Musik, Theater
Act des Koenigl. Landgerichtes Mitterfels 1850 die Ausschulung der Einöde Hagnberg betreffend
Pater Johann Nepomuk Straßmaier SJ (1846 - 1920), der berühmte Assyriologe und Keilschriftforscher, stammt aus Hagnberg.
Aus Hagnberg stammt der berühmte Keilschriftforscher und Assyriologe P. Johann Nepomuk Straßmaier SJ
Im Dezember 1849 beantragt der Hagnberger Einödbauer Johann Straßmaier, in der Gemeinde Gaishausen und Pfarrei Hunderdorf gelegen, bei ...
... der Kgl. Regierung in Landshut die Ausschulung von Hagnberg aus der Schule Au vorm Wald und die Zuteilung zur Schule Mitterfels. Die Kgl. Regierung - Kammer des Innern - fordert daraufhin einen gutachtlichen Bericht des Kgl. Landgerichts Mitterfels, nach vorheriger Einvernahme der Kgl. Distriktsschulinspektion Mitterfels sowie der beiden Lokalschulinspektionen Mitterfels und Au, ferner des Schulprovisors von Au.
Bereits vier Jahre vorher - 1845 - war ein gleicher Antrag des Köglbauern für die Kinder aus Kögl, Hagnberg und Wiespoint abgelehnt worden. Nun sieht Straßmaier erneut einen Grund: Seine Tochter Theres, geb. 1843, ist heuer schulpflichtig geworden; und in 3 Jahren wird es auch sein Sohn Johann Nepomuk, 1846 geboren. Bisher hatte Straßmaier als Schulpflichtige nur „Dienstbuben" (Hütbuben), die meist schon der „Feiertagsschule" (d. i. später die Ländliche Berufsschule) zugehörten und damit werktags nicht bei der Arbeit fehlten.
Mit der Nennung des Straßmaier-Buben können wir nicht anders, als das Hagnberger Schulproblem kurz zu verlassen. Der Lebensweg dieses Johann Nepomuk ist so außergewöhnlich, dass man ihn für einen Einödbuben, aufgewachsen an einer einfachen, übervölkerten Dorfschule vor 150 Jahren, nie hätte ahnen können. 1857, als Elfjähriger, kommt er an das Bischöfliche Gymnasium in Metten. Das anschließende Studium wird unterbrochen durch den Sanitätsdienst im „Siebziger Krieg". 1872 wird er Diakon bei den Jesuiten in Maria Laach. Im gleichen Jahr wird er mit seinem Orden durch das Jesuitengesetz aus dem Deutschen Reich gewiesen und landet schließlich in London. Erst 1878 wird er zum Priester geweiht und arbeitet fortan in der Wissenschaft: als Assyriologe und Keilschriftforscher von Weltruf, als Sprachgenie (zu seinen 20 Sprachen zählten auch Hebräisch, Persisch, Arabisch, Ägyptisch), und schließlich auch als Schriftkünstler, der die Keilschrift perfekt und druckfertig für den Steindruck darstellen konnte. P. Johann Nepomuk Straßmaier S.J. stirbt 1920 in London an Krebs, Wassersucht und Herzschwäche. Dort ist auch sein Grab.
Eröffnung der Entscheidung und Anerkennung durch eigenhändige Unterschrift Johann Straßmaiers
Das Thema zwingt uns wieder zurück zum Hagnberger Schulproblem. Am Kgl. Landgericht Mitterfels schaltet man schnell und fordert am 21.12.1849 von den Schulinspektionen eine Stellungnahme binnen 8 Tagen. Das mochte den Schulinspektoren, den Pfarrern von Mitterfels und Hunderdorf, wegen der arbeitsreichen Woche um Weihnachten und Neujahr nicht gerade gelegen sein. Dennoch konnten sie am 2. Jänner 1850 ihre Berichte vorlegen: der Mitterfelser Pfarrer Joseph Lautenbacher in seiner Doppelfunktion als Mitterfelser Lokalschulinspektor und auch als Distriktsschulinspektor für den Landgerichtsdistrikt; der Hunderdorfer Pfarrer Joseph Luschner als Lokalschulinspektor für die Schulen in Hunderdorf und Au vorm Wald.
Die beiden hatten es vorher mit einem Kompromiss versucht: Die Kinder sollten die Mitterfelser Schule gastweise besuchen dürfen; die Umsprengelung aber dürfe aus Kostennachteilen für die finanzschwache Schule Au keinesfalls zustande kommen. Doch Straßmaier lehnte ab. Seine Gründe waren bis auf den ersten recht schwach: Es waren die Schulweglänge, die Hochwasser in den Bogenbachwiesen, die höhere Schneelage um Au. Pfarrer Luschner konnte das leicht entkräften: Beim Schulweg war bei den Gehzeiten übertrieben, beim Hochwasser gebe es auch in der „Höllmühler Schlucht" gefährliche Bachaustritte, und höherer Schnee liege bekanntlich in den höheren Lagen.
Von Pfarrer Luschner erfahren wir dann von einem interessanten früheren Vorgang, der nun schon bald 20 Jahre zurücklag: Als 1831 Mitterfels sein erstes ordentliches Schulhaus erhielt, hatte man den Einöden Kögl, Hagnberg und Wiespoint die Umsprengelung dorthin angeboten; die Kinder dieser Höfe mussten nämlich den mehrere Kilometer langen Schulweg nach Hunderdorf zurücklegen. Doch die drei Höfe lehnten ab, um das von ihnen angestrebte Projekt einer Schule in Au nicht zu gefährden; und diese wurde dann tatsächlich 1834 durchgesetzt. Und nun wollten die Gleichen die Existenz der Schule Au gefährden.
Pfarrer Lautenbacher muss aus doppelter Funktion Stellung nehmen. Aus erzieherischen und religiösen Gründen sieht er es als belastend an, wenn Kinder eine Schule außerhalb ihrer Pfarrei besuchen. Für Mitterfels befürchtet er, dass bei Anstieg der Kinderzahl - derzeit 110 Kinder in 2 Klassen - es eines weiteren Schulgehilfen und eines weiteren Schulraumes bedürfe.
Hagnberg im Jahre 1995
Den dritten Gutachter hatte man am Kgl. Landgericht anscheinend übersehen; denn erst am 20. März 1850 traf eine kurzfristig angeforderte Stellungnahme vom Schulprovisor Joseph Krätzl aus Au v. W. ein. Und er, der „Kleinste" von allen, nimmt sich kein Blatt vor dem Mund; er kämpft um Schule und sich selbst - denn er bezeichnet sich als den Einkommens-Ärmsten in ganz Niederbayern. Die Gründe des Straßmaier nennt er verlogen. Er deckt auf, dass Straßmaier seine „Dienstbuben" schon seit langem der „Feiertagsschule" und dem Gottesdienstbesuch entziehe; und dass dessen Kind Theres bis jetzt weder die Schule in Au noch die Schule in Mitterfels besucht habe. Sein letzter Satz klingt wie ein Ultimatum: Wenn Straßmaier recht bekomme, wolle er aus Au wegversetzt werden.
Der Aktenlauf nimmt dann ein schnelles Ende. Schon am 21. März 1850 fällt die Kgl. Regierungs-Kammer des Innern das Urteil: „Abgelehnt!". Dem Kgl. Landgericht Mitterfels verbleibt dann nur noch gegenüber Straßmaier die Eröffnung und Anerkennung durch eigenhändige Unterschrift. Und diese soll auch unseren Bericht beschließen.
Ein Nachwort zum Wandel der Zeit und der Dinge: An Kindern fehlte es der Schule Au auch fürderhin nicht. 1938 unterrichtete an der einklassig gebliebenen Schule der Lehrer Hermann Maier 62 Volksschüler und 23 „Ländliche Berufsschüler". 1959 wurde Au als Schulort aufgegeben und stattdessen ein neues Schulhaus in Steinburg errichtet. Doch auch diese Schule verlor 1972 ihre Selb-ständigkeit und wurde in die Volksschule Hunderdorf integriert. - Die Schulhäuser in Au und Steinburg sind längst „zweckentfremdet": Schloss und Schule Au wurde zum Gasthof, Steinburg ist anderweitig genutzt. - Und die umstrittenen Einödhöfe von Hagnberg, Kögl und Wiespoint wurden 1972 aus der Gemeinde Gaishausen in die Gemeinde Mitterfels umgegliedert.
Quelle: Franz Wartner, in: Mitterfelser Magazin 2/1996, Seite 28/29
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