Bogenberg. Das bayerische Urkloster „Berg im Donaugau“

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2012 wurden bei Ausgrabungen Hinweise auf einen Friedhof gefunden.

Ausgrabungen haben belegt: Auf dem Bogenberg befand sich ein Kloster samt Friedhof

 

Die vorhandenen Schriftquellen und die Ergebnisse archäologischer Grabungen in den Jahren 2011 und 2012 stellen sichere Indizien dafür dar, dass das verschollene bayerische Urkloster „Berg im Donaugau“ auf dem Bogenberg gefunden worden ist. Damit kann nicht nur die lokale Geschichte des Heiligen Berges von Niederbayern um vier Jahrhunderte zurückdatiert und die Frühgeschichte der heutigen Stadt Bogen bestätigt werden, auch die frühchristliche Klostergeschichte Bayerns erfährt eine Neuigkeit und für die bayerische Landesgeschichte ist ein sehr altes Rätsel gelöst.

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Der „Breviarius Urolfi“ nennt die Schenkungen an das Kloster Niederaltaich.

In einem Verzeichnis, das die Besitzungen des Klosters Niederaltaich nach seiner Gründung (741) zusammenfasst, dem sogenannten „Breviarius Urolfi“, werden einige der damals existierenden Weiler und Dörfer in der Nähe des Bogenberges aufgeführt: Bogen, Allersdorf, Huterhof, Pfelling, Winkling, Posching, Amselfing, Irlbach. Deren Bewohner zählten überwiegend zum niederen Adel und hatten dem Kloster Niederaltaich zur Zeit Herzog Odilos (736 – 748) Schenkungen gemacht. Diesem Güterverzeichnis sind auch etwas spätere Stiftungen an Niederaltaich angefügt, bei denen Herzog Tassilo III. (749 – 788) seine Zustimmung gab und sogar die Namen der adeligen Schenker genannt werden. Die Schenkerfamilien waren am Bogenberg offenbar schon seit dem 6. oder 7. Jahrhundert ansässig, waren christianisiert und wohlhabend. Es ist naheliegend, dass es neben ihren Wohnhäusern, den sogenannten „Herrenhöfen“, auch eine Kirche, einen Seelsorger und einen Friedhof gab, die ihnen von einem adeligen Grundherrn zur Verfügung gestellt wurden.


 

Abriss zur urkundlichen Überlieferung des Klosters

 


 

Gleich fünf deutsche Kaiser unterzeichneten Urkunden, in denen es um das Kloster „Berg im Donaugau“ ging. Den Dokumenten und Einzelhinweisen ist zu entnehmen, dass „Berg“ im 8. Jahrhundert neben den Klöstern Niederaltaich, Metten, Wörth a. D. und Weltenburg gegründet wurde und etwa 150 Jahre lang Bestand hatte. Bis vor Kurzem ist es nicht gelungen, das Kloster zu lokalisieren. „Berg“ wurde mit der Nonnenabtei Bergen bei Neuburg an der Donau gleichgesetzt, mit Haindling bzw. Haindlingberg, mit Haidersberg, Paring bei Eggmühl, mit einem Ort in der Nähe von Waltendorf/Niederwinkling und mit dem Bogenberg.

Die Gründung des Klosters erfolgte zwischen 768 und 770. Ein gewisser Wolkanhard hatte auf seinem Grund und Boden ein Eigenkloster errichten lassen. Die Familie des Wolkanhard war reich begütert am Wallersee im heutigen Land Salzburg und pflegte Beziehungen zu damals mächtigen fränkischen und bayerischen Adelsgruppen. Wolkanhard erhielt eine Ausbildung an der Salzburger Domschule, wo etwa gleichzeitig die Heiligen Bonifatius († 754), Rupert († 718) und Virgil († 784) wirkten. Wolkanhard und seine Familie beschenkten mehrmals das Hochstift Salzburg. Wolkanhard selbst wurde nach seiner Stiftung des Klosters „Berg“ auch zu dessen ersten Abt bestimmt.

Einige Jahre später übereignete Abt Wolkanhard sein Kloster „Berg“ Kaiser Karl dem Großen, der es unter seinen Schutz stellte und ihm Abgaben- und Steuerfreiheit verlieh. Wolkanhard nahm im Jahr 807 an der Provinzialsynode in Salzburg teil, bald danach ist er verstorben. Am 3. Dezember 815 bestätigte Kaiser Ludwig der Fromme den von seinem Vater Karl gewährten Schutzbrief und dehnte die Rechte des Klosters für alle Zeiten aus. In dieser Urkunde finden sich die erwähnten Gründungshinweise.

60 Jahre später, am 18. Dezember 875, schenkte dann König Ludwig der Deutsche das Kloster „Berg“ mit allem Zubehör seiner von ihm erbauten Pfalzkapelle, der späteren Alten Kapelle zu ULF in Regensburg. Trotz der urkundlichen Verpflichtungen von 875 verlieh Kaiser Karl III. wiederum zehn Jahre später dem Stiftsabt der Alten Kapelle (Engilmar) auf Lebenszeit einige Besitzungen der Pfalzkapelle in Regensburg, darunter das Kloster „Berg“. Nach dem Tode des Stiftsabtes erhielt der bayerische Landesherr das Kloster zurück, „Berg“ wurde wieder königliches Eigenkloster.

Um diese Zeit kam in Bayern der Stammesadelige Markgraf Luitpold an die Macht und wurde Herzog. Er stemmte sich gegen die Ungarneinfälle, kam aber im Jahr 907 bei Pressburg zu Tode. Im folgenden halben Jahrhundert verwüsteten die Ungarn zahlreiche Klöster und Kirchen, nachweislich zum Beispiel Metten, Münchsmünster, Niederaltaich, Osterhofen, Weltenburg und vor allem die kleineren Sippenklöster. Die zerstörten Klöster wurden erst nach langer Zeit neu errichtet, einige auch nie mehr wieder wie zum Beispiel „Berg im Donaugau“.

Ein letzter urkundlicher Hinweis auf das Kloster Berg taucht unter dem Datum 10. Mai 1019 auf. Die Notare Kaiser Heinrichs II. waren im Besitz der beiden alten Urkunden von 815 und 875 und sollten den Besitz in „Berg“ dem neuen Bistum Bamberg übertragen. Sie erkundigten sich nach der Qualität dieses Besitzes und erfuhren, dass der Ort „Berga“ genannt und von einigen als Abtei bezeichnet werde. Die Bischöfe von Bamberg durften künftig darüber frei verfügen, egal, ob „Berg“ eine Abtei oder eine Art von Landgut war. Aus dem ehemaligen königlichen „Kloster Berg im Donaugau“ war also nun ein bischöflich bambergisches Gut geworden. Dem Urkundentext zufolge lag „Berg“ damals im östlichen Donaugau in der Grafschaft des Adalbert, eines Babenbergers, der im Jahr 1018 zum Markgrafen von Österreich eingesetzt worden war. Graf Adalbert starb 1055 in Melk, mit ihm endete die Herrschaft der Babenberger in Niederbayern.


 

Besitzübergang an die Grafen von Bogen

 


 

Die zahlreichen Besitzungen, die Kaiser Heinrich II. an das Bistum Bamberg geschenkt hatte, waren wegen ihrer Streulage „schwer nutzbar“ und wegen ihrer großen Entfernung von Bamberg „stets gefährdet“. Als sich die Babenberger aus dem niederbayerischen Donauraum zurückgezogen hatten, kam deshalb auch die alte Grafschaft im östlichen Donaugau zur Disposition. Dieser Vorgang ist zwar nirgends schriftlich überliefert, das Ergebnis aber – die Vorherrschaft der Grafen von Bogen – wird um 1080 sichtbar. Sie gründeten das Benediktinerkloster Oberaltaich und übergaben ihre Eigenkirche auf dem Bogenberg dem neuen Kloster. Der Besitz Bambergs auf dem Bogenberg war also „auf irgendeine Weise“ von den Grafen von Bogen übernommen worden.


 

Historische Bewertung der Fundstelle

 


 

Die Gründung eines Klosters mit einer Kirche auf dem Bogenberg, in der Einsamkeit, an einem Ort, wo Wasser und Holz zur Verfügung standen, weit weg von größeren Siedlungen, entsprach im Frühmittelalter der Zielsetzung der benediktinischen Mönchsregeln und erklärt schlüssig, warum gerade auf dem Gipfel des Bogenberges ein christliches Zentrum mit einer Kirche, Friedhof und Gebäuden entstanden ist und sich bis heute erhalten hat. Im Frühmittelalter wollten von dort aus der adelige Gründerabt und seine Mönche vorbildhaft wirken und zugleich die Bewohner des Umlandes in der Ausübung christlicher Praktiken unterstützen.

Die christlichen Bewohner der Umgebung des Bogenberges, die zum Teil im „Breviarius Urolfi“ genannt werden, besuchten also die Eigenkirche des Klosters „Berg“ beziehungsweise des adeligen Grundherrn auf dem Gipfel des Bogenberges, die Priester standen als Seelsorger zur Verfügung. Wahrscheinlich ist aber auch, dass neben der Klosterkirche bereits eine kleine Ortskirche mit einem eigenen Friedhof bestand. Denn „die Klöster der Frühzeit“ haben begonnen, „Pfarrkirchen zu gründen oder sich übereignen zu lassen und Sprengel zu bilden“.

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Karte der Urklöster mit Eintrag „Berg im Donaugau“. (Foto und Abbildungen: Archiv Neueder)

Kirche und Kloster waren wohl ursprünglich aus Holz gebaut, bescheiden und einfach wie es sich den Mönchsregeln nach gehörte. Die beherrschende Höhenlage des Klosters und seine noch uneinheitliche Bauanordnung um einen Hof entsprachen durchaus den Vorstellungen für ein benediktinisches Kloster. Die zahlreich entdeckten Öfen könnten auf den Wirtschaftsbereich des Klosters oder als Kalkbrennöfen auf eine Klosterbaustelle verweisen. Nach dem Ende, d. h. der Zerstörung des Klosters, wurden seine baulichen Überreste abgetragen. Der nicht mehr benötigte Mönchsfriedhof geriet in Vergessenheit, verschwand unter Aufschüttungen oder neu errichteten Gebäuden. Als dann um 1100 der Klosterbezirk und die dort bestehende Kirche dem Benediktinerkloster Oberaltaich übereignet worden waren, gaben die Benediktiner dem ehemaligen Ort „Berg“ den lateinischen Namen „mons“ mit dem bairischen Zusatzwort „Grind“. Aus diesem Doppelnamen „Grindberg“ entstand nicht lange darauf der „Bogen-Berg“.

Der Standort für die Orts-, Pfarr- und spätere Wallfahrtskirche mit Gebäuden und Innenhof blieb „ortskonstant“. Rein theoretisch könnte auch auf beziehungsweise aus den Überresten des frühmittelalterlichen Klosters im 11. Jahrhundert eine Burganlage, nämlich die der Grafen von Bogen, entstanden sein. Aber da fehlen noch handfeste archäologische Nachweise. Der aufgefundene kleine Friedhof datiert mit den 42 untersuchten Skeletten in das 7. und 8. Jahrhundert und enthielt bis auf drei Ausnahmen lauter Männer. Der Friedhof lag, wie im Frühmittelalter üblich, „neben der Kirche“, die wohl in „Berg“ schon längere Zeit an der Stelle der heutigen Pfarr- und Wallfahrtskirche stand. Nach der Lex Baiuvariorum senkte man die in einem Tuch eingehüllte Leiche eines Christen in die Erde und bedeckte sie mit einem Brett. Auch Erzbischof Theodor von Canterbury († 690) schrieb u. a., dass die Mönche oder die verstorbenen Geistlichen, wenn sie in das Grab gelegt worden sind, mit Erde oder einem Stein zu bedecken seien und dann Erde über diesen gestreut werden solle.

An anderen Stellen heißt es zum Totenbrauchtum des frühen Mittelalters, dass die Toten in Rückenlage mit Blick nach Osten beigesetzt werden, dass die gestreckte Armhaltung überwog und die meisten Gräber beigabenlos sind. Diese Schriftquellen passen also gut zu den aufgefundenen Männerbestattungen. Etwas am Rande der Grabungsfläche wurden vier Gräber aufgefunden, die möglicherweise zueinander in Beziehung zu setzen sind. Eine junge Frau, die drei bronzene Schmuckstücke trug, und zwei Männer waren anthropologisch bestimmbar. Die Lage des Bestattungsplatzes könnte auf eine Art von Separatgrab, als ein Familiengrab, gedeutet werden, möglicherweise als das Grab des adeligen Klostergründers mit seiner Familie. Die bescheidene Ausstattung der Grabanlage rührt daher, dass die Adeligen dieser Zeit keine aufwendigen Beigaben mehr brauchten, da ihr rechtlicher Stand durch Geburt garantiert war. Selbstverständlich könnten naturwissenschaftliche Methoden noch mehr Klarheit über die Identität und das Alter dieser Personen bringen.

Im Benediktinerkloster Oberaltaich, gegründet um 1080, hatte sich Ende des 14. Jahrhunderts eine Gründungslegende herausgebildet. Sie besagte, dass das Kloster im Jahre 731 gegründet, von den Ungarn im Jahre 904 zerstört und 1102 wieder errichtet worden sei. Es wäre m. E. durchaus möglich, dass die Benediktiner von Oberaltaich später durch eine vage mündliche Tradierung die wahre Geschichte des Klosters „Berg im Donaugau“ zu ihrer eigenen machten. Damit erhielte die Gründungslegende von Oberaltaich einen historischen Kern und einen fassbaren Gehalt.

Anmerkung

Der Artikel stellt die überarbeitete Fassung eines Vortrages dar, den der Autor am 27. April 2013 beim „Niederbayerischen Archäologentag“ in Deggendorf gehalten hat.


 

Quelle: Hans Neueder, Kreisheimatpfleger, in: Bogener Zeitung vom 29. Juni 2015

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