Advent … Symbole der Adventszeit

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Predigten an den Adventssonntagen in der Pfarreiengemeinschaft Mitterfels-Haselbach von P. Dominik Daschner OPraem 

Die kommenden Wochen der Adventszeit, die wir heute beginnen mit dem Entzünden der ersten Kerze am Adventskranz, die sind ungewöhnlich reich an Zeichen, Bräuchen und Tra­ditio­nen.

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Advent ... selber Licht und Wärme verbreiten (1. Adventssonntag)

An den vier Adventssonntagen möchte ich deshalb bei der Predigt jeweils ein typi­sches Symbol dieser besonderen Zeit in den Mittelpunkt stellen. Als erstes möchte ich dabei auf den Adventskranz schauen.


Adventskranz – ein ökumenischer Adventsbrauch


Er geht zurück auf eine Idee des evangelischen Pastors Heinrich Wichern. Er war Direktor des „Rauhen Hauses“, eines Hamburger Waisenhauses. Für seine täglichen Kerzenandach­ten vom 1. Dezember bis zum Heiligabend hat er im Jahr 1838 ein großes Wagenrad mit 24 Kerzen bestückt. Der Ausgangspunkt unseres heutigen Adventskranzes. Nach und nach haben evan­gelische Familien diese Kerzenandachten in der Adventszeit als häuslichen Brauch übernom­men, nunmehr mit einem geflochtenen Kranz aus Zweigen und reduziert auf vier Kerzen für die vier Adventssonntage. Immer mehr hat der Ad­ventskranz in dieser Form auch Eingang in evangelische Kirchen gefunden. Und auch katholische Familien haben bald diesen Advents­brauch aufgegriffen. Zuletzt hat der Adventskranz dann auch in unsere katholischen Kirchen Einzug gehalten. Der Adventskranz ist also ein wahrhaft ökumenischer Adventsbrauch. Aber noch gar nicht so alt, wie man vielleicht denkt.


Grün im Winter – Symbol für Hoffnung, Leben


Grüne Blätter an einem Baum oder Strauch - gerade in winterlich dunkler und kalter Zeit -, sie zeigen: Da passiert etwas, da entwickelt sich etwas, da ist Leben. Der Adventskranz wird aus immer­grünen Zweigen gebunden. Bäume, die auch im Winter ihr Grün behalten, die Farbe der Hoff­nung. Das kann uns sagen: Bei Gott ist immer Leben möglich. Er zieht nicht aus unserem Leben aus. Er zieht sich nicht zurück. Er steht jeden Tag zu uns. Nicht nur in den frühlingshaf­ten Zeiten, in den leichten Tagen des Lebens, sondern auch wenn es winterlich wird. Nicht nur draußen in der Natur: bei schlechtem Wetter, bei Regen und Kälte. Sondern auch in unserer Seele. Wenn das Wasser fließt in Form von Tränen. Wo Gefühlskälte zwi­schen Menschen einzieht. Gegenüber all diesen Problemen steht das Immergrün des Advents­kranzes als Zeichen, dass von Gott her an jedem Tag Gutes möglich ist. Und der Glaube, dass bald Weihnachten ist, setzt sogar noch eins drauf. Gottes Liebe nähert sich uns neu. Ein Fest der Hoffnung und Menschlichkeit für alle.


Entzünden der Kerzen sorgt für Wärme und Helligkeit – auch in den Herzen


Heute zünden wir die erste Kerze am Adventskranz an. Das zeigt: Wir können selbst für Wärme in unserer Umgebung sorgen. Und wir können es in dieser Welt, in den Herzen der Menschen ein Stückchen heller machen. Dazu ruft uns die Adventszeit auf. Auch wir können unsichtbare Kerzen entzünden: indem wir anderen Menschen Hoffnung verleihen, durch gute Taten, durch Worte und Zeichen der Vergebung, im Teilen von Zeit in Freude und Leid. Wir können ein kleines, aber helles, freundliches Licht leuchten lassen: in guten Worten, vielleicht nur in einem freundlichem Gruß oder zwei Minuten Zeit für ein kurzes, nettes Gespräch.


Selbst Kerze sein


Wir zünden zu Beginn der Adventszeit nicht nur die Kerzen an unseren Adventskränzen an – hier in der Kirche oder daheim. Der Advent ruft uns auf, selbst wie eine Kerze zu sein, etwas auszustrahlen - trotz der vielen bedrückenden Nachrichten in der Welt und manchmal auch in unserem direkten Umfeld. Die Strahlen und das Licht am Adventskranz verbreiten sich im Dunkel und erhellen es. Das Kerzenlicht auf den grünen Zweigen ist für uns wie eine Erinne­rung, eine Einladung, diese Zeit wirklich zu leben und die neue Menschwerdung Gottes und der Menschen aktiv mit vorzubereiten.

Im Grunde wissen wir Menschen ja, dass alles, was wir an Gutem geben, selbst wie Licht und Wärme ist. Nicht umsonst ist das Licht auch auf einem Grab eines der stärksten Zeichen für einen Menschen, der uns kostbar bleibt über den Tod hinaus. Darum feiern wir immer wieder dieses unauslöschliche Lebenslicht in unseren Gottesdiensten und erbitten für unsere Verstor­be­nen, dass ihnen nun das ewige Licht leuchten möge. Auch daran mag uns das Licht der ersten Kerze am Adventskranz erinnern.


Wir lassen das Licht wachsen – von Adventssonntag zu Adventssonntag


Unser christlicher Glaube, liebe Schwestern und Brüder, ist nichts Weltfremdes. Gott und Jesus sind Realisten. Und wir Christen sind es auch. Darum zünden wir am Adventskranz nicht gleich alle vier Kerzen auf einmal an. Auch wenn das andernorts mittlerweile des Öfte­ren so ge­schieht. Und dazu schon spätestens mit dem ersten Advent die Weihnachtsbäume in vollem Glanz erstrahlen. Der Advent ist noch nicht Festzeit. Uns ist klar: Unsere Welt ist noch nicht perfekt und vollendet. Wir tun nicht so, als sei alles schon wunderbar glänzend und strahlend. Wir gehen der Erlösung durch den wiederkommenden Christus erst noch entgegen. Schrittweise gehen wir darauf zu. Machen deshalb eins nach dem anderen. Kerze für Kerze, von Sonntag zu Sonntag, von Woche zu Woche lassen wir das Licht wachsen und bilden so das Zugehen auf die Menschwerdung Gottes und damit das Nä­her-rücken unserer Erlösung ab. An Weihnachten, wenn der Erlöser dann endlich da ist, dann erstrahlt alles in vollem Lichterglanz. Darum ist der Advent auch Zeit der Wachsamkeit und des Erwartens, wie es heute im Evangelium angeklungen ist.


Kreisrunde Form – Symbol für Verbunden-Sein, Zusammengehörigkeit, Liebe


Neben dem wachsenden Licht der vier Kerzen und seinen immergrünen Zweigen spricht der Adventskranz auch mit seiner kreisrunden Form als Symbol zu uns. Er hat keine Ecken und Kanten, ist kein rechthaberisches, abgrenzendes Viereck. Nicht von ungefähr ist das Runde, der Ring Aus­druck und Zeichen von Liebe, von Zusammengehörigkeit und Verbunden-Sein. In dieser Weise ist der Adventskranz immer auch ein Symbol für Solidarität mit unseren Nächsten, statt harter Kante. Ob zuhause, im eigenen Lebensbereich, in der Familie, mit den Bedürftigen in unserer Gesell­schaft, aber auch auf dem ganzen „Welten-Rund“ wie unsere Sprache es mit einem althergebrach­ten Wort sagt. Der Advent lädt uns deshalb dazu ein, entsprechend unse­ren Möglichkeiten mitzuhelfen, dass es in dieser Welt etwas runder läuft – und viele tun das in dieser Zeit ja auch durch Spenden, durch Hilfsaktionen, durch echte Zei­chen gelebter Mit­menschlichkeit.

Liebe Schwestern und Brüder, möge uns der Adventskranz, dieses adventliche Symbol, dazu ermutigen, selber Licht zu verbreiten, damit es durch uns und auch für uns rund läuft und wir dem erfüllten, unvergänglichen Leben trauen, das Gott für uns bereit hält.

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Barbarazweige – wikimedia CC BY-SA 4.0/KarlGruber – Vergrößern durch Anklicken!

Barbarazweige … auch ein scheinbar abgestorbener Reis kann neu aufblühen (2. Adventssonntag)

In meiner Predigtreihe über Symbole der Adventszeit möchte ich mit Ihnen heute über die Barbarazweige nachdenken. Manche von Ihnen werden vielleicht in der vergangenen Woche im Gedenken an die Hl. Barbara – am 4. Dezember war ihr Gedenktag – scheinbar dürre, tote Zweige aus dem Garten abgeschnitten und in die Vase gestellt haben, damit sie an Weih­nach­ten dann blühen.


Hoffnung und Glaube sind erfinderisch


Durch diese Tradition konnten Menschen auch zu Zeiten, in denen nicht ganzjährig Schnittblumen erhältlich waren, sich zu den Feiertagen einer Blüte und fri­scher Farbe erfreuen. So sind Hoffnung und Glaube wohl zu allen Zeiten erfinderisch, lassen sich etwas einfallen, um die Welt zu verschönern, dem Leben Farbe und Blüte zu geben. Im ein­tönigen Grau und der Dunkelheit des Winters verkörpert der blühende Zweig den Glanz, der uns in der Geburt Christi aufleuchtet, die Gegenwart von Hoffnung in der Öde des Alltags.


„Wüstenerfahrungen“ im Leben


Ein wenig so wie im Evangelium, das wir gerade gehört haben. Wo Johannes als Rufer in der Wüste auftritt, zur Umkehr aufruft, um so dem Herrn die Wege zu bereiten. Nicht von un­gefähr geschieht das gerade in der Wüste. Wo alles am Ende ist, wo nichts mehr wächst und alles lebensfeindlich erscheint, spricht er von einem neuen Anfang, den Gott setzen will: in Jesus, den er ankündigt. Durch seinen Aufruf möchte Johannes andere mitnehmen auf die Straße, die diesem neuen Leben den Weg bereitet.

Liebe Gemeinde, das Bild der Wüste passt für verschiedene Situationen in unserem Leben. Wo es trocken ist - wie so häufig in den letzten Jahren -, nicht nur draußen in der Natur, oft auch in unserem Inneren. Es stockt. Es geht nichts vorwärts in unseren Kontakten, unserer Arbeit. Es hakt bei den selbst gesteckten Zielen. Blockiert und wie ausgetrocknet scheint die eigene persönli­che Entwicklung. Das sind Wüstenerfahrungen im Leben.


„Oasen“ sind willkommen


In solchen Dürrezeiten sind Oasen willkommen. Jetzt, diese Wochen des Advents, können zu solchen Oasen werden: mehr Gefühl zulassen, Emotionen leben, bewusst die Natur wahrneh­men, nach draußen gehen, die Stille dort aushalten und genießen lernen. Für so eine Oase kann verrückterweise auch ein Wecker sorgen. Nicht einer, der uns aus den schönsten Träu­men reißt, sondern einer, den wir uns bewusst selbst stellen, damit er immer dann läutet, wenn wir wieder einmal zu viel Zeit im Internet, vor dem Fernseher oder am Handy verdaddeln. Dann ist sein Klingelton wie die Stimme, die in der Wüste des gedankenlosen Medien­konsums ruft. Und eine besondere Oasen-Stimmung kann entstehen, wenn wir schon vor Weihnachten mit Liebe und Fantasie durch kleine Aufmerksamkeiten oder durch unsere Zeit für andere versuchen, sie in ihrer Wüste des Alltagstrotts zu erfreuen.


Barbarazweige – Symbole für „Oasen im Leben“


Solche Sehnsucht nach Oasen des Lebens verkörpern auch die Barbarazweige. Es braucht nur ein bisschen Wasser, Licht und Wärme, und sie blühen auf. Das ist auch bei uns Menschen nicht anders. Das Licht echter Mitmenschlichkeit, die Wärme, mit der wir einander begegnen, ein gutes Klima in unseren Beziehungen – sie lassen uns innerlich aufblühen. Ein Blick im Vorbeigehen auf die Barbarazweige in unserer Wohnung kann uns daran erinnern und uns motivieren, selber solch lebensfördernde Oasen zu schaffen in den Wüsten unserer Welt.


„Oasen“ locken zur Rast – Adventszeit ist Oasenzeit


Liebe Schwestern und Brüder, Oasen ziehen an. Sie locken zu einer Rast. Eine Oase lädt ein, zu stoppen, anzuhalten, zu verweilen. Sie verkörpert Gastfreundschaft, ein Quell-Ort, wo man sich gerne niederlässt. Der Advent kann so eine Oasenzeit im Jahreslauf sein, unserer eigenen Seele Rast zu geben: in guten Gedanken an Gott und die Welt, in Meditation, Gebet und Got­tesdienst oder einfach mal im Abschalten damit die positiven Kräfte in uns selbst wieder flie­ßen. Die Barbarazweige - blühende Zweige inmitten winterlicher Erstarrung -, sie laden uns dazu ein.


Es gibt aber auch „seltsame Blüten“ …


In den biblischen Texten, die von Johannes dem Täufer erzählen, ist ebenfalls von Bäumen und Zweigen die Rede. Allerdings nähert er sich ihnen nicht wie beim Schneiden der Barbara­zweige mit der vergleichsweise zierlichen Rosenschere oder einem kleinen Messerchen, son­dern gleich mit der Axt. Auch nicht, um nur einen Zweig zu pflücken, sondern gleich alles mit Stumpf und Stiel auszurotten. „Die Axt ist schon an die Wurzel gelegt“, so heißt es drastisch aus dem Mund des Täufers.


… die zurechtgestutzt gehören!


Sicher ist hier orientalische Übertreibung mit im Spiel, die kräftige Bildersprache des Alten Testamentes. Doch richtig bleibt: Nicht alles, was in unserem Leben wächst, ist gut. Manches treibt auch seltsame Blüten, und muss deshalb hier und da zurückgeschnitten, zurechtgestutzt werden. Eine eigene Unart vielleicht oder ein Zuviel von diesem oder jenem. Mit einem alten Wort: ein Laster. Hier gegenzusteuern, dazu lädt der Advent ein. Nach alter Tradition ist der Advent deshalb eine Bußzeit, eine Zeit der Umkehr. Die violetten Gewänder im Advent zei­gen es an.


Das Machbare, Erreichbare liegt oft im Kleinen


Bei solcher Umkehr brauchen wir uns nicht zu übernehmen: mit einer radikalen Änderung unseres kompletten Lebens. Nein. Oft liegt im Kleinen das Machbare, im Überschaubaren das Erreichbare. Das Leben wieder neu an Jesu Froher Botschaft ausrichten, wieder bewusster leben.


Barbarazweige zeigen es: Auch ein scheinbar abgestorbener Reis kann neu aufblühen


Mit neuem Elan das Gute tun. Und so sein eigenes Leben wieder in Form bringen, wie beim Zuschneiden eines Strauches, damit er wieder neu austreibt und blüht. So wie es das alte Weihnachtslied in Worte fasst: „Es ist ein Ros entsprungen…“. Nicht von einem entlaufenen Pferd – einem Ross - wird darin gesungen, sondern von einem dürren, scheinbar abgestorbe­nen Reis, einem Rosenzweig, der neu austreibt und Blüten hervorbringt.

Zu solch neuem Aufblühen unseres Lebens und Glaubens will uns der Advent einladen. Die aufblühenden Barbarazweige im Advent daheim in der Vase bringen das anschaulich ins Bild.

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Nikolaus 

Nikolaus - Kindheitserinnerungen (3. Adventssonntag)

Als wichtige Gestalt gehört der Nikolaus in den Advent. Vermutlich hat jede und jeder von uns so seine Kindheitserinnerungen, wie das war, als der Nikolaus ins Haus kam.


Mit dem Nikolaus kommt die Adventszeit an eine ihrer schönsten Stellen ... 


Die große Gestalt des Heiligen mit dem Rauschebart, dem Stab in der Hand, den wir halten durf­ten, und mit der sonderbaren Kopfbedeckung, der auf wundersame Weise alles wusste, was wir getan hatten. Ein Gedicht oder ein Gebet sollten wir vor ihm aufsagen oder ein Lied auf der Flöte spielen. Und als Belohnung dafür gab es ein Geschenk aus seinem riesigen Gaben­sack. Der Nikolaus-Abend verbreitet schon ein wenig Vorfreude auf den Heiligabend mit der Be­scherung, das warme Ge­fühl, dass bald Weihnachten ist. Mit dem Nikolaus kommt die Ad­ventszeit an eine ihrer schönsten Stellen. 


… aber in der Erinnerung an die „Einträge ins Nikolausbuch“ schwingen auch unangenehme Gefühle mit. 


Doch wie immer im Leben ist nicht alles nur schön. Es gibt auch Erinnerungen, da war das Warten auf den fremdartig gekleideten Besucher am Abend nicht nur heiter. Vor allem dann, wenn da noch dieser finstere, schwarze Kerl dabei war: der Krampus. Im Nikolausbuch würde alles stehen, was ich gemacht hatte: nicht nur meine Stärken und guten Taten, sondern auch die eigenen Unarten, die kleineren oder größeren Verfehlungen. Und alles würde öffentlich ausgebreitet, vom Heiligen gerügt und vom Krampus mit der Rute bestraft werden. Und viel­leicht noch schlimmer: Jeder würde es somit wissen - Eltern, Großeltern und Geschwister. Was würden sie machen mit diesem Wissen über mich?

Solche Kindheitserinnerungen haben sich oft tief eingegraben und wirken in unserer Seele nach. Ein Buch, in dem alle Unarten und Vergehen feinsäuberlich über mich notiert sind. Mit welchen Gefühlen hört so jemand die Worte aus der Offenbarung des Johannes, wenn dort in einer Vision über das Ende der Welt und das Gericht Gottes erzählt wird: „Und Bücher wur­den aufgeschlagen … Die Toten wurden gerichtet nach dem, was in den Büchern aufgeschrie­ben war, nach ihren Taten.“ 


Werden unsere Verfehlungen in einer Art „himmlischem Bilanzbuch“ aufgezeichnet und einst vorgehalten? 


Werden uns einst vor Gott akribisch alle unsere Sünden, unsere Fehler und Verfehlungen vorgehalten werden, die unser Leben lang beckmesserisch in einem himmlischen Buch notiert worden sind? So wie vor dem Nikolaus unsere Unarten? Und dann werden wir dafür abgestraft werden, wie vom Krampus mit seiner Rute?

Der Advent, liebe Schwestern und Brüder, ist nicht nur vorweihnachtliche Zeit. Er hat nicht bloß das Zugehen, die Vorbereitung auf Weihnachten zum Inhalt. Zum Advent gehört ge­nauso das eschatologische Motiv: das Warten auf die Wiederkunft Christi, das Zugehen auf die Vollendung dieser Welt, auf den Jüngsten Tag.


Advent beinhaltet auch eine persönliche Dimension – die Begegnung mit Christus am Ende unserer Tage … 


Und als dritte Dimension gehört der ganz persönliche Advent dazu: wenn ich am Ende meines Lebens Christus begegnen werde. Wie wird das für mich sein? Welche Gefühle regen sich in mir beim Gedanken daran? Wie stelle ich mir das vor? Eine strenge Abrechnung über mein Leben, entsprechend einem göttlichen Merkbuch, in dem alle meine Schuld aus Erdentagen eingetragen ist? Ähnlich wie am Niko­laus-Abend?

Liebe Schwestern und Brüder, wenn ich mich recht erinnere, war die Nikolaus-Mappe trotz meiner kleineren oder größeren Vergehen immer ein großes goldenes Buch. Und wenngleich auch manches nicht gerade Nette von mir in diesem Buch geschrieben war, ich kam darin vor. Ich hatte mein eigenes, unverwechselbares Kapitel darin. Und schließlich waren dort drinnen ja auch die guten Sachen vermerkt.


… das „himmlische Bilanzbuch“ ist kein „Schwarzbuch“ …


Das Buch, das einmal vor Gott über uns aufgeschlagen wird – wie es die Offenbarung des Johannes schildert -, es ist kein Schwarzbuch. Keine einzige große Mängelliste so wie das jährlich herausgegebene Schwarzbuch des Bunds der Steuerzahler, in dem eklatante Beispiele von Steuerverschwendung gerügt werden. Nein. Das Buch, das einmal vor Gott über uns auf­geschlagen wird, das ist das Buch unseres Lebens: mit unserer ganzen Lebensgeschichte da­rin, die Gott mit uns anschauen wird.

Dazu gehören die unzähligen vielen kleinen guten Taten und Worte. Alles, was ein Mensch guten Willens gegeben hat. Auch und gerade der äußerlich oft unscheinbare Alltag in Familie, Beruf und Ehrenamt. Auch alles das, was das Leben mit einem gemacht hat. Was sich keiner selber ausgesucht hat. Die Herausforderungen, vor die einen das Leben gestellt hat, womit man einfach zurechtkommen musste: die Lebensumstände, das eigene Temperament, Schick­salsschläge und vie­les mehr. Natürlich kommen dann in der Komplexität einer menschlichen Biographie auch Grenzen und Schwächen vor, Brüche, Verknotetes und Schwieriges; nehmen auch Defizite und Versagen ihren Raum darin ein. Doch alles eingebettet im Ganzen, im Ge­samt eines Le­bens.


… und Gott wird mit einem beständigen Blick der Liebe hineinschauen.


Dieses Umfassende einer Biographie an Selbst-Gewirktem, an Ertragenem und Ge­schenktem füllt unser Lebensbuch. Es ist darin für immer festgehalten, geht vor Gott nicht verloren. Das Buch unseres Lebens sozusagen als Form der Datensicherung, Er, Gott, wird alles, was darin steht, zu nehmen wissen und es anschauen mit dem verständigen Blick der Liebe.

Das ist ein Nikolaus-Buch, mit dem ich gut leben kann. Umso mehr, als in der Vision aus der Of­fenbarung des Johannes noch von einem anderen Buch die Rede ist: vom Buch des Lebens nämlich, in das alle eingetragen sind, die gerettet werden sollen. Bei unserer Taufe sind wir in dieses Buch des Lebens eingeschrieben worden.

Und wenn wir uns in dieser Welt nicht kom­plett dem Guten verweigert, uns an Gott und unseren Mitmenschen völlig verfehlt haben, dann werden wir aus diesem Buch des Lebens nicht herausradiert. Dann werden unsere Na­men darin zu lesen sein und aufgerufen werden, wenn Gott einst am Ende der Welt, im Ge­richt, dieses Buch aufschlagen wird. Dann müssen wir beim Gedanken daran keine Sorge ha­ben, so wie vielleicht als Kind vor dem Nikolaus-Abend.

Foto: Marion Böttcher 

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leere krippe by irmela mies suermann pfarrbriefservice

4. Adventssonntag. … die Krippe ist noch leer

Weil der Heiligabend schon so nah ist, ist in unseren Kirchen - und vielleicht auch daheim – schon alles an weihnachtlicher Dekoration aufgebaut: der Christbaum und die Krippe. Aber ein Detail fehlt noch: Die Krippe ist noch leer. Allenfalls das Stroh, auf dem das Christkind ruhen wird, liegt schon drin.


… kleine Strohhalme als Anerkennung für gute Taten …


Aus meiner Kindheit kann ich mich noch gut an einen adventlichen Brauch erinnern - vielleicht kennen Sie den auch: In den Wochen vor Weihnachten, da bekamen wir Kinder, wenn wir brav waren, für Wohlverhalten oder für gute Taten kleine Strohhalme als Anerkennung. Und die durften wir dann in die leere Krippe legen.


Je mehr Strohhalme – umso weicher konnte das Christkind schlummern und träumen …


So wurde peu à peu das harte, nackte Holz der Krippe ausgepolstert. Je mehr Strohhalme sich bis zum Heiligen Abend in der Krippe befanden, umso weicher kam das Jesuskind zu liegen.

Der tiefere Sinn dieser pädagogischen Maßnahme ist klar: Durch unser Gut-sein im Advent verbessern wir die Rahmenbedingungen für die Menschwerdung des Gottessohnes in unserer Welt. Durch gute Taten, durch gelebte Mitmenschlichkeit bereiten wir Gottes Ankunft vor, um diese Welt zu verwandeln, um uns zu jenem neuen Menschen zu machen, der nach dem Bild seines Sohnes gestaltet ist. Oder wie Bischof Franz Kamphaus es einmal prägnant formuliert hat: „Mach’s wie Gott, werde Mensch!“

Je mehr Strohhalme wir durch unser Gut-sein gesammelt hatten, umso süßer konnte das Jesus­kind an Weihnachten in seiner Krippe schlummern. Was das schlafende Jesuskind in der Krippe dabei geträumt hat, davon erzählen die Evangelien nichts.


Von der Botschaft an Maria, die sie sich nie hätte träumen lassen …


Aber von den Menschen drum herum und deren Träumen ist in der Kindheitsgeschichte Jesu sehr viel die Rede. Im Evange­lium haben wir heute gehört, wie Maria eine Botschaft vernimmt, die sie sich niemals hätte träumen lassen: dass sie die Mutter Gottes werden soll. Auch wenn sie sicher nicht überblickt hat, was das genau für sie bedeutet, so hat sie sich dennoch darauf eingelassen: im Vertrauen auf das Wirken Gottes.


Josef – und dessen Träume in einer vertrackten Situation


Von Josef, ihrem Verlobten, und dessen Träumen, erzählt uns das Evangelium mehrmals und ausführlich. Des Nachts, im Traum, geschützt vor der Unruhe und Rastlosigkeit des Tages, sieht Josef eine Lösung für die vertrackte Situation, in die Gottes Heilsplan das junge Paar gebracht hat. Das damalige Recht bestrafte eine Frau schwer, die von einem anderen Mann ein Kind erwartet, unter Umständen sogar mit dem Tod. Um seine geliebte Braut zu retten, ist Josef bereit zu einer gütlichen Trennung. Sein Verzicht würde Maria und ihr ungeborenes Kind retten. Die gemeinsame Zukunft, die Josef sich mit Maria erträumt hatte, wäre jedoch beendet. Doch Gott sei Dank kommt es ganz anders – durch Gottes Engel, der Josef im Traum ermutigt, Maria als seine Frau zu sich zu nehmen, auch wenn es nicht sein Kind ist, das sie unter dem Herzen trägt. Und den Impuls zur Flucht nach Ägypten – weil Herodes dem neugeborenen König der Juden nach dem Leben trachtet – und später zur Rückkehr nach Nazaret erhält Josef ebenfalls im Traum.


Die Kräfte des träumenden Fühlens weisen den Weg …


Liebe Schwestern und Brüder, dort, wo unser Tages- und Wachbewusstsein an Grenzen gerät – in Schlaf und Traum -, da wirkt die Urkraft des vertrauensvollen Sich-Fallen-lassens. Unser gestörtes Urvertrauen hat Angst vor der Nacht; vor dem, was in uns schlummert. Es will be­wachen und festhalten. Und tut das, was wir im Traum mehr intuitiv fühlen als mit dem Ver­stand zu begreifen, tut es schnell ab als bloßen „Schall und Rauch“, als leeres Stroh.

Ganz anders die Welt der Psalmen. Sie setzt dieser angespannten Furcht die größere Liebe Gottes entgegen, wenn es in Psalm 127 heißt: „Der Herr gibt es den Seinen im Schlaf.“ Die Kräfte des träumenden Fühlens, in denen Josef Gott am Werk sieht, sie wissen und weisen einen anderen Weg.


Josef aber flüchtet nicht in Scheinwelten …


Einen Weg, der starken Glauben zumutet; intensives, grenzenloses Ver­trauen, und der so alle in Liebe leben lässt. Josef nimmt trotz der vielleicht bohrenden und nagenden Frage in ihm die Situation an, und damit auch Maria und ihr Kind. Bei allem Fühlen ist Josefs Träumen realitätsbezogen. Traum und Wirklichkeit nicht als Gegensätze, die sich gegenseitig ausschließen, sondern als Paar verbunden. Josef flüchtet nicht in Scheinwelten. Er lebt in der Wirklichkeit und gestaltet sie. Als er erwacht, nimmt er Maria auch formal zu seiner Frau und formt mit ihr seine junge Familie.

Liebe Schwestern und Brüder, gut schlafen und träumen können, sich fallen lassen können und auf seine innere Stimme hören, in Traum und Schlaf, geschützt vor der Unruhe und den vielen Stimmen der alltäglichen Betriebsamkeit, daraus die Stimme Gottes heraushören, das weckt die Kräfte zum Guten in uns.

So wollen wir heute, so kurz vor dem Heiligabend, in Gedanken einen letzten Strohhalm in die Krippe legen, im Vertrauen auf die stillen, ohne Lärm in uns und durch uns wirkenden Kräfte des Guten, auf dass Gott in der Menschwerdung seines Sohnes bei uns ankommen kann, um uns zu neuen Menschen zu machen.

Foto: irmela-mies-suermann_pfarrbriefservice

 

 

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