Reisende verschiedener Länder darstellten. Von Haus 26 aus – „Färber Kaufmann“ verzeichnet er in Klammern – sei es losgegangen durch den Markt: „Hunderte von Menschen liefen mit!“
Im Faschingsscherz war es nicht die Linie Bogen-Konzell, die eröffnet wurde, sondern die Linie Bogen-Prag, und sie führte über Bärndorf: „Zu jener Zeit stand die Fabrik Wurm schon.“ – Bei dieser handelte es sich um die 1875 gegründete „Falzziegel- und Thonwaaren-Fabrik“. Und in der Thonindustrie-Zeitung von 1896, nachzulesen im „Dachziegel-Archiv“ im Internet, wurde der Bahnbau interessanterweise ebenfalls erwähnt: Die Arbeiter- und Lohnverhältnisse seien seit Jahren die gleichen geblieben, wurde damals geklagt, „trotz des nunmehr schon 4 Jahre dauernden Bahnbaues Straubing-Konzell“.
Max Färber schließt seinen Faschingsbericht – er trägt den Titel „Die Eisenbahn Bogen als Ulkerei“ – mit den Worten: „1895 erstand die Bahn in heutiger Art. Was Witz und Wunsch – wurde Wirklichkeit!“
Ein Foto vom Bau der Eisenbahnbrücke befindet sich im Besitz des Kreismuseums Bogenberg. „Der Fotograf ist leider unbekannt“, teilt Museumsleiterin Barbara Michal dazu mit. Das Bild – das als Kopie auch in der Naturpark-Infostelle im Bahnhof Bogen zu sehen ist – stammt von 1894. Foto: Archiv Kreismuseum Bogenberg - Vergrößern durch Anklicken!
Andrea Prechtl, BOG Zeitung vom 20. April 2022
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