Niederbayerns Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich. Der in sich ruht

 

Seit 2013 ist Olaf Heinrich Bezirkstagspräsident – Die Karriere in jungen Jahren war nicht geplant

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Dr. Olaf Heinrich bei der Verleihung des Denkmalpreises des Bezirks Niederbayern in der Hien-Sölde in Mitterfels

In manchen Vorurteilen liegt wohl mehr als ein Körnchen Wahrheit: Wer in Bayern Landrat wird, hat zwar eine Menge Arbeit, kann aber – wenn er nichts falsch macht – „Provinzfürst“ bis zur Rente bleiben. Der Landtagsabgeordnete (noch extremer hat es nur der MdB) ist ständig auf der Straße und am Puls der politischen Zeit, muss unbequeme Mehrheitsentscheidungen der Wählerschaft Zuhause auch gegen seine persönliche Überzeugung schmackhaft machen. Im Idealfall wird er irgendwann interessant fürs Kabinett. Wenn einer aber mit 37 Jahren Bezirkstagspräsident ist, was treibt ihn um, wenn er die nächsten Jahrzehnte als Berufspolitiker zumindest nicht ausschließen will? Hier bringt auch ein Redaktionsgespräch in Straubing letztlich keine Klärung, nur Mutmaßungen.

 

Olaf Heinrich (CSU) ist im Oktober 2013 in die großen Fußstapfen von Manfred Hölzlein (CSU) als Bezirkstagspräsident in Niederbayern getreten, womit der Zwei-Meter-Mann augenscheinlich, aber auch in der Sache keine Probleme hat. Der CSU-Bürgermeister von Freyung hat sich in seinen ersten drei Jahren als Chef des Bezirkstags auch bei den Bezirksräten anderer Parteien einen soliden Ruf als besonnener Sachpolitiker erarbeitet. Nicht schlecht für einen 37-Jährigen, dem noch bei Repräsentationsterminen auf dem Land ungläubiges Staunen in Volkes Stimme entgegenschlägt: „Mei, so ein junger Präsident?!“

Sie waren bei Ihrem Amtsantritt ungewöhnlich jung. Hat sich die Aufregung inzwischen gelegt?

olaf heinrich2Olaf Heinrich: Ich bin fünf Jahre zuvor mit 29 Jahren Bürgermeister geworden. Vor der Wahl ist mir vorgeworfen worden, ich wäre zu jung. Da konnte ich sagen: Das Schöne ist, dass dieses Problem mit jedem Tag kleiner wird, ohne dass ich was dazu tun muss. Klar, die Wahrnehmung ist eine andere als bei meinem Vorgänger. Manfred Hölzlein hat mit einer unglaublichen Arbeitsintensität über lange Jahre den Bezirk geprägt. Ich bin viel unterwegs, arbeite gerne und viel mit neuen Kommunikationsmedien. Als ich als Neuer kam, haben sich schon viele umstellen müssen.

37 Jahre, seit acht Jahren Bürgermeister und seit drei Jahren Bezirkstagspräsident: Dr. Olaf Heinrich.(Foto von der Verleihung des Denkmalpreises in der Hien-Sölde - Archiv AK Heimatgeschichte Mitterfels)

Das eine ist das Bürgermeisteramt, das andere das Amt des Bezirkstagspräsidenten. Was sind die massivsten Unterschiede?

Olaf Heinrich: Das Erste war, mich daran zu gewöhnen, während den Autofahrten intensiv arbeiten zu können. Wenn ich zu meinem Fahrer ins Auto einsteige, ist dieser Arbeitsraum unverzichtbar bei der Doppelbelastung als Bürgermeister und Bezirkstagspräsident. Im letzten Jahr waren wir 700 Stunden im Auto unterwegs.     Das Zweite ist, dass man in einer Kommune mit 7 000 Einwohnern über fast alle Details Bescheid wissen und etwa bei der Stadtentwicklung als Bürgermeister vieles selbst erledigen kann. Das geht niederbayernweit nicht. Als Bezirkstagspräsident hat man ein sehr qualifiziertes Team, das einem intensiv zuarbeitet und meine Impulse umsetzt.

Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?

Olaf Heinrich: Ich bin jemand, der querdenkt und damit auch Querdenker anzieht. Gleichzeitig will ich aber, dass richtungsweisende Entscheidungen wohlabgewogen und im Konsens getroffen werden. Ich bin keiner, der auf den Tisch haut und sagt: So wird es gemacht!

 

Vor dem Termin in Straubing war Heinrich bei der Sitzung des Niederbayern-Forums in Landshut, danach geht es zur Fraktionssitzung nach Mainkofen, abends nach Freyung, wo die Arbeit als Bürgermeister wartet. Bezirkstagspräsident zu sein, beinhaltet viele Repräsentationspflichten – was der Bezirk repräsentiert ist im Gegensatz zum Landtag oder den nah am Bürger verwurzelten Stadträten und Kreistagen für die meisten ein Rätsel. Der aktuelle Bezirkshaushalt hat 750 Millionen Euro und im Bezirkstag sitzen Räte aus sieben Parteien – das wissen nur politisch sehr Interessierte.

Die Arbeit des Bezirks steht nicht gerade im Brennpunkt der Öffentlichkeit ...   

Heinrich: Die Themen, die wir behandeln, betreffen viel mehr Menschen, als die meisten wissen. Gleichzeitig sind das natürlich nicht die großen politischen Streitthemen. Wenn jemand in einem der Bezirkskrankenhäuser medizinisch behandelt wird oder in ein Thermalbad fährt, an dem der Bezirk mehrheitlich beteiligt ist, oder eines der Freilichtmuseen besucht, sind das eben nicht die Angelegenheiten, die hochemotional am Stammtisch diskutiert werden. Auch der so wichtige Bereich der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung ist kein Thema, das laufend die Schlagzeilen bestimmt.

Auch bei den Sitzungen des Bezirkstags und seiner Ausschüsse geht es ja eher friedlich zu. Für Journalisten, die gerne auch über Streitthemen und heftige Redeschlachten berichten wollen, ist das eine zähflüssige Angelegenheit  ...

Heinrich: Zum Glück fühlen sich hier alle der Sache verpflichtet und arbeiten sehr kollegial zusammen. Das ist eine besondere Tradition, die Niederbayern aber in den letzten Jahrzehnten nur geholfen hat. Schätzungsweise 90 Prozent der Beschlüsse fallen einstimmig, weil Bedenken schon im Vorfeld durch eine offene Diskussion ausgeräumt werden können. Aber selbstverständlich geht es auch mal heftiger zur Sache, etwa bei den Haushaltssitzungen, die eine Gelegenheit zur politischen Grundsatzabrechnung und Selbstdarstellung geben.

Sind diese Mehrheitsentscheidungen nicht programmiert, wenn die CSU-Fraktion die Hälfte der 18 Räte stellt und die anderen neun aus sechs verschiedenen Parteien (SPD, Freie Wähler, Grüne, Bayernpartei, ÖDP, FDP) kommen?

Heinrich: Nein, weil es immer um die Sache geht und auch Einzelkämpfer unter den Bezirksräten sich wahrgenommen fühlen. Wenn ein Vorschlag gut ist, dann ist es egal, von welcher Partei er kommt.

Wie viel Gestaltungsmöglichkeiten, Weichen zu stellen, hat man überhaupt? Die großen Eckdaten legt ja der Gesetzgeber fest.

Heinrich: Im Bereich der sozialen Sicherung, also beispielsweise bei der Eingliederungshilfe oder bei der Inklusion von Behinderten sind die Gestaltungsräume tatsächlich sehr eng. Wesentlich größer sind die Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich der Gesundheitsversorgung oder bei den Bildungseinrichtungen. Da kann man durchaus Akzente setzen, die dann auch kontrovers diskutiert werden.

Also bei der Frage, welches Krankenhaus oder welche Weiterbildungseinrichtung ausgebaut wird? Kommt da die Geografie ins Spiel – etwa die Passauer Räte gegen die aus Landshut-Kelheim?

Heinrich: Ich sehe schon, dass alle Räte sehr sachlich arbeiten, aber ich glaube auch, dass jeder natürlich auch Schwerpunkte in seinem regionalen Umfeld setzt. Letztlich werden aber die Schwerpunkte gemeinsam und sachlich festgelegt. Nehmen wir als Beispiel die Krankenhäuser: Die historisch lange umstrittene Frage, ob man in Passau ein drittes allgemeinpsychiatrisches Bezirkskrankenhaus neben Mainkofen und Landshut will, endete 2013 mit der Eröffnung. Seitdem sind die psychiatrischen Fallzahlen niederbayernweit weiter gestiegen. Jetzt wollen wir aus Mainkofen 50 Betten nach Passau verlagern, Baubeginn dort könnte bis 2020 sein – möglicherweise früher. Gleichzeitig wird Mainkofen für rund 100 Millionen Euro bis 2020 saniert und ausgebaut, für 20 Millionen Euro allein die Neurologie. Da schaffen wir neue Kapazitäten, die wir voraussichtlich dringend benötigen werden. Und in Landshut wird das Bezirkskrankenhaus bis 2017 für 22 Millionen Euro ausgebaut.

 

In den Blick der breiten Öffentlichkeit kommen Großbaustellen des Bezirks dann, wenn etwas schiefgeht: Beim Neubau des Hörgeschädigteninstituts in Straubing (noch vor Heinrichs Amtszeit als Chef) etwa stellte sich am Ende heraus, dass die Klassenzimmer baulich schwere Mängel aufwiesen – der Bezirk musste für teures Geld nachbessern. Heinrich sieht ein ganzes Bündel von Gründen, das in das Dilemma geführt hat, ohne ins Detail gehen zu können. („Wir sind derzeit noch in einem Rechtsstreit.“)

Für den Bürger sind Baumängel und massive Kostenüberschreitungen bei öffentlichen Bauprojekten nicht nachvollziehbar. Wurden aus dem Desaster mit dem Hörgeschädigteninstitut Lehren gezogen? Wie ist eigentlich der Sachstand?

Heinrich: Nach den vorliegenden Gutachten liegt die Verantwortung beim Bauunternehmen und bei den Projektanten. Wir haben in der Folge drei entscheidende Weichen gestellt: Erstens sind wir jetzt sehr vorsichtig mit Kostenschätzungen, veröffentlichen lediglich Kostenberechnungen, die man dann über einen Baukostenindex fortschreiben kann, wenn zwischen den Planungen und dem Baubeginn mehrere Jahre liegen. Zweitens haben wir die Bauverwaltung verstärkt, um eine bessere Überwachung der Projekte zu ermöglichen. Und drittens haben wir für eine bessere Transparenz einen Bauausschuss eingerichtet, der zwar nicht beschlussberechtigt ist, aber die größeren Projekte intensiv mitverfolgt. Der Informationsabgleich erfolgt bei regelmäßigen Treffen mit den Planern und der Bauverwaltung. Damit ist jetzt auch der Bezirkstag insgesamt wesentlich besser über die Bauvorhaben informiert als früher. Der Vorschlag mit dem Bauausschuss kam im Übrigen aus den Reihen der FDP und hat sich inzwischen sehr bewährt.

Die nicht vom Staat ersetzten Ausgaben zahlen die Kommunen über die Bezirksumlage. Gibt es hier auch zusätzliche Belastungen durch die Flüchtlingsproblematik ?

Heinrich: Wir sind in einem Punkt ganz massiv betroffen, wir bezahlen für die unbegleiteten Jugendlichen, die nach der Volljährigkeit in der Jugendhilfe bleiben. Das wird dann vom Freistaat nicht mehr ersetzt. In Niederbayern sind es aktuell etwa 230. Das kostet 2016 deutlich mehr als einen Prozentpunkt bei der Bezirksumlage. Das ist schon ein Kostenfaktor für die bayerischen Bezirke, bei der die Staatsregierung nachbessern muss.

Dieselbe Staatsregierung hat ja per Handstreich die Windkraftnutzung über die Abstandsregelungen praktisch unmöglich gemacht. Gleichzeitig haben Sie sich die alternativen Energien auf die Fahnen geschrieben. Wie soll die Energiewende bei uns funktionieren?

Heinrich: Grundsätzlich haben wir als Bezirk eine Vorbildfunktion, der wir auch nachkommen. So bauen wir derzeit ein Schülerwohnheim in Holzständerbauweise, um zu zeigen, dass das auch geht und sehr angenehm für die Bewohner ist. Auch ein Klimaschutzkonzept für die Immobilien des Bezirks ist in Arbeit. Zudem sind wir in vielen Bereichen Fortbilder, etwa über das Agrarbildungszentrum. Es werden bei Themen wie Biogas, Photovoltaik, ökologischer Landbau und Nachhaltigkeit Multiplikatoren ausgebildet.

Die Energiewende ist nicht tot?

Heinrich: Sie darf nicht scheitern. Von meinem Hausberg aus sehe ich nicht nur das AKW in Landshut, sondern auch das in Temelin mit seinen ständigen Störfällen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir nicht aus der Atomkraft aussteigen können und gleichzeitig anderswo gefährlich produzierte Energie einkaufen können.

Das wird erst einmal fast jeder unterschreiben wollen ...

Heinrich: Der Umstieg auf die alternativen Energien ist gerade eine Chance für die ländlichen Räume, weil wir daraus auch Einnahmen generieren können. Die großen Städte werden sich nicht selbst voll versorgen können. Bei der Energiewende brauchen wir aber jetzt sehr viel mehr Dynamik, weil das Zeitfenster immer enger wird.

 

Heinrich ist eigentlich ein alter Hase auf dem politischen Feld: Er hat bei der ÖDP begonnen, für die er 2002 mit 23 Jahren in den Stadtrat und den Kreistag, 2003 auch in den Bezirkstag gewählt wurde. Dann der Austritt, der Wechsel zur CSU, 2008 Freyunger Bürgermeister und stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Bezirkstag, 2013 Präsident. Böse Kritiker sehen im Parteiwechsel den Verrat eines Karrieristen an politischen Überzeugungen.

War der Wechsel zur CSU für die Karriere unumgänglich ?

Heinrich: Ich kann mit gutem Gewissen sagen, das hatte nichts mit irgendwelchen Karriereplanungen zu tun. Ich war jahrelang im Landesvorstand der ÖDP, dann bin ich aus inhaltlichen Gründen schon Jahre vorher zurückgetreten. Es war eine Entwicklung, irgendwann gab es immer mehr Differenzen und einen Zeitpunkt, zu dem mir ein Verbleib in der ÖDP nicht mehr möglich war.

Dann starteten Sie aber erst richtig durch ... 

Heinrich: Als ich nach meiner parteilosen Zeit in die CSU eingetreten bin, war völlig unklar, ob ich als Bürgermeisterkandidat überhaupt nominiert werde. Der heutige Landrat war damals der Ortsvorsitzende und der eigentlich designierte Bürgermeisterkandidat. Dass der sich anders entschieden hat, war damals gar nicht absehbar.

 

Sieht man sich Heinrichs Lebenslauf an, dann wirkt er in Kurzform makellos ineinandergreifend: Neben dem politischen Engagement Abi, dann Wehrdienst und Studium der Geografie, 2009 Promotion zum Thema „Kommunale Profilierung einer Stadt im ländlichen Raum“.

Kann man eine politische Karriere planen, oder hat man nur Glück, zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle zu sein ?

Heinrich: Es ist ganz entscheidend, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein – und das ist nicht planbar. Beispielsweise bin ich fest davon ausgegangen, dass Manfred Hölzlein 2013 als Bezirkstagspräsident weitermacht. Dass er dann eine andere Entscheidung getroffen hat und die niederbayerische CSU mich als Nachfolger wollte, hätte ich mir ein Jahr vorher nicht vorstellen können.

Und jetzt bis zur Rente Bezirkstagspräsident, wenn die Mehrheiten es zulassen?

Heinrich: Wer so jung in die Politik kommt, weiß, dass er im Zweifel in den Ämtern nicht sein komplettes Berufsleben bestreiten wird. Ich bin mit 34 Jahren Bezirkstagspräsident geworden, ich mache das mit großer Leidenschaft, aber ich habe eines in meinem Leben gelernt: Es kann viel Überraschendes passieren. Daher versuche ich jetzt mein Bestes zu geben – ohne Prognosen für Jahrzehnte zu wagen.

Aber in jedem Fall weiter Politik ?

Heinrich: Ich habe mir immer zum Ziel gesetzt, mir immer so viel innere Unabhängigkeit zu bewahren, dass mein Lebensglück nicht von der Politik abhängt. Ich liebe es, politisch zu gestalten. Aber es gibt auch genügend andere Dinge in meinem Leben, die mir große Freude bereiten.

Quelle: Ralf Lipp, in: BOG Zeitung vom 17. September 2016 (Zeitversetzte Übernahme aufgrund einer 14-tägigen Sperrfrist.)

 

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