Ascha
Ascha. Energiewende im Kleinen
Das alte Mühlrad wurde von der Gemeinde wieder instandgesetzt und dient jetzt zur Stromerzeugung. Ein kleiner Bestandteil eines umfassenden Konzepts zur Erzeugung regenerativer Energie. Foto: Gemeinde Ascha – Vergrößern durch Anklicken!
Biogas, Photovoltaik, Holzvergasanlage und Mühlrad: Ascha ist energieautark
Eine kleine Gemeinde im Landkreis Straubing-Bogen hat das geschafft, was im Zuge des Ukrainekriegs und der Abhängigkeit Deutschlands von russischen Erdgas- und -öllieferungen breit diskutiert wird: Sie ist energieautark. Rund zehn Millionen Kilowattstunden Strom erzeugt Ascha jährlich, von denen vier Millionen Kilowattstunden die Gemeinde und ihre rund 1667 Einwohner selbst verbrauchen. Der Rest wird ins öffentliche Netz eingespeist.
Die wesentlichen Bestandteile, um genügend Energie bereitstellen zu können, ist eine drei Hektar umfassende Photovoltaik-Freiflächenanlage, die 2008 von einem Bürger gebaut wurde. Die Gemeinde kümmerte sich um die Bauleitplanung. Darüber hinaus befinden sich zwei Biogasanlagen von Privatleuten im Gemeindegebiet. Die Gemeinde selbst hat zusammen mit Bayernwerk Natur eine Holzvergasanlage auf Pelletsbasis errichtet, die rund 130 Haushalte und Einrichtungen in der Gemeinde wie das Rathaus, die Schule, den Kindergarten, die Mehrzweckhalle, das Sport- und das Schützenheim und die Kirche mit Wärme versorgt. Und das kostengünstig: „Während man für ein durch Heizöl gewonnenes Megawatt Energie 135 Euro hinlegen muss, kostet ein durch die Holzvergasanlage erzeugtes Megawatt rund 90 Euro“, sagt Wolfgang Zirngibl, Bürgermeister von Ascha. Übergabestation einschließlich Wärmetauscher bekommt jeder Haushalt von der Nahwärme Ascha GmbH mitgeliefert.
Photovoltaik: Bürger dürfen kostenlos Dach nutzen
Ein weiterer Baustein im Energiekonzept Aschas sind Photovoltaikanlagen auf allen kommunalen Einrichtungen wie dem Rathaus und der Schule. Das Dach der Mehrzweckhalle stellte die Gemeinde ihren Bürgern kostenlos zur Verfügung, damit jeder Aschaer in Photovoltaik investieren konnte.
Rund fünf Millionen der jährlich zehn Millionen in Ascha erzeugten Kilowattstunden Strom stammen aus den beiden Biogasanlagen, 3,4 Millionen erzeugen die Photovoltaikanlagen, den Rest liefern Holzvergasanlage und Wasserkraft.
Was sich jetzt als Erfolgsgeschichte präsentiert, war ein langer Kampf, bei dem viele Herausforderungen bewältigt werden mussten, sagt Bürgermeister Wolfgang Zirngibl. „Der Weg zum energieautarken Ascha war steinig.“ Dabei fiel der Grundsatzbeschluss, energieautark zu werden bereits 1992. Begonnen hatte alles damit, dass der ZAW Straubing-Bogen in Gschwendt eine Mülldeponie errichten wollte, die Zirngibl und die Aschaer Bürger unbedingt verhindern wollten. „Das war die Initialzündung dafür, dass wir uns stärker mit dem Thema Umwelt auseinandergesetzt haben“, sagt Zirngibl.
Als eine der ersten Gemeinden im Landkreis habe Ascha begonnen, Müll zu trennen, und errichtete den ersten Wertstoffhof im Landkreis. Einmal für das Thema Umwelt sensibilisiert, fing man an, sich über alle Bereiche Gedanken zu machen, stellte durch zwei Brunnen und die Nutzung von Quellwasser eine eigene Wasserversorgung auf die Beine und baute bereits 1994 ein Hackschnitzelwerk, das über Fernwärmeleitungen Rathaus, Schule und Haushalte mit Wärme versorgte.
Fernwärme: Bürger waren am Anfang skeptisch
„Viele Bürger waren am Anfang durchaus skeptisch“, erzählt Zirngibl. „Sie hatten Angst, uns könnte das Holz ausgehen oder dass im Falle eines Schadens nichts mehr gerichtet werden würde, dabei hatten wir Serviceverträge.“ Mittlerweile seien fast alle Aschaer von der Idee begeistert, mit vor Ort erzeugtem Strom und Wärme versorgt zu werden. „Viele wollen ans Wärmenetz angeschlossen werden, der Anschluss ist aber nur möglich bei Häusern, die an der Haupttrasse liegen“, sagt Zirngibl.
Um die Bürger für das Thema Umweltschutz und Energiesparen zu sensibilisieren, schreibt die Gemeinde regelmäßig Wettbewerbe aus. Bewohner der sogenannten Energiesiedlung erhalten anhand eines Zehn-Punkte-Programms bei umweltfreundlichem Verhalten Zuschüsse seitens der Gemeinde, zum Beispiel, wenn sie auf ihrem Haus eine Photovoltaikanlage errichten oder sich ein E-Auto anschaffen. Zirngibl ist überzeugt: „Energie muss da entstehen, wo sie verbraucht wird.“
Doch ist das Modell Ascha, einem Ort, der keine größeren Industriebetriebe hat, auch auf Gemeinden mit großen Gewerbegebieten übertragbar? „Sicher, man muss sich doch nur mal anschauen, dass BMW einen Großteil seines Energiebedarfs über Blockheizkraftwerke abdecken kann.“
Mit rund 30 Preisen ausgezeichnet
Insgesamt hat die Gemeinde rund 30 Preise für ihre Aktivitäten zum Klimaschutz erhalten, darunter der European Energy Award in Gold, der Deutsche Nachhaltigkeitspreis und den Climate Star Award. „Die Preise freuen uns natürlich, aber viel wichtiger ist es, dass wir mit jedem neuen Projekt etwas dazulernen“, sagt Zirngibl.
Auch zukünftig will die Gemeinde neue Ideen entwickeln, um noch umweltfreundlicher zu werden. Obwohl es einem die Energiepolitik der Bundesregierung derzeit nicht leicht mache, wie Zirngibl bemerkt. „Mit einer Einspeisevergütung von 3,7 Cent pro Kilowattstunde lässt sich der Ausbau regenerativer Energien nicht fördern“, sagt er.
Die derzeitige Energiepolitik berücksichtige die Interessen großer Konzerne. „Der einzelne Bürger wird vergessen.“ Dabei sei es wichtig, jeden Einzelnen in die Planung und Konzepte einzubeziehen, auch um die Eigenverantwortung zu stärken. Richtig geschockt habe ihn der Entschluss der Europäische Union, Atomkraft und Erdgas als grüne Energien zu bezeichnen. „Da wird alles, für was wir in Ascha jahrzehntelang gekämpft haben, in Frage gestellt.“Trotzdem wird Wolfgang Zirngibl auch in Zukunft für ein energieautarkes Ascha kämpfen. Und damit seinem Spitznamen „Das grüne Schaf in der CSU“ alle Ehre machen.
„Mit jedem Liter Gas und Öl finanzieren wir Putins Krieg“
Bislang ist Deutschland abhängig von Gas- und Öllieferungen aus Russland. „Deutschland importiert 55 Prozent des Erdgases, 30 Prozent des Öls und fast 50 Prozent der Steinkohle aus Russland. Mit jedem Liter Öl, mit jedem Kubikmeter Erdgas finanzieren wir auch die Panzer von Putin, finanzieren wir Krieg und Leid“, sagt Josef Gold, Geschäftsführer von Gold Solar Wind in Kirchroth. Deshalb sei es eine moralische Verantwortung, dass der Landkreis mit seinen Liegenschaften aus der Verbrennung von Öl und Gas aussteige.
Derzeit setze der Landkreis 1500 Tonnen Kohlendioxid in seinen Liegenschaften frei. Das verursache einen Umweltschaden von jährlich 300000 Euro. „Die Gemeinde Ascha zeigt, dass es auch anders geht“, sagt Gold. Zuallererst gehe es im Landkreis darum, alle Ressourcen zu nutzen, um Energie einzusparen, beispielsweise durch energetische Sanierung, energiesparenden Fahrstil, freiwilliges Tempolimit, und den Einsatz von LED.
Der Verbrauch der Liegenschaften des Landkreises wie Landratsamt und Bauhof liege derzeit jährlich bei rund 1500 Megawattstunden. Mit den jetzt bereits installierten und den geplanten Photovoltaikanlagen könne der Landkreis rund 750 Megawattstunden Strom produzieren. „Durch die Anschaffung von E-Autos und Wärmepumpen wird dieser jährliche Strombedarf des Landkreises um rund 100 Megawattstunden steigen“, sagt Josef Gold. Daraus ergebe sich eine Differenz von rund 850 Megawattstunden. „Durch eine Beteiligung an einer Bürgeranlage (Wind oder PV-Freiflächenanlage) mit einer Größenordnung von 75 000 Euro anteilmäßig könnte der Landkreis diese 850 Megawattstunden erzeugen“, sagt Gold. Im Landkreis gebe es einige Photovoltaik-Bürgeranlagen, an denen sich auch der Landkreis beteiligen könne.
Kreisbauhof stellt in Kürze auf regenerativ um
Neun Liegenschaften (ohne vermietete Gebäude) des Landkreises würden noch mit Öl und Erdgas beheizt werden. Beim Landratsgebäude, beim Kreisbauhof Ittling wurden bereits Entscheidungen getroffen, um die fossilen Heizungen zukünftig umzustellen. Beim Personalwohnheim in Mallersdorf steht ein Abriss mit Neubau an. „Egal, wer hier Bauherr wird, es sollte keine fossile Heizung eingebaut werden“, sagt Gold.
Alle übrigen Liegenschaften sollen bis 2028 auf eine Holzpellets- oder Wärmepumpenheizung umgestellt werden.
Die komplette Umstellung auf regenerative Energien sei gerade bei steigenden Preisen für Öl und Gas nicht nur günstiger, sondern auch moralischer. „Die meisten Kriege werden um Ressourcen und gerade ums Erdöl geführt“, sagt Gold.
Zudem habe der Landkreis Straubing-Bogen gegenüber seinen Bürgern auch eine Vorbildfunktion. „Wenn der Landkreis bei seinen eigenen Liegenschaften nur regenerative Energien verbraucht, motiviert das auch die Bürger, für ihre eigenen Häuser ähnliche Lösungen zu suchen.“
Alexandra Becker, in: SR-Tagblatt vom 9. März 2022 (Mit Gen. der Lokalredaktion)
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