1000 Jahre Geschichte um Mitterfels - 35 Säkularisation 1803: Mit Oberaltaich fällt Kreuzkirchen
Säkularisation 1803. Der Pfarrsitz wurde von "Creutzkirchen" (Kreuzkirchen) nach Mitterfels verlegt, die Kirche in Kreuzkirchen abgebrochen. (Ausschnitt aus einem Gemälde im Pfarrhof Oberalteich, zwischen 1734 und 1791 entstanden) - Vergrößern durch Klick in Abbildung!
Vor gut 830 Jahren tauchte der Name Mitterfels das erste Mal in einer Urkunde auf; Gschwendt im Kinsachtal kann auf 900 Jahre zurückblicken; vor 960 Jahren übernahmen die Grafen von Bogen den östlichen Donaugau von den Babenbergern; Metten, im Jahre 766 gegründet, rodete zu Füßen der schützenden Bergkette zwischen Vogelsang und Hirschenstein . . . über 1000 Jahre interessante Geschichte, in die wir in halbmonatlich wechselnden Kapiteln eintauchen.
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Säkularisation 1803: Mit Oberaltaich fällt Kreuzkirchen
Kloster Oberaltaich vor der Säkularisation - Kupferstich von Joseph Anton Zimmermann, 1775. Die Pfarrkirche von Mitterfels in Kreuzkirchen wurde von Oberaltaich aus versorgt. - Vergrößern durch Klick in Abbildung!
Es lag gleichsam alles in der Luft. Bereits 1801 lässt der Kurfürst das Oberaltaicher Silbergerät in Beschlag nehmen - Wert 100000 Gulden -, und der Mitterfelser Gerichtsschreiber Anton Märkl ist der Abholer und Vollstrecker. 1802 wissen es alle Klöster, was Schlimmes droht. Für zehn Tage kommt am 6. November der Generallandesdirektionsrat mit seinem Kanzlisten nach Oberaltaich und fungiert hier wie ein "Kriminaler" und ein "Gerichtsvollzieher" gleichermaßen. Alle Schränke, Kästen und Behälter des Archivs werden versperrt, die kostbare Bibliothek versiegelt, das vorhandene Bargeld gezählt, das gesamte Inventar von Kloster und Kirche aufgelistet, der Bestand an Vieh, Getreide, Wein erfasst, der gesamte Besitz an Grundstücken, Wäldern und Hofmarksgütern überprüft. Jetzt weiß man in München, was Oberaltaich wert ist: Schätzwert 1 ½ Millionen Gulden.
Die Protagonisten der Säkularisation in Bayern: König Maximilian I. Joseph und Maximilian Graf von Montgelas (wikimedia/commons). - Vergrößern durch Klick in Abbildung!
Der Kurfürst wartet nur noch auf den Reichsdeputationshauptschluss zu Regensburg am 25. Februar 1803. Schon am 24. März trifft in Oberaltaich die Aufhebungskommission ein. Bis zum eigentlichen Todestag des Klosters, dem 1. April als Tag der Versteigerungen, ist das Kostbarste nach München gegangen - wahre Schätze aus der Klosterbibliothek, an Kunstwerken und Ornat. Was die Fuhrwerke nicht verkraften, geht zentnerweise um ein paar Kreuzer an den "Papierer" zum Einstampfen. Nur Kirche, Pfarrhof und Schule bleiben der Gemeinde.
"Reichsdeputationshauptschluss": Kaiser Franz II. ratifizierte die Beschlüsse am 27. April 1803. - Vergrößern durch Klick in Abbildung!
Die 25 Konventualen können sehen, wo sie unterkommen. Die staatliche Pension von 400 Gulden jährlich ist doch zu wenig. Die Jüngeren drängen in leergewordene Pfarrstellen; mit ihnen ist in letzter Zeit sowieso schwer auskommen gewesen - wie es Abt Beda beklagte.
Abt Beda Aschenbrenner, der letzte Abt in Oberaltaich, schaffte es nicht, den "Klostersturm" der Säkularisation abzumildern.
In Kreuzkirchen bleibt vorerst als Pfarrvikar Edmund Härtl. Er hatte die Klosterpfarrei bereits vier Jahre "excurrendo" versorgt, muss aber jetzt mit dem winzigen "Absteigstüberl" vorlieb nehmen, das im Winter auch nach tagelangem Feuern nicht warm werden wollte. In dieser völligen Verlassenheit und Enge äußert er sich öffentlich, dass ein Wechsel nach Mitterfels allseitig die passende Lösung wäre: Dort stünde die Kirche zentraler, wäre auch den Oberaltaicher Patres nicht unbekannt, da sie in Mitterfels schon immer Gottesdienst und Winterschule gehalten hätten, und schließlich hätte der Ort mehr Anziehung durch die Anwesenheit des Landrichters und seiner Beamten.
Das entsprach auch ganz den Vorstellungen des Landrichters Märkl. Der hatte am 17. Dezember 1804 von der Regierung Befehl bekommen, Vorschläge für die Neugliederung der im Gericht Mitterfels liegenden bisherigen Klosterpfarreien von Oberaltaich und Windberg einzureichen.
Karte des Dekanats Pondorf vor der Säkularisation (Heckenstaller-Matrikel des Bistums Regensburg, 1782-1787) - Vergrößern durch Klick in Abbildung!
Am 28. Oktober 1805 wurde dem Landgericht vom kurfürstlichen Generalkommissariat in München mitgeteilt, dass der Sitz der Pfarrei Kreuzkirchen nach Mitterfels verlegt werde, und welche Ortschaften und Höfe dieser neuen Pfarrei zugeschlagen werden. Somit verfügte der Staat über kirchliche Befugnisse, ohne dass das Ordinariat Regensburg benachrichtigt oder gar befragt worden wäre. Der dortige Amtsinhaber, Fürstprimas und Kurerzkanzler Karl Theodor Frh. vonDalberg, ehedem Erzbischof von Mainz, stand ja selber im Bann und Geschehen der großen Umwälzungen, und Regensburg war für ihn sowieso nur kurze Station; am 19. Mai 1810 ging auch sein "Fürstentum Regensburg" an das Königreich Bayern.
Die kurfürstliche Anordnung von 1805 war kaum eingegangen, da wurde sie auch schon von dem erst 26-jährigen Pfarrvikar Hermann Frank von der Kanzel aus verkündet; sofort zog er nach Mitterfels und fand Quartier im Gartenhaus des Landrichters. Der Landrichter wiederum drohte mit scharfen Strafen, wenn Bürger der neuen Pfarrzuteilung nicht Folge leisteten.
Aber das Landvolk zog nicht mit. In Kreuzkirchen lagen ja die Angehörigen beerdigt, in Mitterfels saß die große Behörde. Die Bauern Joseph Kartmann von Höfling und Joseph Kerscher von Kreuzkirchen, auch der Höllmüller Andrä Lang, machten sich zum Wortführer für einen Verbleib in Kreuzkirchen. Sie hatten die meisten der umgepfarrten Orte und Höfe hinter sich; nur Buchberg, Miething, Spornhüttling und natürlich die Mehrheit von Mitterfels waren einverstanden.
Ein neuer Fürsprecher zum Erhalt Kreuzkirchens war der Ex-Karmeliter Anton Kollbeck aus Straubing, der am 12. November 1808 zum neuen Pfarrvikar für Mitterfels bestellt wurde. (Pfarrvikar Frank war kurz vorher im Alter von 29 Jahren verstorben, dessen Nachfolger Roman Schnitzer krankheitshalber ausgeschieden.) Kollbeck demonstrierte seine Ablehnung von Mitterfels schon damit, dass er sich in der Nebensölde des Scheibelsgruber Wirts einlogierte. Hier ist dann für zwei aufreibende Jahre sein "Gefechtsstand" zur Rettung Kreuzkirchens.
Schon während der Audienz beim Generalkommissar des Regenkreises, dem Freiherrn von Frauenberg, machte Kollbeck kurz nach seiner vorläufigen Ernennung am 11. Oktober den ersten Vorstoß. Er sagte zum Finanzdirektor Herrn von Koch, dass die Verlegung der Pfarrei nach Mitterfels dem Staatsärar sehr teuer zu stehen kommen werde. Er erhielt als Antwort: "Kümmern Sie sich nicht! Es ist beschlossen. Man will den Sitz des königlichen Landgerichts verherrlichen." Ähnlich sagte der Generalkommisar selber: "Man hat die Pfarrei verlegt, damit das Landgericht nicht so weit zur Kirche hat." Darauf lächelte Kollbeck bitter und deutete an, dass das königliche Landgericht kein Freund vom vielen Kirchengehen sei, dass der Landrichter viel lieber auf die Jagd gehe und dass er während der siebzehn Wochen, die er nun Pfarrer in Mitterfels sei, den Herrn Landrichter Märkl noch keine viermal in der Kirche gesehen habe. Unter dem Pfarrvikar Schnitzer habe das Schreiberpersonal während des Gottesdienstes in der Sakristei Tabak geraucht, also ein sehr schlechtes Beispiel für das Pfarrvolk abgegeben.
Die Verlegung der Pfarrei war aber schon eine beschlossene Sache. Unterm 8. Dezember 1808 erhielt das Generalkommissariat des Regenkreises einen allerhöchsten Befehl, der die eigenhändigen Unterschriften des Königs Max Joseph, des Ministers Montgelas und des Generalsekretärs Kobell trug. Nach diesem Erlass sollten die Filialkirchen Kreuzkirchen, Landasberg, auf dem Gallner, Rettenbach, Gossersdorf, Maiszell, Gaishausen, Lenzing, Buchberg, Degenberg und die Schlosskapelle von Schwarzach verkauft oder versteigert werden; die Kapellen zu Haselbach, Konzell, Kößnach, Schwarzach, Bühel, Degernbach, Pfelling und Hunderdorf wurden in Leichenhäuser umgewandelt. Die Vermögen dieser Gotteshäuser sollten zu den Mutterkirchen, der Erlös aus den abgebrochenen Kirchen zu einem Schulfonds kommen. Die Glocken wurden ausgetauscht oder verkauft.
Das Gerücht von diesem Vorhaben lief schnell beim Volk herum. Pfarrer Kollbeck bat in einem Brief vom 6. Januar 1809 das Ordinariat in Regensburg, es möge anordnen, was in diesem Falle "wegen der Transferierung des Allerheiligsten und des Taufsteins" geschehen solle. Er berichtete auch davon, dass die Kreuzkirchner Kirche schon in den nächsten vierzehn Tagen verkauft werden solle, hoffte aber auch, dass sich der König in solche geistlichen Sachen nicht zu sehr einmischte.
Am 17. Januar 1809 wurde dem Pfarrer der Inhalt des Erlasses durch den Landrichter eröffnet. Vier Tage vorher erhielt er Instruktionen vom Ordinariat. Am 21. Januar schrieb der Landrichter dem Pfarrer, dass die Seitenaltäre der Filialkirche Kreuzkirchen von der könglichen Kirchen-Stiftungs-Administration dem Gotteshaus in Viechtach zugewiesen worden seien und dass man schon in der kommenden Woche mit dem Abbruch und dem Transport beginnen werde. Das Pfarramt möge für diese Arbeiten das Nötige veranlassen.
Am 23. Januar 1809 las Pfarrer Kollbeck in Kreuzkirchen die letzte heilige Messe. Er konsumierte alle noch vorhandenen konsekrierten Hostienpartikeln und machte sich dann an die Exsekrierung der Kirche. Er erbrach die Altarsteine, nahm die darin verwahrten Reliquien heraus, verschnürte sie mitsamt den Altarsteinen und versah den Packen mit dem Pfarrsiegel. Er sandte alles an das Landgericht Mitterfels mit dem Ersuchen, sie "ad parochum loci zu befördern". Eine Überführung des Allerheiligsten nach Mitterfels wagte der Pfarrer nicht, weil er die heftige Unruhe im Volk fürchtete und auch Angst vor kirchenfeindlichen Übergriffen der Freunde des Landrichters hatte. Den Kessel mit dem gefrorenen Taufwasser gab er dem Lehrer und Mesner Fuchssteiner zur Aufbewahrung. Drei Tage darauf wurde der Taufstein nach Mitterfels gebracht, zusammen mit der Statue der hl. Margarethe, dem Kreuzweg, den Fahnen, dem Himmel und den übrigen Schnitzwerken. Die Glocken von Kreuzkirchen wurden gegen die von Mitterfels ausgetauscht. Bald darauf wurden auch die Seitenaltäre abgebrochen und nach Viechtach gefahren. Der Kreuzweg kam später nach Falkenfels, die Kanzel nach Bodenmais; der beraubte Hochaltar stand noch Mitte Februar.
Am 6. März wurden die noch ganz guten Kirchenstühle abgebrochen; unverständige Leute zersprengten die Stollen und Bretter mit Hacken. Am selben Tag wurde auch die Holzdecke im Langhaus aufgerissen, die Bretter heruntergeworfen, so dass viele zertrümmerten. Der Tätigste war wieder der Schreiner Vogl von Mitterfels. "Der rohe und kecke Mensch", schreibt Pfarrvikar Kollbeck, hat nach Aussage des Schullehrers das vorgefundene Messing, Eisen und Blei zusammengepackt, vom Lehrer auch den Schlüssel zur Kirche und zum Turm abverlangt und in Zukunft das Läuten verboten. Der Schullehrer trug darauf die Schlüssel zum Landrichter; der nahm sie aber nicht an und gestattete das Läuten, solange noch ein Friedhof in Kreuzkirchen sei.
Kreuzkirchen - Pfarrsitz von Mitterfels vor der Säkularisation. Aus dem Klagebrief des Pfarrers Kollbeck an das Ordinariat: "Unter Tränen habe ich am 23. Januar (1809) in der ehemaligen, über sechshundert Jahre bestandenen, wunderschönen Pfarrkirche zu Kreuzkirchen, und zwar etwas früher, Messe gelesen ... " - Vergrößern durch Klick in Abbildung!
In einem Klagebrief an das Ordinariat schildert Kollbeck all die unwürdigen Vorgänge: "Unter Tränen habe ich am 23. Januar in der ehemaligen, über sechshundert Jahre bestandenen, wunderschönen Pfarrkirche zu Kreuzkirchen, und zwar etwas früher, Messe gelesen ... Tausend Flüche geschahen von den Gutgesinnten über jene, die sich bei der Transferierung der Pfarre so geschäftig gezeigt, vorzüglich über den Schmied und Schreiner Vogl in Mitterfels ... Der tat den gotteslästerlichen Spruch: Wenn der Pfarrer den Herrgott nicht wegträgt aus Kreuzkirchen, so nehm ich ihn, bring ihn nach Scheibelsgrub und zahl ihm dort eine Maß Bier; in Kreuzkirchen hat er so keins kriegt, solang er dort war; und dann marschieren wir miteinander nach Mitterfels."
Fast mit Genugtuung berichtet Kollbeck später, dass besagter Schreiner Vogl von seinem Stadel heruntergefallen sei, und das Volk dies als Zulassung Gottes auffasste: "Einen hat die hl. Margaret schon fallen lassen."
Was Pfarrvikar Kollbeck beim Ordinariat erreichte, war geradezu hilflos. Da wurde ihm am 21. Februar 1809 mitgeteilt, dass nach dem Willen des Königs nur jene Kirchen und Kapellen abgerissen werden dürfen, die entbehrlich oder in sehr schlechtem Bauzustand seien, auch kämen nur ungeweihte Gotteshäuser für die Demolierung in Betracht. Der Pfarrer (warum nicht das Ordinariat?) solle eine Eingabe bei der geeigneten Landesstelle machen, wenn er Kreuzkirchen vor dem Abbruch bewahren könne. Pfarrer Kollbeck machte eine Eingabe, aber nicht an eine staatliche Stelle: Er lud alles, was sich in ihm an Ärger, Verzweiflung und Schmerz angesammelt hatte, auf das Ordinariat. Auch Angst gegenüber den staatlichen Stellen war dazugekommen, er fürchtete in jener kirchenfeindlichen Zeit Verfolgung, Verdrehungen und Untersuchungen: "Das kann ich nicht über mich nehmen; ich müsste ja das königliche Landgericht angreifen, und dieses würde alles verdrehen. Wie gefährlich! Und käme eine Untersuchungskommission, dürfte ich vielleicht nicht reden. Die Untertanen getrauen sich nicht mehr, die Wahrheit zu sagen. Der Landrichter, die Landrichterin haben große Anhänger; und wehe den Pfaffen, die man heutzutage in ihre Klauen bringt. Man darf die Wahrheit nicht mehr sagen." Diese Angst läßt ihm geraten erscheinen, dem König und Staat gegenüber seine Loyalität, Liebe und Verehrung darzulegen, und dass nicht des Landrichters Pläne, sondern seine Vorschläge zum Wohle von Volk, Staat und König seien. Kollbeck will außerdem zeigen, dasser ein Mann mit Urteilsvermögen ist. Er verweist auf sein hervorragendes Abschneiden beim Concursus in München ("Pfarrkonkurs", Befähigungsprüfung der Bewerber um eine Pfründe), wo er unter 194 Konkurrenten den 8. Platz aus der ersten Klasse errungen hatte. Er gibt ferners an, dass er sich jahrelang mit unendlichen und unentwegten Mühen den Schulkandidaten aus 28 Landgerichten gewidmet habe. Lassen wir uns in nachfolgenden Auszügen aus seinem überlangen Schreiben an das Ordinariat ein Zeitbild geben, eine Darstellung des Geschehenen ebenso, wie die Gedanken eines Vorkämpfers für die Rettung Kreuzkirchens:
"... Die frühere Pfarrkirche und jetzige Filialkirche in Kreuzkirchen ist weder ganz entbehrlich noch so ruiniert, das sie aus Küchenmitteln nicht könne wiederhergestellt werden. Zudem ist sie eine ecclesia consecrata und schon über 600 Jahre alt. Würde Kreuzkirchen abgebrochen, so stünde nur Mitterfels zur Verfügung. Dort ziehen sich aber ringsherum noch höhere Anhöhen mit viel Wald; Berg und Wald aber ziehen den Blitz an. Auf dem Lande geht man unbehutsam mit dem Feuer um. Mitterfels besteht mit Ausnahme des Landgerichts und des Rentamts aus lauter hölzernen Häusern, die alle mit Stroh gedeckt sind oder Schneidschindeln. Im ganzen Dorf gibt es kein Wasser. Wie leicht ist es da möglich, dass das ganze Dorf mit seinen 27 Häusern samt der Kirche einem Brande zum Opfer fällt. Gesetzt, es käme der Krieg. Hier am Sitze des Landgerichtes und des Rentamts käme alles zusammen, weil alles Quartier will; hier werden die Requisitionen gefordert, Vorspann gesucht, Fourage, Haber, Stroh und Heu verlangt. Hier haben die armen Söldner und Häusler in den vorigen Kriegen, wie sie mir wehmütig klagten, mehrmals in ihren engfängigen Stuben 15, 20 und noch mehr Mann beherbergt und verpflegt. Bisher sind die Stäbe in die Klöster gelegt worden. Oberalteich und Windberg aber sind nicht mehr; die Offiziere werden künftig alle hierherkommen, die Kirche wird zum Lazarett oder zum Magazin gemacht. Dann haben wir keine Kirche, und der König ist vielleicht auf der Flucht. Wo sollen wir beten für ihn? Wo halten wir Predigt und Christenlehre? Das Volk wird verwildern. Und der Pfarrer mit seinen 600 Gulden Gehalt und den Stolgebühren ist doch auf die Messstipendien angewiesen. Wo soll er Messe lesen? Er müsste 1 ½ oder 2 Stunden weit gehen, um sich seine 24 Kreuzer mühsam wie ein Bote zu verdienen. Wenn die Mitterfelser Kirche in ein Lazarett umgewandelt würde, wohin sollten wir mit unseren schönen Paramenten von Kreuzkirchen, mit den zwei Monstranzen, dem Ciborium, den drei Kelchen und zwei Kreuzpartikeln? In der Sakristei sind die dann nicht sicher. Und wohin mit dem Sanctissimum, den heiligen Ölen, dem Taufwasser? Könnte ich sie zu mir nehmen?! Ich habe in der ganzen Pfarrei keine Herberge gefunden. Ich logiere hier in Scheibelsgrub im Wirtshaus. Da habe ich nur ein einziges Zimmer, und dieses macht alle Dienste: des Schlafgemachs, des Kellers, der Küche, Holzlege, des Wäschebodens und sv. bei der Nacht auch des unentbehrlichen Abortes, den man in diesem Landwirtshaus im Walde vergebens sucht. Mein Vorfahre war ein junger Mann; darum ließ er sich einschläfern, dass er schrieb: ‚Die Kirche in Kreuzkirchen ist entbehrlich‘. Wäre ich von Anfang hier gewesen, so wie ich erst 17 Wochen hier bin, so wäre alles nicht geschehen, weil ich nie gesagt hätte, die Kirche in Kreuzkirchen sei entbehrlich. Die Kirche ist nicht übermäßig ruinös; die Werkleute haben den Schaden auf 30 Gulden geschätzt. Die dortige Bruderschaft besitzt aber allein an die 700 Gulden Vermögen. Die Kirche zu Kreuzkirchen besaß, noch zu Mannesgedenken, ein schönes Holz von ungefähr 20 Tagwerken, dicht bei der Kirche gelegen auf dem Weg nach Weingarten, mit den prächtigsten schlagbaren Bäumen und dem herrlichsten Bauholz. Das Kloster vertauschte diesen Wald widerrechtlich gegen ein Holz des Prellerbauern von Menach. Dann hat bei der Aufhebung des Klosters der Staat den Wald geschluckt, obwohl er eigentlich landgerichtlich war. Warum hat sich der damalige Landrichter dem Tausch nicht widersetzt? Sonst ist alles in Kreuzkirchen vorhanden, ein mittelmäßiges, bestocktes Schulhaus, der Gottesacker, ein Turm, der Ewigkeiten gedauert hätte, und die vortrefflich schöne Kirche, von deren Art man sehr wenig auf dem Land findet. Es ist Sünde und Schade dafür, und nur ex odio religionis (aus Gotteshass) kann man solche Gebäude zerstören. Alles, was hier vorübergeht, wundert sich, weint über diese Kirche oder flucht über die Schuldigen. Die Pfarrkinder haben oft genug versprochen, einen Pfarrhof zu bauen. Die gutgesinnten Pfarrkinder - sie machen über drei Viertel aus - würden auch heute noch alle nötigen Fuhren leisten, Frondienste tun, Holz und Bretter gratis geben. Sogar die armen Maurer und Zimmerleute würden - wie einst beim Neubau - einige Tage umsonst arbeiten. Von verschiedenen Leuten wurden auch 100 bis 200 Gulden versprochen. Dies alles weiß ohne Zweifel auch das kgl. Landgericht, und dieser Gedanke lässt mir das Herz bluten."
Pfarrer Kollbeck: " ... Dagegen ist der Turm in Mitterfels äußerst baufällig, ragt nur wenig über das Kirchendach hervor und hat keine Kuppel. Er ist bloß mit Brettern gedeckt, wovon der Sturmwind schon einige weggeführt und wo es also erbärmlich einregnet. ..."
"... Es ist kein Fleckchen mehr da, weder zum Pfarrhof, noch zum Gottesacker, weil das Landgericht alle Gemeindegründe in Mitterfels übereilt verteilt hat. Ich weiß in dem buckeligen Mitterfels nicht einmal soviel Grund, wo man einen Dachstuhl abbinden könnte. Der Pfarrhof in Mitterfels beläuft sich ohne Baugrund auf 9.712 Gulden, nach den Überschlägen der königlichen geschworenen Werkleute von Straubing. Der Turm in Kreuzkirchen hat viele Jahre keine Reparatur gebraucht, das Kirchenpflaster und die Kirchenstühle sind pfenniggut. Dagegen ist der Turm in Mitterfels äußerst baufällig, ragt nur wenig über das Kirchendach hervor und hat keine Kuppel. Er ist bloß mit Brettern gedeckt, wovon der Sturmwind schon einige weggeführt und wo es also erbärmlich einregnet. Das Kirchenpflaster ist fast ganz zerbrochen, und die Kirchenstühle sind so ruinös, dass niemand mehr für einen Stand etwas bezahlen will. Im Klingelbeutel gehen jedesmal fünf bis sechsHeller ein. Im Opferstock habe ich letzten Quatember vier Kreuzer vorgefunden, weil niemand etwas zu diesem verlumpten Gotteshaus geben will. Die baufällige Kirche in Mitterfels soll mit unerschwinglichen Kosten zu einer Pfarrkirche hergerichtet werden, wo es auf allen Seiten einregnet, wo mein Vorfahrer sich die elende Kanzel nicht zu besteigen traute, wo die Seitenaltäre miserabel sind, wo der Bohre (Empore) der Einsturz droht, wo von dem Oratorium des Rentbeamten auf der Epistelseite ganze Stücke herunterfallen, wo die Türen zu diesen Oratorien von unten auf so verfault sind, dass man ganze Trümmer mit der Hand wegbrechen kann, wo man auch sehr leicht einbrechen, die heiligen Geräte rauben könnte, wo gerade die Kirche auf einer sogenannten Wasserhöhle steht (siehe das Bild bei Wening 1726!), wo es also sehr feucht ist und wo uns die Paramente und Wäsche, die wir von Kreuzkirchen heraufgebracht, zu Grunde gehen müssen. Ist das zum Nutzen des Königs? So ist der König auf allen Seiten geprellt. Er empfängt nichts und soll beständig den Beutel offen halten. Der Pfarrhof wird sich vielleicht auf 20.000 Gulden belaufen."
Aus Kollbecks Brief erfahren wir noch etwas Interessantes, nämlich von seiner, für die damaligen Verhältnisse, mutigen Fahrt zum maßgebendsten Mann, dem Minister Freiherrvon Montgelas in München:
"... Eine Abordnung der Pfarrei fuhr nach München; sie wurde nicht angehört. Dieselbe Abordnung wollte dann in Straubing bei einem Advokaten eine Bittschrift anfertigen lassen. Der lehnte die Arbeit mit dem Bemerken ab, es sei alles schon zu weit gediehen. Im Juli 1808 fuhr Kollbeck selbst nach München. "Dreimal erhielt ich bei Titl. Herrn Minister Freiherrn von Montgelas Audienz. Aber derlei Audienzen dauern meist sehr kurz. Da ich drei Jahre als Operarius in Parkstetten war, kannte ich die hiesige Pfarr; ich hatte auch die abschriftliche Supplik (Eingabe) der hiesigen Untertanen bei mir; ich brannte vor Begier, Titl. Herrn Minister selbe vorzulegen, aber es war dazu keine Gelegenheit." Kollbeck versuchte es bei der Regierung in Straubing und erhielt auch Zutritt zur Exzellenz von Branca. "Mit Befremden las er unsere Bittschrift und sagte: "Bei uns ist nichts vorgekommen (eingelaufen); diese Schrift muss unterschlagen worden sein, und man darf sich nicht wundern, wenn Resolutionen in das Land hinausgehen, die dem Lande nicht behagen, da wir öfter von der Sache nicht gehörig unterrichtet sind. Indessen unterliegt die ganze Pfarrorganisation auf allerhöchsten Befehl einer Revision, weil von Seiten aller Ordinariate Beschwerden eingelaufen sind." Darauf ging Exzellenz von Branca in ein Seitenzimmer und brachte die genannte Verordnung, die er mir vorlas." Der Schluss in Kollbecks Brief zeigt einen resignierenden, an der sich selbst gestellten Aufgabe zweifelnden Mann, der zwar an der Pfarrei Mitterfels nichts mehr ändern kann, aber daneben sein Kreuzkirchen zu retten gedachte. Am ärgsten scheinen ihn die Angriffe einzelner Pfarrkinder getroffen zu haben:
"Ich muss ohnehin hier von ungesitteten Pfarrkindern schreckliche Grobheiten, Unbilden, Verfolgungen dulden, einzig darum, weil ich die Sache des Königs nach meinen Pflichten vertrete. Hätte ich weniger Gewissen, würde ich besser taugen. Ich wandle aber den geraden Weg. Dem Pfarrer ist durch die Versetzung der Pfarrei wahre Wohltat geschehen, weil Kreuzkirchen eine Einöde, Mitterfels aber ein Dorf ist, wo man sicherer, gemütlicher, gesellschaftlicher leben kann, und weil es leichter ist, vielleicht alle fünf Jahre eine Provisur nach Kreuzkirchen als von dort alle Jahre viele Provisuren nach Mitterfels zu machen. Ich bin also mit der Versetzung des Pfarrers wohl zufrieden; folglich ist alles, was ich oben geschrieben habe, ganz aus gutem Herzen und zum Besten des Königs gemeint ... Die Kirche in Kreuzkirchen kann leicht wieder hergerichtet werden; es darf nur alles wieder retro gehen und den Mitterfelsern anbefohlen werden, dass sie alles wieder gratis zurückbringen, so wie sie es gratis und vielleicht ohne Befehl entfernt haben. Damit leidet es aber keine Verzögerung, weil sonst die Kirche veräußert werden könnte.
Scheibingsgrub bei Mitterfels den 11. März 1809."
Mag sein, dass sich Kollbeck immer noch Hoffnungen auf die Rettung Kreuzkirchens machte. Vielleicht könnten die in München durch ganz andere Ereignisse im Lande abgelenkt werden: Mit dem Einrücken der Österreicher im April 1809, mit Napoleons schnellem Zuschlagen bei Abensberg, Eggmühl und Regensburg - aber die Bürokratie machte keine Pause. Mitten hinein platzte anfangs Juni 1809 die Kunde, dass der König (!) befohlen habe, Kreuzkirchen an den Meistbietenden zu verkaufen. Das geschah umgehend am 8. Juni 1809. Der Schleifer und Halbbauernsohn Joseph Bayer von Vorderbuchberg erwarb um 360 Gulden Kirche, Turm, Seelhaus, Friedhof, Friedhofmauer und "Absteigstüberl" des Pfarrers. Vielleicht war er auch nur als Strohmann aufgetreten, weil der Landrichter Karl Märkl alles umgehend von ihm erwarb - nur den Turm konnte Bayer behalten; er diente ihm als Wohnung, wenn er auch über eine Leiter einsteigen musste.
Aus Kreuzkirchen stammend: Gotische Holzstatue (um 1470) "St. Margarete" (Kirchenpatronin von Kreuzkirchen, Märtyrerin um 307 in Pisidien - heute südliche Türkei, eine der 14 Nothelfer, Attribut u. a. der Drache, daher im Volksmund "das hl. Madl mit dem Wurm".) und spätbarocke Vespergruppe (um 1770); beide heute im Burgmuseum Mitterfels - Vergrößern durch Anklicken!
Märkl ließ die Kirche abbrechen und baute sich davon auf dem höchsten und schönsten Punkt von Mitterfels sein "Schlössl" (heutiges Baumeisterhaus am "Märklweg"). Mit Ehrwürdigem ging er gar grobschlächtig um: Der Altarstein diente als Bodenplatte bei der Haustür, der gotische Taufstein wurde zum Brunnentrog (den viel später ein Altertumshändler um 50 Mark kaufte und verschwinden ließ), verschiedene Epitaphe wurden einfach eingemauert (angeblich auch der Stein der Pflegskommissärsfrau Maria Josepha Überle, von der eine originelle Votivtafel aus den Kriegsjahren 1742-45 erhalten ist).
Landrichter Märkl ließ die Kirche abbrechen und baute sich davon auf dem höchsten und schönsten Punkt von Mitterfels sein "Schlössl". - Drohnenaufnahme: Dominik Drechsler -Vergrößern durch Anklicken!
So ist vom gut 600 Jahre alten Pfarrsitz Kreuzkirchen nichts mehr geblieben - keine Kirche, kein Friedhof, kein Pfarrerstübl, keine Schule. 1866 verschwand auch noch der Turm; er wurde abgebrochen, und ein kleines Wohnhaus entstand daraus (heute Peter Dietl, am ehemaligen Standplatz der Kirche). Im Garten ist man öfters noch auf Gebeine der alten Gräber gestoßen - man hat sie in einer Mulde unterhalb des Schweinestalls des "Dietlbauern", wo früher eine Hilm war, verscharrt. Einmal noch haben sich die Toten gerührt - so hat es mir und anderen die "alte Wintermeierin" (Hausname, nach dem früheren Besitzer Wintermeier) um 1948 ganz glaubwürdig und spannend erzählt: Als ihr Vater, der "alte Wintermeier", am Gebeinplatz zu graben anfing, begann das Vieh im Stall zu brüllen und zu rumpeln; auch Vaters Eingreifen half nichts. Da rannte er hinaus und schüttete schnell die Grube wieder zu - und sofort war wieder Ruhe im Stall.
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Als Restbauwerk um die Kirche mag der heute zugemauerte Keller angesehen werden - vielleicht diente der Raum einst als "Seelhaus", als Karner.
Oben an der Kreisstraße steht ein etwa hundertjähriges, schlichtes Feldkreuz auf hölzernem Pfahl. Eine Blechtafel war einst dabei, mit einer Phantasiedarstellung der Kirche, dazu folgende Inschrift: "Pfarrei und Begräbnis Kreuzkirchen welche anno 1221 durch ein Wunder erbaut. Ruine 1806."
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Man sieht, wie schnell die richtigen Daten vergessen waren. Der legendären Gründungsgeschichte aber erinnerte man sich umso lieber.
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- Zentrales Gemeindearchiv: Altes Kulturgut besser nutzen
- Zur Ortskernsanierung (1995): Begegnung mit Stuttgarter Studenten
- Neues Mitterfelser Magazin 19/2013 erschienen
Meist gelesen - Jahresliste
- Das neue Mitterfelser Magazin 22/2016 . . .
- BWV-Sektion Mitterfels: Über 40 Jahre Lebens- freude (Stand: 2003)
- Publikationen AK Heimatgeschichte Mitterfels
- Mitterfels. Vorweihnachtliches Lesekonzert im Burgstüberl
- Der Forst, ein Ortsteil von Falkenfels
- Burgmuseumsverein Mitterfels. Objekt des Monats Oktober 2016 . . . und frühere Objekte
- History of Mitterfels
- Online-Beiträge des Mitterfelser Magazins
- Der Haselbacher Totentanz
- Bayerische Landesausstellung 2016 in Aldersbach. Bier in Bayern
- Kalenderblatt
- Mitterfels. Theaterspiel und Menü im Gasthaus „Zur Post“
- Landesausstellung "Bier in Bayern" in Alders- bach
- Club Cervisia Bogen. Bogen: Startschuss für D‘Artagnans Tochter und die drei Musketiere
- AK Heimatgeschichte Mitterfels. Führung Friedhof St. Peter in Straubing
- AK Heimatgeschichte Mitterfels. Exkursion zur KZ-Gedenkstätte Flossenbürg
- Windberger Theater-Compagnie. „Lokalbahn“ - Rollen mit Herz und Seele gespielt
- Landkreis Straubing-Bogen. Hans Neueder gibt nach 25 Jahren sein Amt als Kreisheimatpfleger auf
- Jahresversammlung 2016 des AK Heimatgeschichte Mitterfels mit Exkursion nach Elisabethszell
- Schwarzach. KiS-Gründer Wolfgang Folger übergibt Amt des Vorsitzenden an Sascha Edenhofer
Meist gelesen - Monatsliste
- Neues aus unseren Gemeinden
- 1000 Jahre Geschichte um Mitterfels (69)
- Baugebiet Pimaisset Mitterfels. Mit Regenwasser die Toilette spülen
- MM 11/2005. Ein Pestkreuz – zum Dengelstein umfunktioniert
- Online-Beiträge des Mitterfelser Magazins ab MM 11
- MM 11/2005. Von Josef Fuchs, Bauer von Hagenzell, 1899 errichtet
- MM 11/2005. A so gengan de Gang – und viele andere Ausdrücke der Mundart
- MM 11/2005. Aus über 2000 Metern Höhe runterschau’n
- MM 11/2005. A bißl wach wern in da Wiagn … a bißl Hoamaterdn wern.
- Kalenderblatt Allerseelen. Zwei Münchner Friedhöfe der besonderen Art
- Schwarzach. 33 Jahre KIS - Jahresprogramm
- Renovierung von St. Thomas, Herrnfehlburg
- Vortrag über „Das Neue Schloss“ Steinach bei der Jahresversammlung des AK Heimatgeschichte Mitterfels
- „Kein kleiner Waidler-Adel“
- Waldleben ...
- Mitterfelser Magazin. Jubiläumsausgabe 2024
- Filmteam zu Gast in Mitterfels
- Falkenfels: Puppentheater Karotte spielt Ahorns Welt
- Der Ursprung liegt bei Van Gogh
- Mitterfels/Haselbach. Ein neues Wandererlebnis