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Haben wir Menschen des 21. Jahrhunderts noch Sehnsucht nach Gott? - Christmette der Pfarrgemeinschaft Mitterfels-Haselbach
Predigt zur Christmette von Pfarrer P. Dominik Daschner OPRAEM, Pfarrgemeinschaft Mitterfels-Haselbach
In den zurückliegenden Wochen bei Adventsfeiern und vor allem heute/gestern Nachmittag und Abend in den Krippenfeiern für Kinder, da ist immer wieder die Herbergssuche gespielt worden, liebevoll dargestellt und mit viel Phantasie ausgeschmückt: das Heilige Paar auf der Suche nach einer Bleibe, wo Maria ihr Kind zur Welt bringen kann. Gott sucht einen Ort, wo er zur Welt kommen kann. Die Geschichte einer Suche.
Auch in Deutschland wird zurzeit viel gesucht: nach Lösungen für die Euro-Krise, nach einem finanzierbaren Weg für die Energiewende, nach dem günstigsten Tarif für das Smart-Phone. Deutschland sucht den Superstar, das Supertalent, the Voice of Germany. Der Bauer sucht nach wie vor Frau. Aber suchen wir noch nach Gott? Haben wir Menschen des 21. Jahrhunderts in unserer westlich geprägten Kultur noch Sehnsucht nach Gott? Kann man von uns wirklich sagen, wie es der Psalmbeter im Psalm 63 formuliert: „Gott, du mein Gott, dich suche ich. Meine Seele dürstet nach dir. … Darum halte ich Ausschau nach dir im Heiligtum“? Die Bankreihen in unseren Kirchen sprechen eine andere Sprache. Heute, zu Weihnachten, mag das ein wenig anders sein als sonst. Aber die Kirchen waren da auch schon mal voller.
Die Anzeichen für die gegenwärtige Gotteskrise sind unübersehbar. Kann denn Gott in die Krise geraten?, werden Sie fragen. Er nicht, aber wir mit ihm, und er mit uns. Viele Menschen begnügen sich heute mit einer radikalen Diesseitigkeit. Sie leben ein ausschließlich diesseitiges, materialistisch ausgerichtetes Leben. Sie fragen nicht mehr hinter die Dinge: nach ihrem Grund, nach einem Sinn, nach einen letzten Woher und Wohin. Sie leben auch ohne Gott ganz gut. „Ich glaub nix und mir fehlt nix!“, so sagen nicht wenige ganz salopp. Nicht zu glauben, nicht nach Gott zu fragen, ein Leben ohne Gott, das scheint heute vielen tatsächlich normal zu sein. So wie jemand auf die Frage geantwortet hat, ob er denn religiös oder in einer Kirche sei – „Nein, normal halt“, so seine Antwort. Gott ist für viele einfach kein Thema mehr. Er ist im Bewusstsein unserer modernen Gesellschaft an den Rand geraten. Man leugnet Gott zwar nicht ausdrücklich, aber man rechnet auch nicht ernsthaft mit ihm. Er spielt einfach im normalen Leben keine Rolle.
Oder wo wird Gott heute leidenschaftlich gesucht, so wie das aus den Worten des Psalmisten spricht? Seien wir ehrlich mit uns selber, liebe Schwestern und Brüder, was suchen wir, die wir jetzt hier in der Kirche sind? Was suchen all die Menschen, die heute Weihnachten feiern? Ein wenig romantische Stimmung mit Lichterglanz, rührseliger Musik, Tannenbaum und Familienidylle; ein bisschen heile Welt? Oder suchen wir wirklich nach Gott? Nach echter Begegnung mit ihm?
Dass wir heute Weihnachten feiern - immer noch; auch mehr als 2000 Jahre nach der Geburt Jesu noch; auch in glaubensarmer Zeit – das zeigt: Gott sucht weiter nach dem Menschen. Seine suchende Frage im Paradies – Adam, Mensch, wo bist du? -, diese Frage ist bis heute nicht verstummt; sie hallt weiter durch Gottes Schöpfung. Gott bekräftigt und unterstreicht diese Frage in der Menschwerdung seines Sohnes. Das ist die Botschaft von Weihnachten. Das ist seine Botschaft heute an uns. Gott sucht weiter nach uns. Er jedenfalls hat die Suche nach uns noch keineswegs aufgegeben. Er geht dem Menschen nach. Gott kommt dazu sogar vom Himmel herab. Er wird selbst ein Mensch.
Wie das aussieht, wenn ein Mensch vom Himmel herabkommt, das haben wir heuer im Herbst erlebt, beim Stratosphärensprung des Österreichers Felix Baumgartner. So haben Menschen das gern. Ein großes Spektakel, befeuert von einem gigantischen 50-Millionen-Euro-Werbe-Etat und wochenlanger medialer Aufmerksamkeit. Der Nutzen für die Wissenschaft bleibt jedoch zweifelhaft. Die Welt verändert hat dieser Sprung vom Rand des Weltalls auf die Erde kein bisschen. Wer spricht heute, ein paar Wochen später, überhaupt noch davon?
Wenn Gott vom Himmel auf die Erde herabkommt, dann sieht das anders aus. Wie, das sehen wir hier vor uns in der Krippe. Von der Weltöffentlichkeit unbemerkt, abseits der politischen und wirtschaftlichen Machtzentralen kommt er zur Welt, im Stall von Betlehem. Gott drängt sich nicht vor; er drängt sich nicht auf. Das Wunder, das in der Menschwerdung Gottes geschehen ist, es muss erst gesucht und gefunden werden - von den Hirten, von den Weisen aus dem Osten, von uns heute.
Gott kommt unbemerkt auf die Welt. Er wählt nicht den Luxus. Er muss erst gesucht werden, von den Hirten, von den Weisen aus dem Osten, von uns heute. (Exponat der Krippenausstellung SR, Foto Guido Scharrer)
Aber dieses Wunder der Gottesgeburt, sein Sprung vom Himmel auf die Erde, es hat die Welt verändert, es hat unser Mensch-sein verändert. Nun sind Mensch und Welt nicht mehr gott-los, verloren in Raum und Zeit, sondern dürfen sich gefunden und umfangen wissen von der Liebe und Menschenfreundlichkeit Gottes.
Als kleines Kind armer Leute kommt Gott zur Welt, auf hartem Stroh, zwischen Tieren. Gott wählt für seine Menschwerdung nicht den Luxus, das Großartige, das Mächtige und Prächtige, sondern er bleibt am Boden, er bleibt unten. Er geht dorthin, wo das Leben nicht angenehm ist, wo es unbequem und gefährlich ist. Auch so dürfen wir die Herbergssuche verstehen, als Heimsuchung im ursprünglichen Sinn des Wortes. Gott sucht uns in seiner Menschwerdung dort auf, wo wir daheim sind, wo sich unser Leben zuträgt.
In unserem Arbeitsleben, das sich heutzutage oftmals unter krankmachenden Bedingungen abspielt: unter ständiger Hetze, unter zunehmendem Konkurrenz- und Leistungsdruck, mit einem Lohn, der manchmal zum Leben nicht reicht und für eine ausreichende Altersvorsorge erst recht nicht. Im Ehe- und Familienleben, wo es nicht nur schöne Stunden zu erleben gibt, sondern auch Streit und Unverständnis, die Sorge um einander, das verletzende Wort, das tödliche Schweigen. In unseren vielen Alltagssorgen: bei Krankheit etwa; wo Menschen an einer Sache gescheitert sind; wo ältere Menschen sich heute um ihre Zukunft ängstigen angesichts drohender Altersarmut.
In seiner Suche nach dem Menschen geht Gott überall dorthin, wo wir uns als klein und gering erleben, wo wir unser Ungenügen spüren, unsere Begrenztheit, unser Versagen. Genau dort sucht Gott uns auf. Dort ist er zu finden. Das ist die Botschaft der Krippe, die Botschaft seiner Geburt im Stall von Betlehem.
Gottsuche, das ist deshalb keine Sache nur für Experten, abseits des normalen Lebens. Wer will, mag das tun, oder es auch bleiben lassen. Nein, liebe Schwestern und Brüder, seit Weihnachten, seit der Menschwerdung Gottes ist unser ganzes menschliches Leben offen für die Begegnung mit Gott, zu jeder Zeit und an jedem Ort. All unsere Begegnungen mit anderen Menschen, alle unsere Erfahrungen im Leben sind offen dafür. In all dem, was wir Menschen sonst so suchen, in dem oder durch all das hindurch lässt sich seither auch Gott finden. Der hl. Ignatius von Loyola, selbst ein großer Gottsucher, hat genau das erkannt und zu seinem Wahlspruch gemacht: „Gott in allen Dingen suchen und finden.“
Wenn wir heute an der Krippe stehen und dort sehen, wie weit Gott gegangen ist in seiner Suche nach dem Menschen, vielleicht vernehmen wir dann - und die vielen Menschen, die mit uns in diesen Tagen Weihnachten feiern -, vielleicht vernehmen wir dann alle zusammen die Stimme in unserem Herzen, die uns einlädt: Machen wir uns neu auf die Suche nach Gott!
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