. . . und im ehemaligen Landgericht
Bogen. Die Lederfabrik des Fritz Zapf
Die Lederfabrik Bogen im Jahre 1948. (Fotorepro: Hans Neueder)
Über den gescheiterten Versuch einer Industrieansiedlung in Bogen
Der Historiker Helmut Erwert beschreibt in seinem für die Wirtschaftsgeschichte unseres Raumes grundlegenden Buch „Niederbayerische Erfolgsgeschichten“, wie schwierig sich der „Neubeginn industrieller Unternehmungen in Ostbayern“, insbesondere im damaligen Landkreis Bogen gestaltete. „Von 1945 bis 1951 waren alle Neugründungen dem Zufall, der Ausnützung örtlicher Gegebenheiten und dem Einsatz persönlicher Initiativen überlassen“. Im Markt Bogen wurde in diesem Zeitraum neben neuen Betrieben auch die „Lederfabrik Bogen“ des Fritz Zapf gegründet. Die Geschichte dieser Industrieansiedlung steht beispielhaft für mehrere vergebliche Versuche, in Bogen einen neuen Betrieb entstehen zu lassen und dauerhaft zu betreiben.
Fritz Zapf aus Rehau gründet eine Lederfabrik
Der gelernte Ingenieur Fritz (Hans) Zapf, am 18. November 1914 in Rehau/Oberfranken geboren, evangelisch, Abkömmling der seit 1907 bestehenden Fränkischen Lederfabrik, wurde als junger Mann Soldat bei der Panzertruppe und während des Zweiten Weltkrieges meist im Kraftfahrdienst eingesetzt. Nach Aufenthalten in München, wo er 1941 geheiratet hatte, Oppeln, Nürnberg und Gerbstedt war er bei Kriegsende 1945 in Feldkirchen bei Straubing stationiert. Bei seinen Einsätzen hatte er sich Verletzungen an Hüfte und Knie zugezogen, die ihn zeitlebens behinderten. Nach Kriegsende zog er 1947 mit seiner Frau und drei kleinen Kindern nach Bogen.
Er wusste, dass die bayerische „Landesstelle für Leder“ seit dem 1. August 1946 das Treibriemenleder kontingentiert hatte und deshalb dafür großer Bedarf in landwirtschaftlichen und anderen mechanischen Betrieben bestand. Vielleicht war ihm auch bekannt, dass in Bogen Jahrhunderte lang mehrere Ledererfamilien und Leder verarbeitende Handwerker (Schuhmacher, Sattler, Baywa) existierten und er setzte darauf seine Hoffnungen. Denn Fritz Zapf erwarb, obwohl der Landkreis damals nur für Unternehmen eine Erfolgschance sah, „die, die hier vorhandenen Rohstoffe wie Holz, Steine und Erde verarbeiten können“, mit Darlehen der Kreissparkasse und der Gewerbe-Bank an der Straße nach Bärndorf ein Grundstück und baute zwei Fabrikgebäude sowie ein Wohnhaus (Abb. 1).
Der Marktgemeinde Bogen unter Bürgermeister Alois Wutz kam die Fabrikgründung sehr gelegen, weil damals etwa ein Drittel der Bewohner erwerbslos war und zahlreiche Heimatvertriebene Arbeit suchten. Der Markt unterstützte deshalb das Vorhaben dadurch, dass die Lederfabrik an die neue Wasserleitung und Kanalisation angeschlossen wurde. Mit großem Elan versuchte Fritz Zapf nun, in Bogen Fuß zu fassen (Abb. 2). Unterstützung fand er vor allem bei den Bürgern Bogens, die wie er neue Firmen gegründet hatten, wie zum Beispiel die Firma Elbau der Familien Hintze und Menzel, die Radio-Apparate herstellten. Fritz Zapf ließ ein schönes Firmenlogo entwerfen, schmückte damit Kuverts, Schreibpapier, farbige Prospekte und Rechnungsformulare.
Manuelles Scheren (Entfleischen) der Blößen (Häute) auf dem Gerberbaum.
Im April und Mai 1947 inserierte er in verschiedenen Zeitungen Niederbayerns und der Oberpfalz: „Lederrundriemen für Nähmaschinen gegen Bezugsschein lieferbar. Transport. – Nähriemen in kleinen Mengen bei Fritz Zapf, Gerberei und Lederwarenfabrik, Bogen in Niederbayern“ (Passauer Neue Presse Nr. 30 vom 15.4.1947) oder: „Lederfabrik Bogen liefert gegen Lederschecks, Erwerbsscheine und Ledermark: Sattlerleder, Treibriemenleder, chromgar... wasserfest... gekittet, Nähriemen, Binderiemen, Treibriemenrep., schnell und sauber. Preisermäßigung für Wiederverkäufer, Firma Fritz Zapf, Bogen/Ndb.“ (Mittelbayerische Zeitung Nr. 42 vom 28. Mai 1947).
Im August 1948 stellte der Fabrikbesitzer seinen Betrieb der Öffentlichkeit vor. Kurz darauf heiratete er zum zweiten Mal. Die Bogener Fotografin Fany Bauer und der Postkartenverlag „FOKUS-Fotokunst“ fertigten eine Serie von Bildern an, die das Lederer-Handwerk mit den damaligen einfachen „Maschinen“ zeigen: Bisher nicht veröffentlichte Raritäten (Abb. 3). Im Jahre 1949 ließ Fritz Zapf ein Patent eintragen, das aber erst am 9. Juni 1952 veröffentlicht wurde (DE 840 746 C, vgl. Passauer Neue Presse, Niederbayerische Zeitung Nr. 66 vom 5. Juni 1952, Seite 3). Der Erfinder hatte ein Verfahren zum „Weichen, Äschern, Beizen, Gerben, Färben und Fetten von Häuten, Hautblößen und Leder aller Art“ entwickelt.
Beheizen des Dampfkessels.
Um der Nachfrage an Textilledern (Taschen, Rucksäcke, Handschuhe, Feuerwehrhelme, Schutzschürzen, Oberleder für Schuhe, Behälter aus echtem Leder und so weiter) nachkommen zu können, gab Zapf seine Hauptprodukte, nämlich Leder für Spinnereien und Webereien, fast gänzlich auf und musste seine Maschinen, die am Tage mit Holz betriebener Dampfkraft (Abb. 4) und nachts mit Diesel und Industriestrom liefen, durch teure, moderne Maschinen ersetzen. Eine neue Falzmaschine wurde gekauft, mit einer neuen Ausreck- und Abwelkmaschine, die das vom Gerbe- und Färbeprozess aufgequollene Leder trocken presste, versuchte der Fabrikbesitzer Heizkohle einzusparen. Kurz nach der Währungsreform vom Juni 1948 waren erst acht Arbeiter beschäftigt, bald darauf etwa 30, um 1950/51 etwa 50.
Das Geschäft lief also gut, Zapf konnte sich sogar ein privates Auto leisten. Da er sehr gut Englisch sprechen konnte, bekam er nach eigenen Angaben Aufträge in Höhe von mehreren Hunderttausend DM und lieferte seine Waren in die Türkei, nach Schweden, Ägypten, Indien, Portugal und in den Iran. Zudem hoffte er – wie viele andere – auf einen spürbaren Aufschwung durch die kommende deutsche „neue Wehrmacht“. Wie ein erhaltenes Rechnungsformular zeigt, wurden die verschiedenen Lederwaren nach Pfennigen berechnet und brachten nur wenig Gewinn. Zunehmend stellte sich auch heraus, dass die Bogener Produkte keine Abnehmer mehr fanden. Sie waren noch immer stark auf die handwerkliche Verarbeitung ausgerichtet und vielleicht fehlte auch die erforderliche Qualität.
Und so kam es, dass die Bestellungen zurückgingen und die Einnahmen schrumpften. 1950 und 1952 beteiligte sich Zapf noch mit größeren Inseraten an den Sonderbeilagen des Straubinger Tagblatts zur Ankündigung der Bogener Volksfeste beziehungsweise der Stadterhebung.
Schwierigkeiten und das Ende der Lederfabrik
Nach 1952 machten sich der Konkurrenzdruck, die schwache Auftragslage und die damit verbundenen geringen Einnahmen noch stärker bemerkbar. Auch wenn der Bogener Ledereibetrieb, die Firma „Joho“ des Johann Hopf, den Standort Bogen wieder verlassen hatte, geriet Fritz Zapf in immer größere finanzielle Schwierigkeiten. Die großen deutschen Lederfabriken konnten preisgünstiger liefern, die Lederfabriken in der Nähe, zum Beispiel in Obertraubling, Kötzting oder Obernzell, nahmen Fritz Zapf mögliche Kundschaften weg. In einem Zeitungsinterview klagte Zapf über Absatzschwierigkeiten. Er musste seine Gerbstoffe aus Leverkusen, Frankfurt-Höchst und Hamburg beziehen, die ungünstigen Transportverhältnisse und die Frachtkosten bedeuteten für ihn eine monatliche zusätzliche Belastung von 2 400 Mark. Ein eigener Lastwagen konnte nur mit einem vermutlich letzten Kredit angeschafft werden.
Als Fritz Zapf mit den Einnahmen aus der Lederfabrik die Gläubiger nicht mehr zufrieden stellen konnte, war das hoffnungsvoll begonnene Projekt nach sechs Jahren am Ende angelangt. Fritz Zapf meldete im September 1953 Konkurs an. Das Ende seines Lebenswerkes, die damit verbundene Mittellosigkeit und die entstandene schwierige Situation für seine Familie waren für den 40jährigen Fritz Zapf mehr als enttäuschend, er hatte bis zu seinem Lebensende darunter zu leiden.
Der weitere Lebensweg des Fritz Zapf
Auf dem ehemaligen Lederfabrikgelände entstand ein Jahr später das Kunststoffwerk der Gebrüder Anton und Wilhelm Anger. Fritz Zapf verließ Bogen, zog nach Straubing, wo er drei Jahre lang ein kleines Geschäft mit Lederreparaturen und Lederwaren betrieb, und weiter nach Furth bei Bogen in ein Haus der so genannten Abensberger Siedlung. Dort fertigte er von 1956 bis zirka 1965 in einer kleinen Werkstatt Leder- und Sattlerprodukte an. Ab 1962 ergaben sich für ihn tiefgreifende familiäre Veränderungen. Der Versuch, mit dem Heizungsbau ein neues Gewerbe aufzubauen, führten Fritz Zapf 1965 nach Aiterhofen und weiter nach Loiching bei Dingolfing. Immer in finanziellen Nöten verließ er mit seiner Familie 1971 auch Loiching und ließ sich in Oppenweiler in Baden-Württemberg nieder.
„Nach langer, quälender Leidenszeit“ fand Fritz Zapf schließlich am 21. Juni 1975 „seine verdiente Ruhe“ – so schrieb seine Frau Christel Zapf in der Todesanzeige. Der Leichnam des Fritz Zapf wurde am 9. August nach Rehau überführt und in der Gruft seiner Familie auf dem Friedhof in Rehau beigesetzt.
Quelle: Hans Neueder, Kreisheimatpfleger, in: Bogener Zeitung vom 3. Februar 2015
Quellen: Bayerisches Wirtschaftsarchiv München: Verzeichniseinheit „309 Lederfabrik Bogen“, 1951 bis 1952. Stadtarchiv Rehau: Meldekarteikarte Fritz Zapf, Gespräche mit Michael Zapf und mit anderen Bogener Bürgern, Sammlung Neueder, Bogen: Inserate 1950 und 1952. Amts-Blatt des Landkreises Bogen, 1. Jahrgang, Nr. 15 vom 4. September 1946. Mittelbayerische Zeitung Nr. 42 vom 28. Mai 1947. Passauer Neue Presse Nr. 30 vom 15. April 1947, Nr. 40 vom 20. Mai 1947 und Nr. 66 vom 5.6.1952. Rechenschaftsbericht... des Landkreises Bogen... von Juni 1948 bis 30. April 1952, Seite 38. Seefried, Richard: Heimat-Kundliches zur Geschichte des Marktes Bogen, Bogen 1948, 71. Wutz, Alois, 1. Bürgermeister: Rechenschaftsbericht der Marktgemeinde Bogen über die vergangenen Amtsperioden, Bogen 1952. Lachner, Max: Bogen seit 1945 (verfasst im Juni 1952, Typoskript beim Verfasser). Erwert, Helmut: Niederbayerische Erfolgsgeschichten, Straubing 2000, 129, 135.
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