Brauchtum
Eine über 500 Jahre alte Geschichte. Der „Stephani-Ritt“ in Stephling
In den 60er Jahren hatte der Stephani-Ritt eine große Krise. Durch die Mechanisierung wurden Pferde überflüssig.
Die Pfarrei Degernbach und der Förderverein „Stephlinger Pferderitt“ veranstalten mit Unterstützung der Stadt Bogen am Freitag, 26. Dezember, dem zweiten Weihnachtsfeiertag, jedes Jahr den jährlichen „Stephani-Ritt“. Dass der Stephani-Ritt in Stephling mit der Pferdesegnung der älteste Ritt in der Gegend ist, dürfte so gut wie sicher sein – wenn auch keine schriftlichen Beweise vorliegen.
Der aus dem nahen Schönbühl stammende Heimatforscher und Buchautor Josef Fendl hat sich in seiner 1989 herausgegebenen Schrift „Schwarzach am Wald“ ausführlich über die Bedeutung der Rösser für die Menschen, wie auch über die Kirche in Stephling und den Pferderitt geäußert. Er schrieb darin unter anderem: „Es ist allgemein bekannt, dass unsere germanischen Vorfahren (und die Bajuwaren waren ja Germanen) eine große Vorliebe für Pferde an den Tag legten. Im Mittelalter nehmen sich besonders die Benediktinerklöster um Pferde- und Haferweihen und um Stephaniritte an. Da frühere Generationen in erster Linie Rechtsgeschäfte, in keiner Weise aber Brauchtumsformen für beurkundenswert hielten, ist es außerordentlich schwierig, etwas über das Alter von Bräuchen auszusagen.“
Eine über 500 Jahre alte Geschichte
Soweit Josef Fendl, der also davon ausgeht, dass der Stephlinger Pferderitt schon zur Zeit der Degenberger, in deren Hände nach dem Aussterben der Frammelsberger um das Jahr 1409 auch Stephling übergeht und die auch die heutige Kirche erbaut haben, bestanden hat. Somit hätte der „Stephaniritt“ schon eine über 500-jährige Geschichte.
Weiter zurück in der Geschichte über Stephling und den Pferderitt geht der schon gestorbene Mettener Heimatforscher, Benediktinerpater Professor Wilhelm Fink. Er schrieb in der Nummer sieben der Heimatblätter für die Stadt und den Landkreis Deggendorf im Juli 1963 einen Beitrag über die „Frammelsberger“. Darin schrieb er unter anderem: „Das Gebiet, in dem die Burg Frammelsberg gebaut wurde, gehörte ursprünglich den Bischöfen von Passau. Sie weihten eine kleine Kapelle in der Nähe (Anmerkung des Verfassers: wohl Stephling) ihrem Diözesanpatron, dem heiligen Stephan. Zu seiner Ehre umritten die Bauern an seinem Festtag das Heiligtum. Vögte waren die Grafen von Bogen, ihre Nachfolger die Herren von Degenberg. Als sie 1602 ausstarben, gliederte Herzog Maximilian I von Bayern das Gebiet seinem Lande ein und errichtete in Schwarzach ein Gericht, zu dem auch die Pfarrei Tegernbach gehörte.“
Soweit Professor Pater Fink und er schrieb weiter: „... dass auch die Frammelsberger wie auch andere Lehensleute oder Ministerale der mächtigen Grafen von Bogen waren. Für sie bestand die Pflicht, ihre Herren auf ihren Fahrten zu begleiten. So wurden sie oft auch Zeugen wichtiger Rechtshandlungen. Die Familie der Domvögte und ihre Verwandten, die Grafen von Windberg-Bogen, gründeten gegen 1100 die Benediktinerabtei Oberalteich. Unter dem ersten Abt Egino, gestorben 1106, tritt als Zeuge der älteste Frammelsberger Kuno auf.“
So gesehen, müsste also der Bau der ersten von den Passauer Bischöfen erbauten Kapelle in Stephling schon um oder gar vor 1100 erfolgt sein. Wenn schon damals, wie Pater Fink schreibt, die Bauern zur Ehre des Kirchenpatrons an seinem Festtag das Heiligtum umritten, könnte darin der Ursprung des heutigen „Stephanirittes“ liegen – und er hätte tatsächlich schon eine fast tausendjährige Geschichte.
Die Feststellungen von Pater Fink decken sich auch weitgehend mit den Aussagen von Josef Fendl in seiner Schrift: „Schwarzach am Wald“. Fendl schreibt dort: „Der erste urkundlich fassbare Frammelsberger scheint ein Chuono de Stevening gewesen zu sein. Zu seinen Lebzeiten wird die Burg (Frammelsberg – Anmerkung des Verfassers) noch nicht gebaut gewesen sein, nach der sich die späteren Geschlechter benennen. Die hohe Stellung der Frammelsberger lässt sich auch daraus ersehen, dass sie sich einen eigenen Burgkaplan halten konnten und bei der Stephlinger Kirche ein Benefizium errichteten.“
So wenig man über die einstige Vorgängerkirche in Stephling weiß, so deutlich zeigt ein Quaderstein an der Südseite der heutigen Kirche mit der Jahreszahl „1487“ – ihr Baujahr. Damals wurde sie von Hans IV von Degenberg im spätgotischen Stil erbaut. Und zwar als „Jagdkapelle“, wie es in einer Niederschrift von Pfarrer Josef Söll aus dem Jahre 1894 heißt, die sich im Degernbacher Pfarrhof befindet.
Pferderitt hatte schon manche Krisen und Ausfälle
Dort steht auch unter anderem: „In der Nähe war das weite Holz (daher Weidholz) wohin die Herrschaft häufig zur Jagd kam. Die christliche Herrschaft wohnt vor der Jagd zuerst der heiligen Messe bei, während die Dienerschaft die Pferde außerhalb der Kirche in Obhut hatte. Darin mag der heute noch übliche Brauch des Pferderittes seinen Ursprung haben“, soweit Pfarrer Söll. So hat der „Stephlinger Pferderitt“ schon viele Jahrhunderte überdauert und sicher auch so manche Krisen und Ausfälle gehabt. Die letzte große Krise hatte der Stephaniritt nach dem Zweiten Weltkrieg in den 60er Jahren, als mit der einsetzenden Mechanisierung in der Landwirtschaft die Pferde überflüssig wurden und Landwirte, die noch mit Pferden arbeiteten, als rückständig galten. Als dann wegen der Kirchenrenovierung ein Jahr der Gottesdienst und der Pferderitt ausfielen, kam im nächsten Jahr mit Hans Schwarzmüller nur noch ein Reiter. Als er sah, dass er alleine war, wollte auch er wieder umkehren, doch der beherzte Degernbacher Franz Kellner hinderte ihn daran.
Das rief die Degernbacher auf den Plan und Pfarrer Alois Kreuzer und Bürgermeister Albert Meier vereinbarten, ab dem nächsten Jahr (1965) die örtliche Musikkapelle Bernhard-Bugl zum Empfang der Reiter zu bestellen und verstärkt für den traditionellen Ritt zu werben. Das hatte Erfolg und so zogen in den nächsten Jahren jeweils ein bis zwei Dutzend Reiter mit der Musikkapelle zunächst vom Baierhof in Waidholz und später nach dem Autobahnbau vom Hollmerhof in Frammelsberg zur Filialkirche in Stephling. Der Pferderitt war gerettet, bis in die heutige Zeit.
Als im Jahre 1987 zum 500-jährigen Bestehen der Kirche auf Initiative von Lehrer Josef Anleitner der Förderverein „Stephlinger Pferderitt“ gegründet wurde, brachte dies natürlich einen erheblichen Aufschwung für den Stephaniritt. So stiegen die Teilnehmerzahlen in den nächsten Jahren auf etwa 75 bis 100 Reiter und erreichten Ende der 90er Jahre eine Rekordteilnahme von 135 Reitern.
Natürlich hängt die Reiterzahl sehr stark von der Witterung ab und so hoffen auch heuer wieder die Pfarrei Degernbach, der Förderverein mit der Vorsitzenden Barbara Müller und der Hofbesitzer Adolf Hollmer auf eine gute und unfallfreie Teilnahme von vielen Reitern.
Quelle: Rupert Sagmeister, in: Bogener Zeitung vom 19. November 2014 (zeitversetzte Übernahme des Beitrags aufgrund einer 14-tägigen Sperrfrist)
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