Glossen, Realsatire & Co.
"Hinterbayern ist leider überall"
"Hinterbayern ist leider überall" - Neurandsberg: Literarisch-musikalischer Abend auf der Kleinkunstbühne
Quelle: Bericht in: SR-Tagblatt (cb) vom 25. Oktober 2011
(cb) "Mit 'nem klein' Stückchen Zucker nimmste jede Medizin", singt Mr. Doolittle im Musical "My fair lady" - diese Methode hat sich der Viechtacher Herbert Pöhnl zu eigen gemacht, wenn er in einem literarisch-musikalischen Abend all die Verschandelungen und Verhunzungen, die dem boarischen Hoamadl zugefügt werden, recht hintersinnig geißelt, seine Schelte aber als Humor-Zuckerl serviert. Das Publikum lacht frei heraus, des Öfteren möchte einem aber das Lachen im Halse stecken bleiben. So war es am Wochenende auf der Neurandsberger Kleinkunstbühne beim Auftritt von Pöhnl und der Original Waldler Buam Showbänd. Wenn er grauslig echt die Zustände in Bayern - und nicht nur in Hinterbayern, wie es in der Ankündigung heißt - auf das Tapet bringt, fühlt sich so manch einer selber ertappt bei der Schilderung der einen oder anderen Scheußlichkeit.
Begonnen hat alles im November 2010. Herbert Pöhnl will seine Lesungen mit Musik ein wenig aufpeppen. Er kennt den Roland Pongratz aus Regen, der virtuos auf der Steirischen spielt und verdonnert ihn zur musikalischen Unterstützung. "Aber nicht ich allein", sagt dieser und nimmt seinen Spezl Hartwig Löfflmann, einen Trompeter, mit. Durch Zufall hört Christian Pfeffer aus Großloitzenried bei Rinchnach von diesem Projekt und steigt mit Gitarre und Mundharmonika ein. Der Schlagzeuger Johannes Haslinger musste dann einfach mitmachen, denn ohne Rhythmusgerät geht es nur halb so gut. Alle vier Musiker sind Kapellmeister eigener Kapellen, mit denen sie im Sommer voll ausgebucht sind. Im Winter touren sie aber mit Herbert Pöhnl durchs Bayernlandl. "Oide Henn, geh no, geh no", s' Rehragout, der Hopfavogl, das sind Zwiefache, Bayrische und Polkas, haben sie routiniert drauf. Ein Bravourstück aber bot Christian Pfeffer auf der Mundharmonika mit dem Waldler-Blues, einer Variation von "Wir san vom Waid dahoam".
Herbert Pöhnl nimmt die Zuschauer mit in ein Waldlerdorf. Im Gasthof wird Holzfällerpizza serviert, die Zwerge im Vorgarten sind schon schamponiert, der letzte Löwenzahn ausgerottet, der Wagenräderzaun schön aufpoliert. Schon nach den ersten Sätzen weiß man, worum es ihm geht. "Das Bayernlandl wird verheert und verzehrt", sagte der Bayerwaldprophet Mühlhiasl, und wenn man dem Vorleser zuhört, versteht man den alten Seher. Überzeugende Beweise für das verschandelte Heimatgefühl liefert Pöhnl zuhauf; Schnitzer und Ungeheuerlichkeiten illustriert er durch abschreckende Bilder. "Da sind allerorten Dorfzerschönerer am Werk: die letzte Hohlgasse wird zugeschüttet, der Dorfplatz geteert, Plastikblumenkübel aufgestellt - Gesichtslosigkeit und Öde überall." Der Pfarrgarten ist schon ein Urwald, aber dafür wird ein alter Backofen saniert, der wird Urlauber bringen und denen wird dann ein Pseudobrauchtum vorgegaukelt, dass es der Sau graust. "A Drum Hoamat, wias daliegt, so verletzt und hingschmissen. Was wollen wir mit dem Drum? Gehört sie ins Museum? Aber da liegt eh scho so vui Hoamat umanand."
Zu dem, was nutzlos an Hoamat umanandliegt, gehört auch die baierische Sprache. Der Trompeter und Pöhnl warfen sich gegenseitig so schöne alte Wörter zu wie Scherzl, Strixen, Zwengalen, arschlings, wista, pfudern, rogla, nafazn, siri, dua di net oschlejtn - Josef Fendl hätte seine Freude daran gehabt und hätte so übersetzt: Brotanschnitt, Hiebe, Preiselbeeren, rückwärts, hott (von hü und hott), glucksen vor Lachen, sanft, a bisserl schlafen, beleidigt, bekleckere dich nicht.
"Vom Woid san ma außa, aber deischts eng fei net, ihr glaubts, dass ma blöd san - dös is nur a G'red", behaupteten die Musikanten zum Schluss und riefen nach einigen gewährten Zugaben "Geht's hoam".
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