Willkommen in der Houhou-Zone

Dick, dumpf, dumm: Seit 1500 Jahren arbeitet sich der Rest Deutschlands an den Bayern ab. Als provinzielles, ungehobeltes und jodelndes Naturvolk werden sie dargestellt. Doch den Einheimischen hat das Zerrbild nicht geschadet - sie vermarkten das "Bayern-Bashing" zu ihrem eigenen Nutzen. ...

 

Willkommen in der Houhou-Zone

Die Sprache der aus der Oberpfalz stammenden Bundestagsabgeordneten Marianne Schieder ist bildhaft und reich an Diphthongen. Als die Sozialdemokratin neulich im Parlament gegen die Einführung des Betreuungsgeldes wetterte, zitierte sie in der hitzigen Debatte ihre Oma, die den Koalitionsbeschluss folgendermaßen kommentiert hätte: "Du bist wia da söll Schneida", sagte Frau Schieder, "der hot gsagt, des gibt se scho mi'm Biegln, wäi er kennt hot, dass er an seina Hosn des Hosndial hint und niat vorn eingnaht hot." Wie die Fernsehbilder zeigten, löste die Exotik ihrer Worte mitsamt den Vokalverschiebungen und Verdumpfungen auf den Rängen des Bundestags eine flächendeckende Heiterkeit aus.

Gerade das mit sprachlichen Leichtfüßlern gesegnete Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) fand Schieders Auftritt überaus lustig und räumte ihm in der Nachrichten-Satire "Heute-Show" einige Sendeminuten ein. Der Moderator Oliver Welke stellte unter dem Gelächter des Publikums gar die Diagnose, die Debatte im Bundestag sei "leider nicht durchgehend in deutscher Sprache geführt worden". Dann legte Welke noch kreuzlustig nach: "Ich fass' jetzt mal kurz zusammen, was ich verstanden habe: fertig!"

Es ist freilich nicht so, dass die Zuschauer immer verstehen, was ihnen das ZDF mitteilen will. Vor allem, wenn es aus Bayern sendet, wo die Menschen Sätze sagen wie: "Ooi gengand oi, ooi eu und ooi ooui." Das heißt: Die einen gehen hinaus, andere hinauf und wieder andere hinunter. Beim ZDF führt dies zu dem Ergebnis, dass die Schauspieler in Allgäu-Krimis wie im Chiemgau sprechen und in Rosenheim wie in Hannover. Interviewt die ZDF-Sportredaktion einen Skifahrer aus den Bergen, blendet sie "Originalton Süd" ein, meint aber: Achtung, wir sind jetzt in der Houhou-Zone.

Marianne Schieder erträgt den Spott gelassen. Als gebildete Juristin weiß sie nämlich, dass die ou-Laute zumindest in der englischen Literatur als vornehm gelten. Der frühere Bundestagsabgeordnete Hias Kreuzeder reagierte handfester, nachdem man ihn im Bundestag aufgefordert hatte, Hochdeutsch zu reden. "Es tut mir Leid, wenn Sie kulturellen Nachholbedarf haben", konterte Kreuzeder. "Ich verstehe Ihr Hochdeutsch auch."


 

Hans Kratzer in: "Süddeutsche Zeitung" vom 10./11. November 2012

 

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