Nationalpark Bayerischer Wald
Mühlen an der Menach (18): Die Getreidemühle in Hiening ...
… 160 Höhenmeter über dem Menachtal
„In einem kühlen Grunde, da steht ein Mühlenrad”. Genauso wie das alte Volkslied es uns schildert, so stellen wir uns einen Mühlenstandort vor: im Tal gelegen, am rauschenden Bach. Ganz anders sieht der Standort der Getreidemühle in Hiening aus. ...
... Er befindet sich 160 Höhenmeter über dem Menachtal und dort gibt es nicht einmal ein Fließgewässer. Nur eine Hangquelle ist vorhanden bei dem ehemaligen Prommersberger-Anwesen, das heute der Familie Sturm gehört. Sie ist der Ursprung des Hundsgrabens, der weiter talwärts Hitzenberger Bach genannt wird und bei der „Wieskirche” in die Menach mündet. Von dieser Quelle beziehen immer schon die Bewohner des großen Bauernanwesens das Trinkwasser für sich und die vielen Tiere. Zum Hof gehören 300 Tagwerk, davon allein 200 Tagwerk landwirtschaftlicher Grund. Zu deren Bewirtschaftung werden viele Dienstboten gebraucht und entsprechend groß ist der Bedarf an Mehl fürs tägliche Brot und zur Bereitung der „Eingerührten”. Da lohnt es sich, das Getreide der eigenen Ernte selbst zu mahlen.
Zu einem Zeitpunkt, der heute nicht mehr feststellbar ist, erbaut der Hofbesitzer sich eine Getreidemühle. Zum Antrieb soll das Quellwasser dienen, das er zu diesem Zweck erst einmal in einem großen Weiher zurückhält. Das Mühlengebäude errichtet er nicht direkt am Weiherdamm, sondern 50 Meter talwärts. Dadurch wird die optimale Ausnutzung der Wasserkraft erzielt. Das in einer Holzrinne herangeführte Wasser erreicht durch das Gefälle eine enorme Geschwindigkeit und kann sich dazu auch noch oberschlachtig auf die Dauben des Mühlrades stürzen, was eine hohe Umdrehungszahl bewirkt. Einzelheiten über die Ausstattung und die Leistungsfähigkeit der Anlage sind nicht mehr bekannt. Sicher ist aber, dass sie während des ersten Weltkrieges noch in Betrieb ist und dass Prommersberger grundsätzlich nur für den Eigenbedarf mahlt, also nicht gegen Lohn für andere. Er stellt aber die Anlage hin und wieder auch Nachbarn zur Verfügung: Diese müssen ihr Mahlgut aber selbst „durchlassen”.
Spätestens mit dem Tod des „alten” Prommersberger im Jahr 1928 wird der Mühlenbetrieb eingestellt. Einziger Erbe des stolzen Besitzes ist jetzt der ledige Sohn Jackl Prommersberger. Dieser ist den Führungsanforderungen des Großbetriebes nicht gewachsen. Er reist lieber in der Welt herum, als sich um die täglichen Dinge zu kümmern. Auch die Mühle interessiert ihn nicht. Geordnetes Wirtschaften liegt ihm nicht. Da bieten sich ihm „Freunde” als Helfer an. Sie zerstören ein Naturdenkmal, das einmalig ist in unserer Heimat; sie sägen die 365 zum Anwesen gehörenden Nussbäume um, verkaufen das wertvolle Holz, der Jackl bekommt von dem Erlös aber keinen Pfennig zu sehen. Nun schaltet sich die Obrigkeit ein. Der Jackl wird entmündigt und die Betriebssanierung des „Erbhofes” übernimmt die Bayerische Landessiedlung. Sie verkleinert das Anwesen ganz wesentlich von 300 auf etwa 70 Tagwerk, verkauft es und bietet die frei werdenden Flächen interessierten Nachbarn zum Kauf an. Den Reinerlös, der nach Abzug aller Schulden und Abwicklungskosten übrig bleibt, erhält der Jackl bzw. sein Vormund ausbezahlt. Vom Wert des größten Anwesens der Gemeinde, dem Wohnhaus, den Wirtschaftsgebäuden, der Mühle, dem Viehbestand, den 300 Tagwerk Grund mit den 365 Nussbäumen, verbleiben dem Jackl sage und schreibe nur mehr eintausendfünfhundert Reichsmark. Die Nachbarsfamilie Heisinger erbarmt sich seiner, sie nimmt den Geprellten als „Häuslmann” auf und erhält dafür von der Landessiedlung einen Preisnachlass auf die erworbenen Grundstücke in Höhe von 1000 RM. Im Jahr 1957 stirbt der einst reichste Bauer in Armut.
Das Mühlengebäude ist bei der Hofstelle geblieben und wird bald nach dem Erwerb vom neuen Besitzer abgebrochen. Einen Mühlstein als Erinnerung verwahrt anschließend noch viele Jahre lang der Nachbar Daiminger. Er steht dort an die Hauswand gelehnt auf der Gred. Jetzt ist auch er verschwunden.
Informanten:
Fanny Stelzl, Alois Daiminger , Josef Heisinger und Familie Sturm, alle wohnhaft in Hiening
Erstveröffentlichung: Mitterfelser Magazin 8/2002, Seite 46f
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